Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Einreichung, Korrektur, Rigorosum, Disputation, Drucken, Titelführung, Steuern
außerdem auch alles was nach Abschluss der Diss kommt.
Bleistift

Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Bleistift »

Hallo zusammen!

Als ich die Tage wieder mal Jobangebote durchforstete, stellte ich mir die Frage: Wie läuft das eigentlich nach der - mal angenommen bestandenen - Promotion? Die Frage bezieht sich auf Jobs in der freien Wirtschaft.

Gibt es spezielle Karrierebörsen für Promovierte? Bewirbt man sich trotzdem auf "normale" Stellen und feilscht dann ums Gehalt? Gibt es bestimmte Signalwörter in Stellenanzeigen, die auf den Wunsch nach Promotion hinweisen (außer jetzt wortwörtlich "Promotion erwünscht"). Hat man generell schlechtere Chancen als zuvor (also "nur" mit Master/Diplom)? Oder ist es einfach so, dass man in bestimmten Branchen/Jobs mit Promotion als Nice-to-have bessere Chancen hat, in anderen wiederum schlechtere? (Z.B. in der Beraterbranche wirkt ein Dr.-Titel sicherlich vertrauenserweckend auf den Mandanten...)

Danke für Antworten.

Gruß, Bleistift
nine

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von nine »

Hallo auch von mir,

möchte mich der Frage gerne anschließen, denn bei mir steht nun auch die Bewerbungsphase an. Es ist wirklich nicht leicht, überhaupt geeignete Stellenangebote zu finden. Ich würde mich daher auch über Tipps freuen!
Zusätzlich habe ich noch die Frage, wie man die Promotionszeit (Lehrstuhlstelle) im Bewerbungsanschreiben bestmöglich "verkaufen" kann, sodass diese auch als Berufserfahrung anerkannt wird? Ich schätze, es ist wirklich ein Problem, dass der Job als wiss. Mitarbeiter einfach oftmals nicht entsprechend wertgeschätzt wird und Doktoranden als weltfremde "Theoretiker" abgestempelt werden. Dabei handelt es sich bei Lehrstuhlstellen doch im Grundsatz um ganz "normale" Jobs mit viel Projektarbeit, Orga, Administration etc. Die Präsentationskompetenzen, die man erwirbt, wenn man wöchentlich vor mehreren hundert Studenten im Hörsaal steht, sind meiner Meinung nach auch nicht ohne. Insofern würde ich auch Stellenangebote ins Auge fassen, in denen so 3 oder 4 Jahre Berufserfahrung erwünscht sind. Meint Ihr, das ist realistisch? Oder doch eher Einsteigerjobs?

Freue mich über Eure Anregungen und Erfahrungen!
Kaki

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Kaki »

Hallo Ihr,

da ich meine Doktorarbeit nebenberuflich geschrieben habe, kann ich nur auf ein paar Beobachtungen zurückgreifen.

Ich habe mal (als BWLer) in der chemischen/ pharmazeutischen Industrie gearbeitet. Dort war es so, dass man bei Einstellung mit Doktortitel automatisch in eine höhere Gehaltsklasse gekommen ist als jemand ohne Promotion. Auch unternehmensintern war es so, dass man mit Doktortitel einfach viel ernster genommen wurde - natürlich war dort aber ein Dr. in Chemie viel mehr wert als ein Dr. in WiWi :wink:

In meinem jetzigen Unternehmen (Medienbranche) ist der Titel dagegen nicht so wichtig. Was hier glaube ich anerkannt wird, ist die Leistung, eine solche Arbeit neben dem Beruf vollendet zu haben; meine Chancen wird das aber nicht deutlich erhöhen, glaube ich. Was mehr zählt, ist die Leistung im Job. Wenn ich mich aber irgendwann auf einen anderen Job in einem anderen Unternehmen bewerbe, so kann der Titel sicher helfen - wobei es sicherlich auch Stellen gibt, wo man mit Dr. gleich als überqualifiziert abgestempelt wird.

Mit der Berufserfahrung durch die Doktorandenstelle würde ich sehr genau darauf achten, ob Berufserfahrung im allgemeinen oder speziell in dem Bereich gefordert wird. Allgemeine Berufserfahrung kann man durch eine solche Stelle sicherlich für sich beanspruchen, aber bei Berufserfahrung im Job wäre ich eher vorsichtig.

So, ich hoffe, dass hilft ein bisschen.

Liebe Grüße
Kaki
Mathilda

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Mathilda »

Hallo,

noch bin ich zwar nicht durch mit der Diss (seufz), aber ich bewerbe mich derzeit für die Zeit "danach", mit dem Hinweis, dass das Verfahren allerdings noch läuft (also nicht mit Dr-Titel, aber "fast-fertig"-Angabe).

Erfahrung Nr. 1: Es gibt wenige Stellen, wo der Dr. als Qualifikationswunsch explizit drinsteht, was mich jetzt nicht wirklich wundert :wink: - ist aber sicher fachabhängig und innerhalb der Fächer auch abhängig von der jeweiligen Spezialisierung. Ich bewerbe mich daher (auch) auf Stellen, wo ein Hochschul-Diplom gefordert wird, zumal ich auch davon ausgehe, dass ich erstmal auf einer Einsteiger-Stelle beginnen werde. Ich denke - und so wurde es mir auch mehrfach gesagt - dass dann die Entwicklungsmöglichkeiten schneller kommen, man aber durchaus auch auf ganz normalen Absolventenstellen einsteigen kann.

Erfahrung Nr. 2: Die Zeit am LS wird sehr unterschiedlich eingeschätzt, kommt extrem auf den Job und das Gegenüber an. Am Montag hatte ich z.B. ein Gespräch, wo mir mehr oder weniger "vorgeworfen" wurde, ich wäre ja Theoretikerin und hätte ein paar Jahre in einem Biotop gelebt :lol:
Bei uns am LS wird sehr pragmatisch und projektorientiert gearbeitet, ich habe also einiges an Beratungs- und Forschungserfahrung mit der "Praxis" ( :roll: ) und kann das damit schnell entkräften. Das wäre auch mein Tipp: In meinem CV stehen unter der Angabe zur Lehrstuhlzeit noch einige Tätigkeiten in dieser Zeit, darunter eben auch mehrere "handfeste" Projekte. Das hilft, dieses Elfenbeinturm-Image (von dem ich echt dachte, es wäre mal so langsam aus den Köpfen verschwunden), zu entkräften.

Viel Erfolg
Mathilda
Frodo

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Frodo »

Hallo ihr beiden!

Ich habe mich damals unter anderem für eine externe Promotion entschieden, weil ich eben schon während der Diss "fachliche" Berufserfahrung sammeln wollte. Bitte nicht falsch verstehen, ist keineswegs abwertend gegenüber der Berufserfahrung eines Assistierenden gemeint. Wie nine richtig gesagt hat, als Assistierender lernt man in Projekten mitzuarbeiten, vor einem breiten Publikum zu präsentieren, sich zu organisieren und vor allem selbständig zu arbeiten. Jedoch hat dies in meinen Augen in der Regel nichts mit der Berufserfahrung zu tun, die in Stellenangeboten vorausgesetzt wird, da es dort eben um fachliche Aspekte geht. Versteht man, was ich meine? :roll:
Bleistift hat geschrieben:Gibt es spezielle Karrierebörsen für Promovierte? Bewirbt man sich trotzdem auf "normale" Stellen und feilscht dann ums Gehalt? Gibt es bestimmte Signalwörter in Stellenanzeigen, die auf den Wunsch nach Promotion hinweisen (außer jetzt wortwörtlich "Promotion erwünscht").
Ob es Karrierebörsen für Promovierte gibt, weiss ich nicht. Allerdings habe ich schon mehrmals auf "normalen" Börsen gelesen, dass in Inseraten nach "Master / ev. Dissertation", "Unibaschluss, vorzugsweise mit Dissertation" oder explizit nach "mit Dr." gesucht wurde. Erfahrungsgemäss sind dies dann auch meistens solche Stellen, bei denen grossen Wert auf die bereits oben erwähnten Fähigkeiten (selbständiges Arbeiten, Fähigkeit zu präsentieren) gelegt wird, was Promovierte ja gerade auszeichnet. In diesen Fällen dürfte klar sein, dass man mit einer Diss. Vorteile hat.
Bleistift hat geschrieben:Hat man generell schlechtere Chancen als zuvor (also "nur" mit Master/Diplom)? Oder ist es einfach so, dass man in bestimmten Branchen/Jobs mit Promotion als Nice-to-have bessere Chancen hat, in anderen wiederum schlechtere?
Bei Inseraten, bei denen nichts von Diss. steht, könnte es bei einigen Stellen schon sein, dass man als überqualifiziert abgestempelt wird. In meinen Augen auch irgendwie verständlich, denn wenn für die Stelle die zusätzlichen Fähigkeiten, die ein Promovierter gegenüber einem Nicht-Promovierten, gar nicht gebraucht werden, dann ist es einerseits Talentverschwendung aus Sicht des Doktoranden, andererseits eine Kostenfrage, weil man mit dem Dr. automatisch etwas höhere Gehaltsansprüche haben mag.
Bleistift hat geschrieben:Z.B. in der Beraterbranche wirkt ein Dr.-Titel sicherlich vertrauenserweckend auf den Mandanten...
Dies ist definitiv so und gerade ein prima Gegenbeispiel zum vorigen Abschnitt, bei dem eine Diss kein Nachteil ist, auch wenn im Stelleninserat nichts von "Dr. erwünscht" steht. :lol:

So, ich hoffe, ein bisschen Hilfe beigesteuert zu haben.
Frodo
Eleen

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Eleen »

Hallo,

Grundsätzlich läuft die Suche wohl mit Promotion genauso ab wie ohne. Zumindest habe ich im Bekanntenkreis noch nichts anderes gehört. Es wird eben spezieller und es gibt weniger Stellen. Die wenigsten fordern es ausdrücklich. Aber vielleicht kann man kurz telefonisch nachfragen, wenn man eine Stellenausschreibung interessant findet. Nur weil sie es nicht fordern, heißt es ja nicht, dass es ausgeschlossen ist.

folgende Gedanken fallen mir zur Suche ein, auch für den außeruniversitären Bereich:
- in meinem Bereich werden auch Stellenanzeigen über den Uni-Fachbereich weitergeleitet
- die Deutsche Gesellschaft für Soziologie veröffentlicht Stellen (vielleicht gibt es entsprechende Organistaionen, Vereine...)
- Wissenschaftsladen Bonn, die sammeln veröffentliche Stellenangebote zu verschiedenen Fachrichtungen (wöchentlich od. monatlich). Man kann sich ein Probeexemplar schicken lassen, müsst Ihr mal auf die entsprechende Seite gucken.
- Fachzeitschriften für den jeweiligen Arbeitsbereich
- mögliche Arbeitgeber aufschreiben/sammeln die entsprechende Stellen haben könnten für evtl. Initiativbewerbungen
- Stellenanzeigen aufheben, die interessant sind und erst nach Promotion in Frage kommen
- Querdenken: man wird auch manchmal außerhalb des eigenen Fachbereichs fündig

Wie die Chancen stehen, kann natürlich niemand sagen. Denke, egal wieviel ausgeschrieben ist, ich brauche nur eine - nämlich die passende (von beiden Seiten) Stelle, das hängt wohl von Zeitpunkt und Glück ab. Die Persönlichkeit wiegt oft sicher auch schwerer als der Lebenslauf. Obwohl ich mir beim Thema Gehalt schon vorstellen kann, dass viele lieber Nicht-Promovierte einstellen. Ich bin momentan im öffentlichen Dienst und da zählt der Dr. noch ein bisschen und beim Gehalt wird es sich auch etwas auswirken.
viele Grüße, Eleen
cine

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von cine »

Hallo @alle,

auch ich bin auf der Suche nach einer Stelle für das Leben nach der Diss.
Ich bewerbe mich nicht nur auf Stellen, die explizit für Promovierte ausgeschrieben sind, da habe ich in meinem Suchgebiet bisher nämlich genau zwei gefunden. Der Normalfall ist die Ausschreibung für Dipl.-Ing. oder Master. Auf diese Stellen bewerbe ich mich, solange nicht auch FH oder Bachelor als mögliche Bewerber erwähnt werden, dann halte ich mich für überqualifiziert und zu teuer.

Eigentlich hatte ich ja gehofft, durch ein Promotionsthema mit Industriekooperation quasi schon die Stelle im Anschluss sicher zu haben, das hat sich aber beidseitig erledigt. Meine Erfahrungen am Lehrstuhl sehe ich als technische Leitungserfahrung, immerhin habe ich mehrere Arbeiten betreut. Präsentation und Dokumentation hat man als Doktorand ja auch gelernt.

@Heide: Danke für die Links, da waren für mich ein paar neue dabei.

LG cine
Bleistift

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von Bleistift »

Danke an alle für die Beiträge, das öffnet schon etwas den Horizont :)

Wichtig ist mir halt, dass ich mir durch diese - in meinen Augen - Zusatzqualifikation keine Türen verschließe, die mir eigentlich offen stünden. Was ich mir denken kann ist, dass mittelständische Unternehmen eher abgeschreckt sind davon, denn dort arbeiten auch viele Meister auf Positionen, die anderswo ein Studium erfordern. Aber es baut mich auf, dass ihr auch schreibt, dass es die Regel sei, sich auf Diplom/Master-Niveau-Stellen zu bewerben. Das schränkt die Jobvielfalt nicht gar so ein.

Was mir hoffentlich entgegen kommt, ist meine Teilzeitstelle in der Industrie, mit der ich mir die Promotion finanziere. So sammle ich zumindest im operativen Geschäft Erfahrung. Ob mir das dann wirklich als Berufserfahrung per se anerkannt wird (bzgl. höherer Einstiegspositionen), wird sich wohl erst zeigen, wenns soweit ist...
nine

Re: Wie läuft die Jobsuche mit Doktortitel?

Beitrag von nine »

Möchte ebenfalls Euch allen für die hilfreichen Beiträge danken. Besonders ermutigend finde ich die Aussage von Eleen, dass es vor allem auch auf die Persönlichkeit ankommt. Auch wenn es von Nachteil sein mag, dass man während der Promotionszeit - zumindest als Lehrstuhlassistent - keine Praxiserfahrung sammelt, so kann ich dennoch für mich sagen, dass mich die Zeit persönlich sehr viel weitergebracht hat. Hoffentlich erbarmt sich ein netter Personaler, das auch entsprechend anzuerkennen ;-)
Um ehrlich zu sein, nehme ich im Moment jedoch noch Abstand davon, mich auf reine Einsteigerjobs oder Traineeprogramme zu bewerben. Sollte man sich mit Promotion und ein paar Jahren mehr Lebenserfahrung wirklich auf die gleiche Stufe mit frischgebackenen Absolventen stellen und sich sozusagen unter Wert verkaufen? Das ist jetzt keinesfalls überheblich gemeint, so bin ich ganz und gar nicht. Aber ich finde eben schon, dass man mit der Promotion besondere Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, vor allem auch in Bezug auf die "persönliche Reife", welche man bei einem Arbeitgeber gewinnbringend einsetzen kann und mit welchen man sich auch von Absolventen abheben kann.
Bisher bin ich immer wieder an Stellenangeboten für Vorstandsreferenten hängengeblieben (bin BWLerin). Dort wird die Promotion oftmals als "von Vorteil" oder "erwünscht" erwähnt und es werden neben Fachkenntnissen auch Eigenschaften wie "hohe Präsentationskompetenz", "Belastbarkeit", "Leistungsbereitschaft", "analytisches Denkvermögen" etc. gefordert. Das trifft auf Doktoranden ja ganz gut zu, denke ich. Hat von Euch jemand Erfahrung mit Stellen als Referent/in des Vorstands bei großen Unternehmen? Einen möglichen Nachteil sehe ich nämlich darin, dass man sehr eng mit eben dieser einen Person (Vorstand) zusammenarbeiten muss und dass sich da wieder so ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis à la Professor und Doktorand entwickeln könnte. Denn das ist eigentlich der Hauptgrund, weshalb ich nicht in der Wissenschaft bleiben möchte ;-)

Freu mich schon auf Eure Antworten, vielen Dank!
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