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Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schluss?!

Verfasst: 02.04.2010, 16:00
von bioldoktorandin
Hallo, ich muss mich leider outen, dass ich mich mit diesen Gesetzen noch nicht so sehr beschäftigt habe bisher. Aber spätestens während der Promotion sollte man sich ja mal über die spätere Karriere und solche Regelungen Gedanken machen.
Also, laut dem o.g. Gesetz können Wissenschaftler ja nur 12 Jahre befristet beschäftigt werden bzw. 6 Jahre bis zur Promotion und nochmal 6 Jahre danach als Postdocs (wobei nicht verbrauchte Zeit aus den ersten 6 Jahren dazu kommt). Hoffe ich liege jetzt nicht schon mit dieser Aussage falsch ;-). Mediziner noch 3 Jahre länger, aber das betrifft mich nicht. Meine Frage wäre jetzt: Wer fällt denn überhaupt während der Promotion unter diese Regelung? Klar, die vielen Promovenden, die eine "halbe Stelle" an der Uni haben. Aber auch die große Zahl derer, die sich durch ein Stipendium finanzieren und daher während der Promotion sich gar nicht offiziell in einem Angestelltenverhältnis befinden? Laufen da trotzdem schon die ersten 6 Jahre, sobald man eingeschrieben ist? Oder sobald man das Stipendium bekommt? Also das System, wie es in den vielen Graduiertenschulen der Fall ist. Oder hätten solche Promovenden dann nach der Promotion noch die vollen 12 Jahre?

Zweite Frage: Wenn jemand nach der Promotion einige Jahre im Ausland ist, stoppt dann die Zeit in der Zwischenzeit oder nicht? Also heißt es jemand kann "NACH 12 Jahren" nicht mehr befristet beschäftigt werden oder jemand kann nur "12 Jahre LANG" in Deutschland befristet beschäftigt werden? Hoffe ihr wisst, was ich meine.
Wenn sich jemand mit diesen Fragen auskennen sollte, dann ja wohl hoffentlich hier. Ich würde mich sehr über klärende Antworten freuen.

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 02.04.2010, 21:15
von nK
Hallo Bioldoktorandin,

ich habe zwar keinerlei Erfahrungen mit diesem Gesetz, aber als Jurist traue ich mir zu, dem Gesetzestext (den ich jetzt zum ersten Mal gelesen habe) einige Antworten auf Deine Fragen zu entnehmen. Diese sind allerdings abslout unverbindlich und nur eine Auslegung des Wortlautes ohne Hinzuziehung etwaiger Literatur oder Rechtsprechung. Außerdem habe ich mich nicht mit dem früheren Hochschulrahmengesetz und den Übergangsregelungen beschäftigt. Wer sein Studium bereits vor 2007 begonnen hat, für den können noch Altregelungen gelten.
bioldoktorandin hat geschrieben: Also, laut dem o.g. Gesetz können Wissenschaftler ja nur 12 Jahre befristet beschäftigt werden bzw. 6 Jahre bis zur Promotion und nochmal 6 Jahre danach als Postdocs (wobei nicht verbrauchte Zeit aus den ersten 6 Jahren dazu kommt). Hoffe ich liege jetzt nicht schon mit dieser Aussage falsch ;-).
Das dürfte stimmen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz kommt die nicht verbrauchte Zeit aus dem Zeitraum vor der Promotion hinzu. Allerdings wird gemäß des genannten Halbsatzes auf diese "ersten" 6 Jahre auch die Promotionszeit ohne Beschäftigung angerechnet.
bioldoktorandin hat geschrieben: Wer fällt denn überhaupt während der Promotion unter diese Regelung? Klar, die vielen Promovenden, die eine "halbe Stelle" an der Uni haben. Aber auch die große Zahl derer, die sich durch ein Stipendium finanzieren und daher während der Promotion sich gar nicht offiziell in einem Angestelltenverhältnis befinden? Laufen da trotzdem schon die ersten 6 Jahre, sobald man eingeschrieben ist? Oder sobald man das Stipendium bekommt? Also das System, wie es in den vielen Graduiertenschulen der Fall ist. Oder hätten solche Promovenden dann nach der Promotion noch die vollen 12 Jahre?
Wie eben gesagt werden Promotionszeiten ohne Beschäftigung (also z.B. mit Stipendium) gem. § 2 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz auf die "ersten" 6 Jahre angerechnet. Es stehen dann also nicht mehr die vollen 12 Jahre zur Verfügung, auch wenn man vor Beginn der Promotion gar nicht beschäftigt war. Wer also z.B. vor der Promotion 3 Jahre beschäftigt war und 3 weitere Jahre ohne Beschäftigung ein Stipendium erhielt, darf als Postdoc nur noch 6 Jahre befristet beschäftigt werden.
bioldoktorandin hat geschrieben: Zweite Frage: Wenn jemand nach der Promotion einige Jahre im Ausland ist, stoppt dann die Zeit in der Zwischenzeit oder nicht? Also heißt es jemand kann "NACH 12 Jahren" nicht mehr befristet beschäftigt werden oder jemand kann nur "12 Jahre LANG" in Deutschland befristet beschäftigt werden?
Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 verlängert sich die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages im Einverständnis mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter um Zeiten einer im Ausland durchgeführten wissenschaftlichen, künstlichen oder beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung. Hier stoße ich allerdings mit einer Wortlautauslegung bereits an Grenzen. Denn die Verlängerung der Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages ist etwas anderes als die Verlängerung der generell zulässigen Befristungsdauer. Ich würde vermuten, dass das Gesetz hier (wie leider so oft) schlampig formuliert ist und derartige Aus-, Fort- oder Weiterbildungszeiten im Ausland tatsächlich den Zeitraum von bis zu 12 Jahren verlängern, sprich: Du dürftest 12 Jahre LANG in Deutschland befristet beschäftigt werden, auch wenn das unterbrochen ist (da gibt es ja auch noch andere aufgeführte Gründe wie Elternzeit o.ä.).

Zum Abschluss möchte ich noch auf die Regelung des § 2 Abs. 4 aufmerksam machen. Wenn eine Hochschule es vergessen sollte, im Vertrag auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ausdrücklich Bezug zu nehmen, dann kann die Befristung nicht auf Vorschriften dieses Gesetzes gestützt werden. Das bedeutet, dass das "normale" Teilzeit- und Befristungsgesetz greift und hier dürfen Befristungen nur 2 Jahre lang stattfinden. Wenn Du daher einen auf z.B. 3 Jahre befristeten Arbeitsvertrag bekommst (oder nach einer bereits 2 jährigen Befristung einen neuen beliebig kurz befristeten Vertrag), und es wurde die Bezugnahme auf dieses Gesetz (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) vergessen, dann ist die Befristung unwirksam - nicht aber der Arbeitsvertrag. Ergebnis: Du hättest dann einen UNBEFRISTETEN Arbeitsvertrag in der Tasche. Scheint mir eine böse Falle für Hochschulen zu sein, die man beachten sollte.

Insgesamt gilt: Befristungsfehler gehen immer zu Lasten des Arbeitgebers. Du als Beschäftigte kannst davon nur profitieren. Allerdings solltest Du in der Tat für Deine Planungen davon ausgehen, dass Dein Arbeitgeber keine Fehler machen wird. Dann kannst Du Dir die Zeiten ausrechnen.

Ich hoffe, dass das verständlich war. Wenn nicht, gerne nochmal nachfragen (bin die nächsten Tage allerdings im Osterurlaub).

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 03.04.2010, 08:44
von musicus
Das klingt ja nicht gerade motivierend. :(

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 04.04.2010, 13:13
von bioldoktorandin
Ok, das war verständlich. Bedeutet also für mich, dass ich spätestens mit 36 ins Ausland auswandern muss... toll oder :lol:
Oder anders gesagt: Wer es nicht auf eine Professur schafft, endet irgendwann im akademischen Bereich als Arbeitsloser, weil Postdocs ja immer nur befristet beschäftigt werden. Das sind ja schöne Aussichten. :shock:

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 13.04.2010, 22:41
von Sebastian
Falls jemand die Texte nachlesen möchte: Kinderkriegen soll auch helfen, die Fristen zu verlängern :wink:

@bioldoktorandin:
Ob es denn wirklich erstrebenswert ist, sich ansonsten auch mit 36 noch von Befristung zu Befristung hangeln zu müssen?
Ich bin jetzt 38 - aber dazu hätte ich nur wirklich keine Lust mehr.

Gruß
Sebastian

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 26.01.2012, 19:15
von jed
Es kann hier einmal auf das sehr ausführliche Urteil des BAG v. 1.6.2011 hingewiesen werden: Nicht jede Tätigkeit an der Hochschule ist schon per se eine solche als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Überwiegt die Lehrtätigkeit (im gen. Urteil ca. 2/3 der gesamten Tätigkeit, obwohl im Arbeitsvertrag von nur 45 % die Rede war), so fehlt es an der wissenschaftlichen (Wahrheits-) Forschung mit entsprd. Recherchen. Das Urteil ist sehr lesenswert und schränkt die Position einer Hochschulverwaltung stark ein.

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 27.01.2012, 11:51
von Klaus Unruh
Gilt dieses Urteil über LfbAs nicht nur für Leute im Fremdsprachunterricht?

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 27.01.2012, 14:51
von jed
Das BAG-Urteil ist sehr grundsätzlich und sehr ausführlich: Es beschränkt sich nicht etwa nur auf die Vermittlung von Fremdsprachen, weil der Fall so gestaltet war, sondern trifft viele allgemein-gültige Aussagen, vor allem zum Verhältnis des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu den Landesgesetzen, betont, dass das gen. Gesetz einen eigenständigen Begriff des "wissenschaftlichen Personals" enthält, der nicht durch Landesgesetze verwässert und verändert werden kann. Ein lesenswertes Urteil !

Auch das neueste Urteil des EuGH v. 26.1.2012 zu Zeitarbeitsverträgen ist interessant, da es unbefristete Verträge zum Normalfall erklärt und Zeitverträge als Ausnahmen deklariert, sie zwar - auch in "Kette" - für zulässig hält, hierbei aber eine Missbrauchskontrolle einfordert (gem. EU-Recht). Insoweit ist die Versagung jeglicher Zeitverträge wg. Verbrauchs von Anrechnungszeiten nach 12 Jahren (Wissenschaftsvertragszeitgesetz) eine hochinteressante Konstellation: Wird schon eine Missbrauchskontrolle bei aufeinander folgenden Zeitverträgen, werden benennbare Sachgründe für "Ketten"-Zeitverträge gefordert, dann doch möglicherweise erst recht eine entsprechende Kontrolle bei völliger Versagung von Zeit- und Anschlussverträgen, wie das in verschiedenen Bundesländern in Anlehnung an das Wissenschaftsvertragszeitgesetz (12 Jahre) praktiziert wird. Dabei wäre auch die Berechnung der anzurechnenden Beschäftigungszeiten einer Überprüfung und Kontrolle zu unterziehen, weil sie die Grundlage für die Versagung weiterer Beschäftigung schafft.

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 29.01.2012, 17:56
von Klaus Unruh
Gilt dieses Urteil eigentlich auch für den Bereich der Fachhochschulen?

Gruß,

Klaus

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz -12 Jahre und dann Schlu

Verfasst: 29.01.2012, 20:52
von xa
Habe mir jetzt auch mal das Urteil durchgelesen.

Ausnahmsweise hat das Gericht meinen subjektiven Rechtsempfinden getroffen, obwohl es doch sehr merkwürdig ist, dass Lehrkräfte für besondere Aufgaben mit abgeschlossener Promotion keine wissenschaftliche Dienstleistung erbringt in der Lehre.
Jedenfalls war es vorher doch hahnebüchen anzunehmen, dass solche Hochlehrdeputatsstellen tatäschlich den Raum zur wissenschaftlichen Qualifizierung bieten könnten.
Hoffentlich ist das der Auftakt für eine generelle Novellierung dieses Gesetzes.