Wann Teile aus Diss veröffentlichen?

[Anne123]

Hallo zusammen,

ich bin gerade etwas verunsichert. Mein DV motiviert mich regelmäßig, Ergebnisse meiner (noch nicht fertigen und folglich noch nicht publizierten ) Dissertation zu veröffentlichen. Nun habe ich gehört, dass sei überhaupt nicht üblich und würde eher negativ gesehen werden, denn dann seien die Erkenntnisse meiner Diss ja nicht mehr neu und ich müsste mich ständig selbst zitieren. Außerdem würden bei einer wissenschaftlichen Karriere (die ich nicht zwingend anstrebe), nur jene Publikationen zählen, die man MIT Doktortitel publiziert hat, keineswegs jene, die davor "verpulvert" wurden.

Wie sind Eure Erfahrungen?

Danke und Gruß

Anne

[musicus]

Ich würde einmal prüfen, was in der Promotionsordnung steht. Ich meine bei meiner alten Uni ist es ausdrücklich untersagt, Teile vorab veröffentlicht zu haben. Ich würde z.B. auch sehr gerne Teile bereits online publizieren (privat), traue mich aber nicht.

[GrafLukas]

Ich wäre da auch ganz vorsichtig und sehe das ebenso wie musicus. Allerdings - wenn dein DV das vorschlägt, sollte er doch wissen, wovon er redet, oder? Vielleicht solltest du ihn mal gezielt darauf ansprechen, wenn er das wieder mal vorschlägt.

[saxomanix]

kommt glaub ich auf den Fachbereich an, warum sollte dir dein Prof was vorschlagen, was nicht erlaubt ist? Ich hab 3 (hoffentlich bald 5) Publikationen mit bisherigen Ergebnissen und klar fliesst das alles später auch in die Diss ein aber vielleicht sind natwiss und geisteswiss da unterschiedlich...?

[Meggy]

Denke auch das mag von Fach zu Fach unterschiedlich sein. Bei uns ist es *SEHR* üblich, vorab schon zu publizieren - konkret geht das soweit, dass man nicht ernsthaft an den Dr-Titel/Abschluss denken sollte bevor man nicht ein paar normale (kleinere Konferenzen, Workshops o.ä.) Publikationen und *mindestens* eine "richtig große" (bekanntes Journal, intern. anerkannte Konferenz) Pub vorweisen kann. Und es handelt sich bei uns keineswegs um kumulative Promotionen/Diss'en, wir schreiben am Ende auch noch "unser Buch".
Unsere Situation am LSt konkret: Informatik, sehr angewandte/praktische Forschung. Fast jeder von uns entwickelt "sein eigenes" kleines Progrämmchen o.ä. (oder entwickelt bestehendes weiter usw). Da werden dann zB erste "Previews" des Programms schonmal auf Konfis vorgestellt, oder aber auch theoretische Teilaspekte der Diss. Natürlich nie so das große Ganze, denn das wird ja die Diss. Aber ausgewählte Teilchen eben die sich für eine eigene Pub. schon eignen.

[Natika]

Bei uns (Bereich: Geisteswissenschaften) ist es für eine wissenschaftliche Karriere im Anschluss an die Promotion zwingend notwendig schon während der Promotionsphase zu publizieren (Aufsätze, Rezensionen). Post-Doc-Stellen werden entsprechend ausgeschrieben. Ein halbes Dutzend Publikationen sollten es schon mindestens sein. Es ist sicher sinnvoll (auch zeitökonomisch) in dem Bereich der Diss zu Publizieren. Vorab-Veröffentlichungen sind tatsächlich untersagt, man kann aber in dem Aufsatz (Fußnote Nr. 1) darauf hinweisen, dass man eine Diss. zu dem Thema XY schreibt. Oft gibt es ja Nebenkriegsschauplätze, Paralipomena , die man nicht im Buch haben, aber auch nicht verfallen lassen will. Es ist allerdings auch nicht sinnvoll, nur Aufsätze zu der Diss. zu veröffentlichen. Man sollte mindestens die Hälfte zu anderen Themen schreiben, um zu zeigen, dass man auch noch etwas anderes kann und auch mit Teilen der übrigen Forschungslandschaft vertraut ist. Diese Eindrücke stammen nicht allein von mir, wir hatten im Graduiertenkolleg neulich ein Briefing genau zu dem Thema des Publizierens.

Besten Gruß und viel Erfolg an Alle!
Natika

[Anne123]

@Natika: vielen herzlichen Dank für diese hilfreiche Information. Komisch, dass mein DV immer alles so locker sieht. Letztendlich bringt es mir ja nichts, wenn nur ER es so sieht.
Ich habe zu meinem Theme veröffentlicht, bevor ich wusste, dass es mein Diss.-Thema werden wird. So wie es aussieht, gibt es da aber nicht so viele Parallelen. Das waren ja noch unausgereifte Ideen. Dumm ist nur, dass Vertreter von Fachzeitschriften an mich herangetreten sind mit der Bitte, etwas zu dem Thema bei ihnen zu veröffentlichen (ist halt ein exotisches Thema )
und ich das jetzt nicht machen kann.

Was die Publikationen in weiteren Forschungsgebieten angeht: wie machst Du/macht Ihr das zeitlich? Man ist doch so sehr in seine Diss. und seinen Job eingespannt, dass ich mir das nur schwer vorstellen kann...

Gruß

Anne

[Anne123]

Nachtrag: Nebenschauplätze sind schwierig. Kommt im Grunde alles in meine Arbeit, da das Thema in der Form noch nie behandelt wurde. Im groben Themenbereich hingegen gibt es schon sehr viel, so dass ich nichts Neues beisteuern könnte.

Es gibt ein weiteres Thema, das mich sehr interessiert, aber so gar nichts mit meinem jetzigen zu tun hat. Aber wie gesagt, wann soll ich mich da reinarbeiten?

[Natika]

Liebe Anne123,

ich lehre z. Z. am Institut. Meine laufende Veranstaltung hat mich dazu gezwungen, einiges für meine Teilnehmer zu schreiben. Daraus ließe sich etwas machen und die Veranstaltung steht in keinem direkten Zusammenhang mit meiner Diss. Habt Ihr am Institut mal eine Tagung, eine Konferenz, einen Workshop, an dem Du Dich beteiligen kannst? Daraus gehen oft Aufsätze hervor. Am einfachsten ist es, wenn Du Rezensionen über Neuerscheinungen in der Fachliteratur schreibst, die Du eh lesen musst. Rezensionsorgane (online oder print) sind immer auf der Suche nach Rezensenten. Die verlangten Texte sind meist recht kurz und das Gegenlesen fällt (meiner Erfahrung nach) nicht ganz so streng aus, wie im Falle von Artikeln. Eine Mitdoktorandin hat einen Aufsatz 4mal mit der Bitte um Überarbeitung zurückbekommen. Das ist mir - Gott sei Dank - noch nicht passiert, aber es kann schon sein, dass die Texte einem 'nachlaufen', weil noch etwas fehlt, gekürzt oder umgeschrieben werden muss. Schau einfach mal, ob Du Dich auf einschlägige CFPs melden kannst. Und wenn Dein DV Dich zum Veröffentlichen motiviert: ist er viell. selbst Herausgeber/Mitherausgeber einer Zeitschrift/einer Reihe/einem Sammelband, in dem Du publizieren könntest? Man kann auch mit anderen Personen gemeinsam etwas schreiben (mit dem DV?). Was das Zeitmanagement angeht: ja, es ist zeitraubend. Aber es macht auch Spaß und man hat in unserem Fachbereich eben keine Chance auf eine Stelle nach der Promotion, wenn man nicht publiziert. Aber ich wäge schon ab, was ich tue und was ich besser lasse. Es darf die Diss. nicht in den Hintergrund drängen.

Uuups.....ich hoffe, ich habe Dich nicht zu sehr zugeschwallt. Alles Gute!
Natika

[darla]

Hey.
Ich promoviere kumulativ, d.h. es ist vorgesehen, dass ich meine Ergebnisse als Paper veröffentliche und dann in der eigentlichen Thesis "nur" eine Einleitung und eine Diskussion schreibe um die Veröffentlichungen, die "eingeheftet" werden, zu einem Ganzen zusammenzufügen. Ich dachte das wäre schneller und einfacher, dem ist aber nicht so... Aber das ist je nach Promotionsordnung wirklich verschieden. Bei uns in Zürich sind verschiedene Modi möglich, alles eine Sache der Vereinabarung mit dem DV bzw. PhD Thesis Committee.
LG