Methodisches Vorgehen bei qualitativer Forschung

[mabl]

Hallo zusammen,

dies ist mein erster Eintrag in diesem Forum und schon habe ich eine absolut brennende Frage auf den Lippen zu der ich mal ein paar Denkanstöße benötige.

Ich schreibe meine Dissertation im Bereich Wirtschaftswissenschaften. Mein Problem ist derzeit die Verbindung der Theorie mit meiner (zu erstellenden) qualitativen Forschung in Form von Experteninterviews.

Aus der Literatur entnehme ich zuerst ein Untersuchungsdesign für ein Problem A. Dieses Untersuchungsdesign möchte ich dann auf Problem B übertragen. Im Prinzip liegt hier schon der Schlüssel.

Vorgehen 1: Ich könnte die Übertragung zuerst theoretisch und argumentativ herleiten und dann anschließend durch Experteninterviews überprüfen. Kann das richtig sein? Im Prinzip erstelle ich dann ja sowas wie Hypothese und überprüfe diese qualitativ. Ich hatte immer verstanden, dass die qualitative Forschung eher zur Erzeugung dieser Hypothesen nutzt?

Vorgehen 2: Ich nutze den Rahmen des Untersuchungsdesign für Problem A und passe die Inhalte mit Hilfe der Experteninterviews auf das Problem B an. Somit hätte ich qualitativ etwas hergeleitet (grounded theory).

Was wäre das korrekte Vorgehen? Oder gibt es vielleicht sogar noch eine andere Möglichkeit? Vorschweben tut mir eigentlich etwas mit dem ich eine argumentative Gestaltungsempfehlung durch Experteninterviews stützen kann.

Danke euch für jeglichen Input!
Bernd

[musicus]

Ich überlege gerade, ob man Hypothesen qualitativ prüfen kann? Das ist eigentlich ein standardmäßiges quantitatives Vorgehen. Nullhypothese aufstellen, Alternativhypothese aufstellen, Signifikanzniveau festlegen, usw. Verstehe ich es richtig, daß du Problem B bearbeiten willst und jmd. anders hat über Problem A geschrieben? Du willst also begründen, warum du die Methodik anwendest? Das ist natürlich eine ganz grundsätzliche Frage, die man m.E. einfach theoretisch (logisch) herleiten kann. Unter Berücksichtigung der drei Kriterien:

Operationalisierung: Begriffe bestimmen, definieren, etc.
Validität: mißt das Verfahren, was es messen soll?
Reliabilität: mißt das Verfahren unter gleichen Bedingungen bei einer Wiederholung das gleiche?

Vielleicht habe ich auch falsch verstanden, was du machen willst.

[mabl]

Im Prinzip hast du das schon richtig verstanden. Es gibt einiges an Literatur zur Anwendung von Lösungsmethoden für Problem A. Jetzt passt das nicht 100% für Problem B und daher müssen die Methoden angepasst werden. Das könnte ich auch rein theoretisch machen. Irgendwie möchte ich das aber empirisch stützen, wozu sich eigentlich nur Experteninterview anbieten.

Ganz einfaches Beispiel:

Angenommen Methode 5-Forces Analyse von Porter wäre nur für produzierende Unternehmen gültig. Jetzt würde ich das Konzept auf die Internetbranche übertragen. Das ist sicherlich theoretisch herleitbar. Im Prinzip ist es ja eine reine Übertragungsleistung. Fragt sich nur, wie man das mit einer empirischen Untersuchung stüten kann. Hier z.B. durch Befragung von Unternehmern/Beratern aus der Internetbranche.

[musicus]

Hm ok! Porter 5 Forces kenne ich nicht, dennoch ein Versuch: handelt es sich hierbei um ein Modell? Wie wurde dieses denn seinerseits an der Realität überprüft? Oder hat sich dieses Modell einfach nur bewährt? Wie hat Porter seine Vorstellung an der Empirie getestet? So könntest du es ja auch machen. Wenn es einfach nur bewährt ist, dann kannst du gar nichts machen außer abwarten, ob es sich bewährt im neuen Anwendungsfall.

Ist deine Aufgabe die Übertragung bzw. Verifikation des Modells auf das neue Beispiel, oder geht es um etwas ganz anderes und du braucht nur die methodische Grundlage und willst zeigen, daß sie in deinem Fall anwendbar ist?

[mabl]

Es ist eher ein Analyserahmen, der in der Praxis Anwendung findet. Der Inhalt dieses Rahmens muss halt angepasst werden, was Inhalt meiner Arbeit ist. Eine neue Theorie will ich also garnicht entwickeln, sondern eher eine Gestaltungsempfehlung für einen neuen Fall herleiten. Im Prinzip also eine Übertragungsleistung.

[musicus]

Dann müßte man schon irgendwie begründen, warum dieses Framework für den neuen Anwendungsbereich gültig, objektiv, usw. ist. Das würde ich aber wirklich nur rein theoretisch machen.