Dauermotivationstief

Fragen aus der laufenden Arbeit an der Dissertation.
Literatursuche, Motivationsprobleme, Lehrtätigkeit, Ärger mit dem Prof u.v.m.
Bear

Re: Dauermotivationstief

Beitrag von Bear »

Liebe Endlosschleife,

das tut mir sehr leid für Dich und ich kann Dich sehr gut verstehen - Du hast viel gearbeitet und siehst kein Erfolgserlebniss (ich denke, dass ist das grösste Problem bei den Doktorarbeiten) - aber ganz ehrlich, "scheiß drauf", natürlich ist das ärgerlich und deprimierend, aber noch lange kein Grund, Dein Privatleben aufzugeben! Ich meine, beurfliche Schierigkeiten wird es immer mal geben, Arbeitslosigkeit nach vielen Jahren der Beschäftigung, Pleite nach Selbstständigkeit usw! Selbst wenn Du überhaupt nicht mit der Doktorarbeit angefangen hättest, wer weiss, wo Du heute stehen würdest - ist ja gar nicht gesagt, dass Du dann jetzt was ganz tolles machen würdest. Vielleicht wärst Du dann in einer anderen Lage, die genauso oder ähnlich ärgerlich ist!
Endlosschleife

Re: Dauermotivationstief

Beitrag von Endlosschleife »

Liebe Leute,

nochmals vielen Dank für eure Antworten. Mir ist schon klar, dass das Internet keinesfalls einen Therapeuten, Arzt etc. ersetzen kann. Gestern habe ich eine, für meine Verhältnisse unfreundliche/fordernde E-Mail an meinen Dr.vater geschrieben und habe ihn mit meinen konkreten Fragen "belästigt" anstatt wieder wochenlang vor mich hinzugrübeln. Ich habe bereits eine (mehr oder weniger) hilfreiche Antwort erhalten. Außerdem habe ich mir heute komplett "freigenommen" (hatte ich schon ewig nicht mehr. Es ist nicht so, dass ich extrem viel arbeite z.Zeit eher extrem wenig, aber dieses jeden Tag ein bisschen und dieses immer-darüber-nachdenken ist zermürbend). Mal ohne schlechtes Gewissen, einen Tag mit Lesen und Kaffeetrinken zu verbringen, hat mir gut getan und das steht von jetzt an jede Woche auf dem Programm. Klar, das Alles löst meine Probleme nicht, aber es ist zumindest ein Anfang. Bis ich mir professionelle Hilfe hole, wird es wohl noch etwas dauern - ich muss mich dazu erst einmal "selbst überreden", aber es arbeitet in meinem Kopf!

Viele Grüße
Endlosschleife
Kuniko

Re: Dauermotivationstief

Beitrag von Kuniko »

@ Endlosschleife:
Kann dein Problem echt gut verstehen. :trost: Schön, dass du dir einen Tag freinehmen konntest (vom Grübeln). Ich kann verstehen, dass du nicht direkt zu einem Therapeuten rennen willst, aber ich halte es auch für das Richtige. Vielleicht kannst du ja erst mal an der Uni schauen, da gibt es meistens so eine 'psychosoziale Beratungsstelle', die sich gerade mit so Lern- und Prüfungsgeschichten auskennen. Da könntest du erstmal zu einem 'unverbindlicheren ' Gespräch hingehen, die haben dann auch bestimmt Adressen für dich und so. Ist mir nur gerade so durch den Kopf geschossen...
Bolero

Re: Dauermotivationstief

Beitrag von Bolero »

Endlosschleife hat geschrieben:Aber die wissenschaftliche Arbeit hat mir z.B. während der Diplomarbeit sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch eine durchaus knifflige Methode für meinen Bedarf modifiziert, also nichts mit "einfach reproduzieren". Mittlerweile bin ich da zwiegespaltön:
Liebe while(true);

ja, das ist immer wieder auffällig. Diplomarbeit geht super einfach (sonst hätte man auch nie an promovieren gedacht) und plötzlich hat man ganz andere Anforderungen, ein ganz anderes Spiel. Krisen sind hier normal, nur wird hier nicht offen darüber geredet. Aber dass das so viel anders ist, das hätte ich vorher auch nie gedacht. Wer nur für den Titel promovieren will, sollte es, so wie Du es gesagt hast, lieber lassen. Allein für diese Motivation lohnt es sich nicht.

Von Kollegen weiß ich, dass auch diese Krisen hatten - Burn out mit mittelschweren Depressionen, Streit mit dem Partner, irgendetwas kommt immer. So war es auch bei mir, mich hat meine Ex-Freundin böse abgesägt. Aber Du wirst vielleicht später auch eine Führungsposition einnehmen, nur wenn Du auch durch schwere Zeiten gegangen bist, entwickelst Du dafür auch eine passende reife und erwachsene Persönlichkeit.

Eine Therapie würde ich Dir nicht unbedingt empfehlen. Du wirkst reflektiert, hast keine NPS, Deine Biografie lässt auf keine behandlungswürdigende Persönlichkeitsstörung schließen. Es wird dann bei einer Therapie gegraben, gegraben, was Deine gesamte Energie kostet und lange dauert und später stellst ihr fest, dass Deine Overachieveransprüche an Dich daran liegen, dass Dein Vater in Deiner frühesten Kindheit, als sich Dein Selbstbewusstsein entwickelt hat, nicht anwesend war. So musst Du es ihm ein Leben lang beweisen. Was stellst Du dann mit diesem Wissen an? Es ist nicht Deine Schuld, aber eine Verhaltensänderung dauert auch lang.

Wohl aber würde ich Dir ein Coaching empfehlen. Das wird auch von Psychotherapeuten durchgeführt, jedoch wird nicht so tief gegraben. AUSSER natürlich, Du hast in den wichtigen Bereichen des Lebens (Partnerschaft etc.) auch Probleme. Dann gilt, je eher eine Therapie begonnen wird, desto besser.

Vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten mit Deiner Krise umzugehen. Sonne und Solarium, Schokolade, mal ne Flasche Wein, Johanniskraut, die leichte chemische Keule, sich frisch verlieben etc.
Endlosschleife hat geschrieben:Es ist nicht so, dass ich extrem viel arbeite z.Zeit eher extrem wenig, aber dieses jeden Tag ein bisschen und dieses immer-darüber-nachdenken ist zermürbend.
Dann arbeite bitte mehr. Das ist sonst ein Teufelskreislauf in den Du Dich begibst. Während einer Doktorarbeit wird der Kopf ausgeschaltet und nur gearbeitet ;)
Ausserdem, schreib Deine Arbeit weiter, veröffentlichen kannst Du immer noch, wenn Du gute Ergebnisse hast, Du musst ja nicht jetzt einreichen. Sei jetzt diszipliniert, dann kannst Du auch wieder stolz auf Dich sein. Nicht denken, arbeiten ;)

Das ständige Grübeln, dass sich nur im Kreis dreht, ist ein sicheres Anzeichen für eine Depression (im Gegensatz zur schlechten Stimmung). Wenn es Dir mal wirklich schlecht geht, dann ab in die Krisenintervention irgendwo in Deiner Nähe. Du kannst auch mal anrufen:
http://www.dersteinigeweg.de/index.php? ... 1603524772

Du solltest Dich jedoch mal wirklich vom Fachmann ansehen lassen. Vielleicht ist es ein Burn-Out mit Winterdepression oder es ist grundlegend und deshalb wirklich in einer Therapie behandlungswürdig. Aber die Ausrede mit: "mir geht es schlecht, ich mache in 3 Jarhen eine grundlegende Therapie, bis dahin prokrastiniere ich" lass bitte für Dich nicht gelten.

Ich wünsche Dir viel Glück und von Herzen, dass Du Dich einfach fängst :blume:
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