Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Anfangen mit der Diss: Abgeschlossene Diskussionen (Doktorvatersuche, Expose...)

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barbara
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Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von barbara »

Liebes Forum,

seit einem Jahr steht im Raum, eine Diss berufsbegleitend anzufertigen. Die Idee, zu dissertieren, hatte ich bereits wesentlich früher (nach Studienabschluss), aber verworfen wegen fehlendem Praxisbezug, ich bin und bleibe Praktiker und will keine wissenschaftliche Karriere machen. Mein in wissenschaftlicher Hinsicht etwas blauäugiger Chef hat mir dann eben letztes Jahr diesen Floh im Ohr wieder geweckt. Da eben dieser Chef auch für meine derzeitige 55h-Woche verantwortlich ist, habe ich ihn fast ausgelacht (O-Ton Chef: "kann doch nicht so schwer sein nebenher 200 Seiten zu schreiben" - er könnte es vermutlich tatsächlich, fürchte ich).

Nun hat sich durch die Einstellung eines -in meinem bisherigen Tätigkeitsfeld auch besser qualifizierten- Mitarbeiters eine deutliche Entlastung angedeutet. Ich war Quereinsteigerin und habe sehr sehr viel lernen und nachholen müssen, um die Arbeit überhaupt zu bewältigen. Und ich habe dabei gelernt, zu ackern wie ein Pferd!

Mit der zeitlichen Entlastung rückt eine Diss in meinem eigentlichen Fachgebiet (aber in der gleichen Firma) wieder in Blickweite. Was Lernprozesse und Konzentration angeht, bin ich fitter als zu Studienzeiten - auf jeden Fall.

- in der Firma gibt es eine sehr interessante Fragestellung
- Testfeld, Labor etc... wäre ebenfalls vorhanden
- Finanzierung meiner Existenz wäre durch mein normales Einkommen gewährleistet
- Finanzierung besonderer Mittel (Versuche die nur in Unilabors möglich wären) fehlt
- Überarbeitung ist garantiert (bin ich gewöhnt)


Problematisch ist die Dauer einer Promotion! Die Ergebnisse sollten in die Entwicklung und in die Produktion einfliessen - der Markt ist vermutlich schneller als eine Diss fertig wird.

Unabhängig von meinem Brötchengeber käme mir die Diss gelegen, weil ich auf eine tiefere Betrachtung des Themas neugierig bin und weil sie mir tatsächlich in meinem beruflichen Werdegang nützlich wird, gerade dann, wenn die bisherige Beschäftigung hinfällig wird.

Wer von euch hat Erfahrung mit einer so spät begonnenen Doktorarbeit oder mit einer deutlich in die betrieblichen Bedingungen eingebundenen Arbeit? Wie realistisch ist die Aussicht, sowas zeitnah (2,5-3 Jahre) zu schaffen?

Gruß Barbara
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
Nino

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von Nino »

Hi Barbara,

nun, das ist keine so einfache Frage. Ich selbst habe vor einigen Jahren begonnen, berufsbegleitend zu promovieren. Auch ich würde mich als "Arbeitstier" bezeichnen, der auch meist problemlos am Wochenende und in zwei Schichten am Tag arbeitet...

Jetzt nach einigen Jahren, fast am Ende der Diss (jajaja, schon seit einigen Monaten immer am geplanten Ende... ;-) ) ist mein persönliches Resümee: Diss würde ich wieder anfangen! Berufsbegleitend - (bei meinem persönlichen harten Pensum): NEIN! Oder zumindest anders geplant. Denn anfangs nehmen die einen oder anderen im Beruf darauf vielleicht Rücksicht... das verliert sich aber sehr schnell (meine Erfahrung).

Wenn ich heute wieder anfangen würde, dann würde ich wie folgt planen: 2/3 der Diss-Zeit zu Beginn berufsbegleitend (Literaturrecherche, Auswertung, ggf. Empirie) und dann das letzte 1/3 vollkommen herausnehmen, quasi ein "Sabbat-Jahr".

200 Seiten (bei uns mind. 250 übrigens, eher 300), schreiben sich eben nicht so leicht nebenher. Aber auch das ist wiederum sehr stark vom Dok-Vater abhängig. Die Qualitäten der Dissertationen schwanken doch im selben Fachbereich bereits außerordentlich stark.

Ich selbst habe in den Jahren viel neues gelernt, tolle Erfahrungen gemacht und mich auch persönlich weiter entwickelt. Zudem haben sich völlig neue Berufsperspektiven ergeben, die ich auch zu nutzen gedenke. Aber ich habe dafür über Jahre mit einer erheblichen Einbuße an Lebensqualität bezahlt. Nur so als kleines aktuelles Beispiel: Meine Freundin sitzt gerade vor dem Tatort... und ich an der Diss. Weil es zeitlich nicht anders geht. Lieber würde ich jetzt auch vor dem Fernseher abhängen...

2,5-3 Jahre finde ich nebenher in Wirtschaftswissenschaften unrealistisch. Berufsbegleitend brauchst Du vermutlich mind. das Doppelte der üblichen "Netto-"Arbeitszeit. Aber das ist MEINE Meinung.
Bolero

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von Bolero »

Liebe Barbara,
barbara hat geschrieben:kann doch nicht so schwer sein nebenher 200 Seiten zu schreiben"
Nö, 200 Seiten schreiben ist nicht schwer. Nur 200 Seiten Diss ist schwer. :wink:
barbara hat geschrieben: Und ich habe dabei gelernt, zu ackern wie ein Pferd!
Für eine gute Diss ist das eine notwendige Voraussetzung. :wink:
barbara hat geschrieben: Problematisch ist die Dauer einer Promotion! Die Ergebnisse sollten in die Entwicklung und in die Produktion einfliessen - der Markt ist vermutlich schneller als eine Diss fertig wird.
Dann ist das Thema aber nicht promotionsrelevant. Es soll schließlich keine kleine, aktuelle Ausarbeitung sein, sondern nachhaltig ein Delta zur Wissenschaft hinzufügen. Eine Diss veraltet eigentlich nicht. Das wäre aber meiner Meinung nicht mal eine Master- oder Diplomarbeit.
barbara hat geschrieben: Unabhängig von meinem Brötchengeber käme mir die Diss gelegen, weil ich auf eine tiefere Betrachtung des Themas neugierig bin und weil sie mir tatsächlich in meinem beruflichen Werdegang nützlich wird, gerade dann, wenn die bisherige Beschäftigung hinfällig wird.

Wer von euch hat Erfahrung mit einer so spät begonnenen Doktorarbeit oder mit einer deutlich in die betrieblichen Bedingungen eingebundenen Arbeit? Wie realistisch ist die Aussicht, sowas zeitnah (2,5-3 Jahre) zu schaffen?

Gruß Barbara
Ob es für Deinen beruflichen Werdegang relevant ist, weiß ich nicht. Ich bin gerade hier demotiviert und die Diss habe ich für mich und den Idealisten in mir geschrieben.

Im Prinzip hängt es von den Anforderungen Deines Doktorvaters und des Zweitgutachters ab. Wenn die das Ding gut finden bist Du fertig. Da gibt es solche und solche. Ich kann Dir nur sagen, dass ich keinen Prof. kenne, bei dem ich mir das vorstellen könnte, ausser Du sitzt wirklich in einem Labor mit supertollen Ergebnissen und bist wahnsinnig genial und schnell. Kommt aber auch auf Dein Fachgebiet an. In der Mathematik ist es beispielsweise ziemlich hart was neues zu schaffen in anderen Fächern kann durch Auswertung von Experimenten schon ziemlich tolles Material geschaffen werden.

Wo möchtest Du denn promovieren? Also ich habe in einem Betrieb promoviert und gut war das nicht. Im Endeffekt dient man zwei Herren.
Amalia

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von Amalia »

Nino hat geschrieben:Nur so als kleines aktuelles Beispiel: Meine Freundin sitzt gerade vor dem Tatort... und ich an der Diss. Weil es zeitlich nicht anders geht. Lieber würde ich jetzt auch vor dem Fernseher abhängen...
Lieber Nino,

;-) bei Dir ist Doktorandenforum.de arbeiten an der Diss?
Also bei mir fällt das ganz doll unter Prokrastination… :surfverbot:

Grüße A.
:surfverbot:
barbara
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Wohnort: Von dr Alb raa

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von barbara »

"Eine Diss veraltet eigentlich nicht"

Stimmt nicht. Nur die Qualität an sich veraltet nicht. Z.B. waren Grundlage meiner Diplomarbeit einige Dissertationen, die zum damaligen Zeitpunkt nur 3 Jahre alt waren, mit den Ergebnissen meiner Diplomarbeit waren sie inhaltlich veraltet. Forschung geht vorwärts. Meine und diie drei Diplomarbeiten meiner Arbeitsgruppe haben dann wiederum zu zwei Dissertationen geführt, die dann teilweise meine Ergebnisse über den Haufen geworfen haben.

Ach so: es geht bei mir nicht um Wirtschaftswissenschaften, sondern um Natur - bzw Ingenieurwissenschaften.

Dissertationen im Bauingenieurwesen habe die Eigenschaft, technischen und damit auch wirtschaftlichen Zwecken zu dienen. Mein Thema wäre dagegen sogar direkt Grundlagenforschung!

Ob das Thema wirtschaftlich verwendet werden kann oder nicht - davon hängt doch nicht die Einstufung einer Arbeit als Diplomarbeit oder Dissertation ab! Wirtschaftlicher Erfolg verhindert ja auch keinen Nobelpreis.

Ob das Thema eine Diss wert ist, wird eh eine Kommision und nicht ein Forum entscheiden. Aber ihr könnt mir helfen, herauszu finden, was ich leisten kann und was eher utopisch ist. Danke!
18. apr 2011;31. Dec 2013;f;hoffentlich klüger!
GrafLukas

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von GrafLukas »

Bolero hat geschrieben: Dann ist das Thema aber nicht promotionsrelevant. Es soll schließlich keine kleine, aktuelle Ausarbeitung sein, sondern nachhaltig ein Delta zur Wissenschaft hinzufügen. Eine Diss veraltet eigentlich nicht. Das wäre aber meiner Meinung nicht mal eine Master- oder Diplomarbeit.
Dem muss ich widersprechen. Selbstverständlich veraltet eine Dissertation, irgendwann ist sie nur noch historisch von Interesse. Das ist einfach nicht zwingend absehbar, in dem Moment wo ich daran forsche. Wenn Methode A oder Meinung A gerade aktuell ist und ich behandle ein Teilproblem oder entwickle da etwas weiter und dann kommt die Erkenntnis, dass Methode A schon immer falsch war oder durch eine Gesetzesänderung oder ein Grundsatzurteil ist Meinung A plötzlich nahezu obsolet, dann wird meine Arbeit keiner mehr lesen.

Wir Juristen haben bei aktuellen Themen immer die Angst, die höchsten Gerichte oder der Gesetzgeber schießt uns die Arbeit kaputt.

Klar, wenn das Thema schon in dem Moment, wo ich anfange, keinen interessiert, dann ist es was anderes.
Bolero

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von Bolero »

GrafLukas hat geschrieben:
Bolero hat geschrieben: Dann ist das Thema aber nicht promotionsrelevant. Es soll schließlich keine kleine, aktuelle Ausarbeitung sein, sondern nachhaltig ein Delta zur Wissenschaft hinzufügen. Eine Diss veraltet eigentlich nicht. Das wäre aber meiner Meinung nicht mal eine Master- oder Diplomarbeit.
Dem muss ich widersprechen. Selbstverständlich veraltet eine Dissertation, irgendwann ist sie nur noch historisch von Interesse. Das ist einfach nicht zwingend absehbar, in dem Moment wo ich daran forsche. Wenn Methode A oder Meinung A gerade aktuell ist und ich behandle ein Teilproblem oder entwickle da etwas weiter und dann kommt die Erkenntnis, dass Methode A schon immer falsch war oder durch eine Gesetzesänderung oder ein Grundsatzurteil ist Meinung A plötzlich nahezu obsolet, dann wird meine Arbeit keiner mehr lesen.

Wir Juristen haben bei aktuellen Themen immer die Angst, die höchsten Gerichte oder der Gesetzgeber schießt uns die Arbeit kaputt.

Klar, wenn das Thema schon in dem Moment, wo ich anfange, keinen interessiert, dann ist es was anderes.
Naturgesetze ändern sich aber nicht so schnell :wink:
Da bleibt der Gesetzgeber relativ konstant :wink:
GrafLukas

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von GrafLukas »

Auch in Physik können Erkenntnisse von morgen über bis dato unbekannte Naturgesetze oder neu entdeckte Methoden heutige Forschung obsolet machen. Oder welchen Wert hat heute noch eine medizinische Dissertation aus dem Mittelalter zum Gleichgewicht der Säfte, die erklärt, warum man Scheiße auf Wunden schmieren soll? Dasselbe kann dir heute genauso passieren.
claudine

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von claudine »

nebenberuflich eine promotion in 2.5-3 jahren durchziehen geht nur wenn man entweder eine intelligenzbestie ist oder es gemauschel mit dem doktorvater gibt. die meisten fulltime promotionsstudenten sitzen mind. 3 jahre dran (die leute, die von ihrem prof nocht mit nebentaetigkeiten zugepackt werden so um die 5 jahre), ..... die gammeln ja nicht den ganzen tag in ihrem schoenen buero rum, sondern arbeiten auch ;-)

ausserdem musst du dich darauf einstellen, das gerade in den naturwissenschaftlichen/technischen fachrichtungen (deine beschreibung mit laborversuchen deutet in die richtung) es nie so einfach ist, wie man sich das vorstellt mit experiment designen, experiment laufen lassen, auswerten und fertig. da geht IMMER was schief, oft sitzt man lang, laenger am laengsten dran die baselines anderer paper selbst hinzukriegen. oder man braucht was fuer seinen versuchsaufbau, worauf man ein halbes jahr warten darf.

grundsaetzlich ist eine promotion was schoenes, aber stell dich lieber auf ca. 5 jahre promotionstaetigkeit ein.
Bolero

Re: Externe Diss beginnen? Berufsbegleitend, mit 38 jahren

Beitrag von Bolero »

GrafLukas hat geschrieben:Auch in Physik können Erkenntnisse von morgen über bis dato unbekannte Naturgesetze oder neu entdeckte Methoden heutige Forschung obsolet machen.
Jein.
Beispielsweise das bohrsche Atommodell. Das ist falsch, aber welches hast Du in der Schule gelernt? Bohr wusste das auch bei seiner Veröffentlichung. Aber es ist die Grundlage für weitere Atommodelle, sie hat ein Delta zur Wissenschaft hinzugefügt. Obsolet macht sie die Forschung nicht, vielleicht erklärt sie leichter oder anders. Ausser Du hast das Pech, dass jemand anderes genau das gleiche sehr kurz vor Dir entdeckt.
GrafLukas hat geschrieben:Oder welchen Wert hat heute noch eine medizinische Dissertation aus dem Mittelalter zum Gleichgewicht der Säfte, die erklärt, warum man Scheiße auf Wunden schmieren soll? Dasselbe kann dir heute genauso passieren.
Wenn Du auf Galen anspielst hat er was großartiges geschafft, er hat zwei gegenseitige Ansätze integriert. Und vor dem Gleichgewicht der Säfte war einfach alles von den Göttern/Schicksal etc. abhängig. Jetzt hat man hier schon einen gewaltigen gedanklichen Schritt vollzogen in Richtung Medizin. Die Geschichte mit dem Kot (die ich nicht kenne) war vielleicht falsch bzw. voreilig, die Viersäftelehre ist aber Vorbedingung für die heutige Medizin. Sie hat ein Delta zur Wissenschaft hinzugefügt. Vielleicht lachen Sie uns in 500 Jahren aus, weil wir Aspirin genommen haben?

Also, lass es mich umgekehrt formulieren:
Wenn Du in einer Naturwissenschaft eine Doktorarbeit erstellst, von der Du Angst hast, dass diese vor Fertigstellung überholt ist, dann hast Du aber einiges verkehrt gemacht. Die Essenz einer Doktorarbeit ist, dass sie ein Delta zur Wissenschaft hinzufügt. Klar, gibt es noch Randbedingungen, z.B. dass sich Dein Forschungsgegenstand beispielsweise nicht durchsetzt etc., jemand mit einem ähnlichen Ansatz schneller ist, aber wenn Dir a priori klar ist, dass sich die Diss in 3 Jahren überholt hat, öha ...
Viele Industriebetriebe gliedern Forschung aus und lassen das von billigeren Doktoranden machen. Aber genau da hörst Du solche Sätze. Dann frage ich mich, welchen signifikanten Beitrag diesse Dissertation zur aktuellen Forschung hat?

Ach so, ich habe auch in meiner Diss ein Kapitel, welches in zwei Jahren, aufgrund der verwendeten Technik/Umsetzung, veraltet ist. Jedoch nicht die Vorgehensweise wie ich dazu gekommen bin.
Zu einer Doktorarbeit gehören drei Bestandteile: Idee, Wort und Tat. Die Idee sollte neu und promotionsrelevant sein, das Wort sollte detailliert sein und die Tat, da machst Du halt das Beste draus was Dir zur Verfügung steht, was jedoch veralten kann.
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