Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Anfangen mit der Diss: Abgeschlossene Diskussionen (Doktorvatersuche, Expose...)
Gesperrt
Jean-Paul

Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Beitrag von Jean-Paul »

Hallo,

bitte lacht mich nicht aus, aber ich trage mich mit dem Gedanken irgendwann einen zweiten Versuch zu unternehmen, zu promovieren und wollte einmal in diesem Forum - das wirklich toll ist - einen Rat einholen.

Kurz zu meiner Geschichte. Ich bin im Dezember 2008 in Dresden mit dem Studium der Geschichte und der Politik fertig geworden und hatte mich ohne größeres Zögern in eine Dissertation gestürzt, an deren Exposé ich bis ca. April 2010 gearbeitet habe. Mein Professor hatte mich gefragt, ob ich nicht eine Stelle bei ihm antreten wolle, doch aufgrund der schlechten Bezahlung (es war nur eine wissenschaftliche Hilfskraftstelle mit 800 Euro) und der Tatsache, dass ich wieder nach Dresden hätte ziehen müssen, habe ich versucht nur ein Exposé für eine Stipendiumsbewerbung zu erstellen.

Vor einem Jahr kamen mir dann massive Zweifel, ob mein Vorhaben Sinn macht. Punkt 1: Ich wollte und will nur für mich promovieren. Damit habe ich aber die Karriere außer acht gelassen und letztlich über ein Jahr "verschenkt". Ich hatte eine aktuelle Ausgabe der Arbeitsmarkt Wissenschaft, Kultur und Soziales vom Wissenschaftsladen Bonn in der Hand mit dem Titel "Was bringt der Doktorhut?", die sich relativ kritisch zum Thema Promotionsmotivation äußerte. Ich habe im Internet dann auch noch einige andere kritische Quellen gelesen. Wohl gemerkt es geht um das Thema Promotion in den Geisteswissenschaften - nicht um andere Fächer. Ich wollte keine wissenschaftliche Laufbahn anstreben, da ich dort die Karrierechancen pessimistisch einschätze und überhaupt keine Lust verspüre, Studenten zu unterrichten (sonst hätte ich gleich Lehrer werden können). Jedenfalls scheint und schien es mir, als ob ich mich durch die Dissertation nur weiter vor dem Thema Berufswahl gedrückt hätte. Momentan versuche ich den Berufseinstieg zu schaffen und mache gerade nochmal Praktikum (obwohl ich mich dafür schon jämmerlich alt fühle). Allerdings ist der Berufseinstieg in den Geisteswissenschaften bekanntlich oft schwerer als in anderen Fächern. Punkt 2: Ich kam mit dem mir selbst gewählten Thema nicht wirklich voran und mein Professor war mir auch nicht die große Hilfe. Wahrscheinlich hätte ich vor dem Dissprojekt einige Ratgeber lesen sollen, dann hätte ich vielleicht bei der Themenwahl an meine Magisterarbeit angeknüpft und mir ein Thema gesucht, von dem mein Prof mehr Ahnung gehabt hätte (was bei dem Thema der Magisterarbeit der Fall gewesen wäre). Jedenfalls, als ich nach einem Jahr immer noch nicht mit dem Exposé fertig war, ich auch endlich an dem Thema Karriere arbeiten mußte und muß und verschiedenlich gehört hatte, daß Dissertationen in den Geisteswissenschaften oft 5-8 Jahre dauern können, habe ich entnervt aufgegeben. V.a. weil ich auch Angst davor hatte, mit Mitte/Ende 30 ein arbeitsloser, promovierter Historiker zu sein. Ein weiterer Punkt ist vielleicht noch, daß ich nach langer Zeit (meine Prüfungszeit verlief ewig), keine Lust mehr auf Einzelkämpfertum hatte. Denn auch mein Freundeskreis hat sich aufgelöst und ich fühlte irgendwie, im Moment nicht den richtigen intellektuellen Rahmen für eine Dissertation zu haben.

Jedoch krazt es an mir (genauso wie das Thema Berufseinstieg) und ich wollte einmal horchen, ob es vielleicht Doktoranden und Doktoren gibt, die sich in einer ähnlichen Situation befanden. Die vielleicht auch einmal die Dissertation abgebrochen hatten und später neu begonnen haben. Ich bin jetzt v.a. durch die Guttenberg-Affäre wieder auf das Thema Promotion gestoßen - die Affäre hat auch gute Aspekte für die Wissenschaft :) - und es interessiert mich, ob man sich mit Ende 20/Anfang 30 noch mal auf ausgeschriebene Promotionsstellen bewerben kann (und eine Chance hätte). Ich bin eher der Ansicht, daß es aus Karrieregründen momentan eher zu spät dafür ist, zumal viele staatliche Referendariate Altersgrenzen kennen. V.a. interessiert es mich, ob man auch als Historiker mit einem historischen Thema berufsbegleitend promovieren kann. Bei vielen Themen ist es schwierig, da man ins Archiv müsste. Auch müsste ich mir ein schlankes Thema suchen. Was meint ihr? Oder kennt ihr Stellen, die mich beraten könnten? Ich würde vielleicht in zwei-drei Jahren anfangen, nachdem ich den Berufseinstieg geschafft habe.

Bitte lacht mich wegen meines Anliegens nicht aus, oder seit höhnisch, weil ich Geisteswissenschaftler bin.

Vielen Dank für eure Antworten,

Gruß Jean-Paul
Taavi

Re: Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Beitrag von Taavi »

Jean-Paul hat geschrieben:
bitte lacht mich nicht aus, aber ich trage mich mit dem Gedanken irgendwann einen zweiten Versuch zu unternehmen.

Bitte lacht mich wegen meines Anliegens nicht aus, oder seit höhnisch, weil ich Geisteswissenschaftler bin.
Warum denn auslachen, wenn du einen zweiten Versuch starten willst? Und wieso höhnisch, weil du Geisteswissenschaftler bist? Bin ich auch :) Glaubst du, eine Promotion in einem geisteswissenschaftlichen Fach wird nicht als gleichwertig angesehen, oder warum die Sorge?

Ich kann den Arbeitsmarkt für Historiker nicht einschätzen, da kenne ich mich nicht aus, aber ich glaube, dass auch da zutreffend ist, was für viele geisteswissenschaftliche Fächer gilt: Berufserfahrung schon während des Studiums und dann später ggf. neben der Promotion zu sammeln. Dann hast du (auch wenn du dann schon Mitte 30 sein solltest) schon einen Lebenslauf für die Bewerbung auf eine Volontariatsstelle oder ähnliches. Kenne selbst einen Historiker, der es so gemacht hat und jetzt mit Mitte 30 seine erste Stelle hat.

Die Ausgabe des Wila Bonn habe ich auch gelesen :wink: Ich denke, es kommt darauf an, in welchem Bereich du später arbeiten möchtest. Möchtest du mit deinen Fächern z.B. in eine Stiftung oder ähnliches, würde ich sagen, dass du dafür keinen Doktor brauchst. Möchtest du als Historiker arbeiten? Dann würde ich schon eher denken, dass ein Titel hilfreich ist. Aber wie gesagt, dass sind nur Erfahrungsberichte anderer ehemaliger Kommilitonen, die auch aus den Geisteswissenschaften kommen. Vielleicht gibt es ja hier im Forum Historiker/Politikwiss. die von ihren Erfahrungen berichten können.
Rosa

Re: Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Beitrag von Rosa »

Hallo,
Deine Sorgen sind total verständlich und tatsächlich kein Grund für Hohn. Existenzangst als Geisteswissenschaftler ist fast normal. Statusangst aufgrund von einem mal angestrebten, aber dann nicht gemachten Doktor ebenfalls. Beides sind aber keine guten Lotsen. Was ist Deine (so liest man immer sogenannte intrinsische) Motivation? Nenne Dir fünf Dich wirklich überzeugende Gründe für eine Diss, die in Dir drin liegen (faszinierendes Thema, Spaß an der Sache, Entwicklungswunsch?...). Die schützen Dich vorm Abbrechen, wenn mal wieder Zweifel aufkommen (und das werden sie). Viel Glück und gute Entscheidung!
Jean-Paul

Re: Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Beitrag von Jean-Paul »

Hallo,

danke für eure netten Antworten. Ja mit dem Hohn und Spott habe ich geschrieben, da ich in so manchen Foren so etwas schon erlebt habe - so wie ätsch Geisteswissenschaftler - pech gehabt.....

Aber was mich interessiert, kenn jemand Historiker (o.Ä.), die berufsbegleitend promovieren. Mit der Berufswahl, schwieriges Thema - auch wenn ich schon das eine oder andere vorzuweisen habe. Mein Prof war damals auch eher pessimistisch - vonwegen Geisteswissenschaftler und verlorene Generation. Vielleicht zu pessimistisch, doch Fakt ist, Geisteswissenschaftler haben wegen ihres Studiums nicht den Stand, den sie gerade wegen eines Studiums haben könnten.

Gruß Jean-Paul
Eva
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Registriert: 06.07.2007, 17:35
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Re: Berufsbegleitend und erneut Promovieren

Beitrag von Eva »

Hallo
Dann will ich mich mal als promovierende Historikerin melden, die neben ner halben Stelle außerhalb der Uni promoviert. :wink:
Du schreibst, du hättest die Diss vor einem Jahr aufgegeben. Darf ich fragen, was du seither gemacht hast? Hast du denn eine Vorstellung, wohin du beruflich möchtest? Das muss ja nicht zwingend etwas sein, wofür du die Promotion brauchst - da fallen mir auch v.a. die "klassischen" Historiker-Laufbahnen ein, also Uni, Archiv, Museum und evtl. noch Bibliothek. Alles andere andere ist nicht fachspezifisch und auch nicht an den Dr.-Titel gebunden. Für mich klingt es bei dir so, als wäre es sinnvoll, Berufseinstieg und Promotion in deinen Überlegungen ganz getrennt zu sehen. Du willst nicht promovieren, um dich für eine Stelle in einem der genannten Bereiche zu qualifizieren (richtig?), sondern hast für dich privat Lust drauf (gute Voraussetzung übrigens!). Bleibt die Frage, wie du dir dein sonstiges Leben vorstellst, d.h. welchen Stellenwert diese private Diss für dich hätte. Wie viel Zeit möchtest du ihr geben? Willst du voll arbeiten oder in Teilzeit? Ich arbeite 19 h pro Woche, damit klappt das Promovieren ganz gut, allerdings ist halt das Gehalt auch entsprechend niedrig. In meinem Fall waren die Archivrecherchen sehr reiselastig und langwierig, das hätte sich damals schwer mit einem Job vereinbaren lassen. Du kannst aber ja dein Thema entsprechend so auswählen, dass es z.B. vor allem lokalen Bezug hat und dir vielleicht das nächstgelegene Archiv ausreicht (ich glaube kaum, dass du eine Diss in Geschichte ganz ohne Archivbesuch schreiben kannst! :wink: ). Hast du denn schon eine Idee? - Apropos, ich hätte im Leben nicht das Thema meiner Abschlussarbeit in der Diss ausbauen und vertiefen wollen, ich fand es viel spannender und reizvoller, etwas Neues, ganz Anders zu wählen. Der Preis war natürlich, dass ich mich nochmal umfangreich neu einlesen musste. Auch das hast du ja mit der Wahl deines Themas in der Hand, du kannst entweder total pragmatisch sein oder rein nach Interesse gehen oder eine gesunde Mischung dazwischen finden. Wenn du konkrete Fragen hast, gerne auch per PN.
Alles Gute
Eva
Gesperrt
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