Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

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MöchtegernDr

Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von MöchtegernDr »

Schönen guten Tag,
ich befinde mich in den letzten Semestern eines interdisziplinären Studiengangs der Natur/Lebenswissenschaften und überlege, wie es weitergehen soll. Das klassische wäre eine experimentelle Promotion anzufangen, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen habe ich das Labor gründlich satt (was aber nicht bedeutet, dass mir das wissenschaftliche Arbeiten keinen Spaß macht!). Darum überlege ich jetzt, ob es nicht möglich wäre, eine mehr theoretische oder historische Arbeit anzufertigen, z.b. in Geschichte der Medizin/Pharmazie/Naturwissenschaft, Ethik in diesen Bereichen oder ein anderes eher theoretisches Thema aus dem naturwissenschaftlichen Bereich.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich bisher wenig Ahnung über diese Themengebiete und insbesondere die Art und Weise, wie das promovieren dort abläuft, habe. Wahrscheinlich stelle ich mir das alles viel zu einfach vor. Darum würde es mich freuen, wenn sich z.b. mal ein Historiker o.ä. zu Wort melden und den Alltag als Promovend beschreiben könnte. Was macht man so die ganze Woche, ist es mehr ein in der Bib sitzen, oder läuft man ständig von einem Termin zum nächsten, wie läuft das mit dem Veröffentlichen (muss man? auf deutsch, auf englisch?), wie könnte man sich am besten die entsprechende Arbeitsweise aneignen, wenn man bisher noch nie mit Geschichtswissenschaft in Berührung gekommen ist?
(wäre durchaus bereit, noch einige Zusatzveranstaltungen zu besuchen, um mir das anzueignen)

Die zweite Frage wäre dann, wo und wie ich das überhaupt machen könnte. Würde das gern nebenberuflich angehen (z.b. neben Job mit reduzierter Arbeitszeit, habe da schon was in Aussicht), von mir aus kann es auch gern ein paar Jahre länger dauern dadurch. Nehmen die einen überhaupt als Naturwissenschaftler, welchen Titel erhält man dann, geht das nur an bestimmten Unis? Das sind dann die Fragen, die ich als nächstes klären müsste.
Eva
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Re: Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von Eva »

Ein paar Gedanken und Infos: Eine Bekannte von mir hat nach einem Diplom in Physik ihren Doktor in Geschichte der Naturwissenschaften gemacht (wissenschaftliche Biographie über einen Physiker); welchen Titel das gab, weiß ich nicht. In der Medizingeschichte sind v.a. Mediziner, in der Rechtsgeschichte v.a. Juristen unterwegs, nicht Geschichte studiert zu haben, ist also keine grundsätzliche Hürde. Inwieweit diese Arbeiten sich mit "echten" historischen Arbeiten vergleichen lassen, kann ich nicht beurteilen, ich hatte allerdings mal eine medizinhistorische Habil in der Hand (aus dem Bereich meines Forschungsthemas), die meines Erachtens in der Geschichtswissenschaft nicht als Magisterarbeit durchgegangen wäre.
Zum Forschungsalltag: Du hast es mit Archivalien zu tun, d.h. Schriftstücken, Briefen, Urkunden etc., die in Archiven aufbewahrt werden. Das heißt zum einen Recherche (was finde ich wo, wie brauchbar sind die Bestände tatsächlich?), zum anderen lesen. Hinzu kommt das Lesen von Forschungsliteratur - lesen ist also ein wesentlicher Bestandteil geschichtswissenschaftlicher Forschung. Der zweite Teil: Schreiben. Beides muss dir Spaß machen, sonst lässt du es besser. Du musst am Ende ein Buch veröffentlichen, Sprache wäre in der Regel deutsch (kommt aber sicher auch aufs Thema an). Nebenberuflich ist kein Problem, das machen viele so (incl mir :wink: ).

Gibts an deiner Uni einen Lehrstuhl für Technikgeschichte oder so etwas? Besuch doch mal eine Vorlesung, eine Übung, schau es dir an.
algol
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Re: Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von algol »

Ich kenne einen Theologen, der hat über Ethik im Bereich Genforschung seine Diss gemacht. Sein Prof war aus der Theologie und der zweite Gutachter aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Er musste sich in den Bereich entsprechend einarbeiten.
MöchtegernDr

Re: Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von MöchtegernDr »

Das sind interessante Infos, danke. Werde mich informieren, was es so für Möglichkeiten an meiner Uni gibt. Grundsätzlich in Frage kämen theoretische Themen aus dem Bereich Medizin, Pharmazie, Biologie oder Psychologie. Um es mal sehr weit zu fassen, Physik und Mathe allerdings weniger.
Aber wenn ein Physiker ein geschichtliches Thema bearbeiten kann, dann müsste ich das eigentlich auch können. Schade nur, dass du nichts über den Titel oder besondere Zugangsvoraussetzungen schreibst. An welcher Uni war das denn?
Im Falle vom Theologen ist es etwas anders - die Ethikfragen dürften ihm liegen, aber das Wissen über Gentechnik musste er sich aneignen. Bei mir wäre es umgekehrt :wink:

Was du über den Alltag beschreibst, hört sich tatsächlich so an, wie ich mir das vorgestellt hatte. Viel Lesen, viel theoretische Arbeit, in Archiven wühlen...
Und am Ende veröffentlicht man ein Buch? Also die Thesis ist dann das Buch oder wie? Worauf ich eigentlich anspielte, war das Veröffentlichen in Fachzeitschriften während der Promotionszeit, also das scheint dann wohl kein Muss oder sogar unüblich zu sein?
Was die Medizin betrifft: Ich will keine 3-Monats-Medizinstudenten-Promotion schreiben (ja, gemein, ich weiß :wink: ), sondern schon eine "richtige", würde da also schon ein paar Jahre einplanen.

Was sind denn so die größten Schwierigkeiten oder Hürden, die man überwinden muss? Frustrationsmomente?
mezarif

Re: Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von mezarif »

MöchtegernDr hat geschrieben:Und am Ende veröffentlicht man ein Buch? Also die Thesis ist dann das Buch oder wie? Worauf ich eigentlich anspielte, war das Veröffentlichen in Fachzeitschriften während der Promotionszeit, also das scheint dann wohl kein Muss oder sogar unüblich zu sein?
Genau, die Dissertation wird als Monografie veröffentlicht. Allerdings ist es durchaus auch üblich, in Fachzeitschriften nebenher zu publizieren - am Einfachsten Randthemen der Diss, die nicht wirklich reinpassen. Die Aufsatzpublikationen haben allerdings keinerlei Einfluss auf die eigentliche Promotion.
MöchtegernDr hat geschrieben:Was sind denn so die größten Schwierigkeiten oder Hürden, die man überwinden muss? Frustrationsmomente?
Frustrationsmomente gibt es in jedem Fach - da sollte man sich keine Illusionen machen. Ich stelle es mir nicht soooooo leicht vor, als nicht-Historiker in der Geschichte zu promovieren - auch wenn das aus manchen der obigen Statements so hervorgeht. Klar ist grundsätzlich möglich, aber man sollte m.E. die Einarbeitungszeit da nicht unterschätzen - nicht nur ins Thema, sondern eben auch in die Arbeitsweise. Quellenkritik ist zum Beispiel nicht etwas, was man einfach naturgemäss kann, sondern was man als Historiker im Grundstudium lernt und dann jahrelang übt.
Eva
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Re: Promotion in Geschichte als Naturwissenschaftler?

Beitrag von Eva »

@mezarif: Ich habe durchaus auch meine Bedenken, ob das so einfach klappt mit einer Promotion in Geschichte, wenn man keinen geschichts- oder nicht mal geisteswissenschaftlichen Hintergrund hat. Wenn man will, könnte man MöchtegernDr unterstellen, er hielte Geschichte für eine Disziplin, in der jeder ohne große Vorbereitung eine brauchbare Forschungsleistung vorlegen könne - die Mär vom "weichen Fach" :roll: Mir gings erstmal darum aufzuzeigen, dass es die Möglichkeit grundsätzlich gibt, vor allem in Randbereichen wie Technikgeschichte, Geschichte der Naturwissenschaften u.ä., die von "echten" Historikern (zu Recht?) nicht unbedingt als ihrem Fach zugehörig angesehen werden. Wie mein Beispiel der medizingeschichtlichen Habil eines studierten Mediziners zeigt, scheinen die Ansprüche dort oft wesentlich niedriger zu liegen als bei genuin geschichtswissenschaftlichen Arbeiten. Ob und wie sich das dann für MöchtegernDr konkret gestaltet und ob es wirklich so einfach ist, wie er sich das momentan erträumen mag, sei dahin gestellt und muss er für sich selbst rausfinden.

@MöchtegernDr: Wo und an welchen Unis das evtl. geht, kannst du leicht durch Internetrecherche rausfinden, da kannst du dich gleich im Recherchieren von Informationen üben! :wink: Mein Tipp: Suche vor allem an technischen Unis bzw. Fakultäten, weil das, was du suchst, eben in der Regel nicht bei den Historikern angesiedelt ist.
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