Gelesenes besser behalten - Techniken?

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nudelkatze

Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von nudelkatze »

Hallo zusammen,

ich kann gelesene Inhalte schlecht behalten. Und das, obwohl ich schon sehr mit dem Text arbeite, d.h. ich markiere mir Kernaussagen, schreibe Fragen an die Seite, mache mit Stichpunkte etc.
Trotzdem kann ich mir oft nicht mal die Kernaussage des Textes oder des Kapitels merken.

Habt ihr ein paar Tricks oder Literaturtipps, wie ich meine Lesefähigkeit bzw. Merkfähigkeit verbessern kann?

Ich weiß, dass es mir helfen würde mit jemandem über das Gelesene zu sprechen und Inhalte zu diskutieren, aber das ist halt nicht möglich bzw. nur sehr begrenzt :?
Historia

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von Historia »

also ich exzerpiere wie wild. das ist zwar im ersten moment ein riesenaufwand, hilft aber hinten raus ungemein. wenn du schon fragen im kopf hast, musst du dir ja auch nicht alles rausschreiben. deine eigenen gedanken kannst du ja auch gleich dazu schreiben. ich markiere dass dann immer anders.
denn ganz wichtig: gleich alles am pc eingeben und nicht am text rumschmieren. der vorteil: mit strg+f kannst du deine exzerpte durchsuchen lassen. wenn du also denkst "wo stand noch gleich was zu xy" findest du es so viel schneller. außerdem sind dateien viel leichter zu transportieren ;)
bbb

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von bbb »

ein paar Gedanken dazu:

Historia's Tipp: "alles elektronisch" würde ich mich anschließen!

Das beantwortet nicht Deine Frage, denn Du willst wissen, wie Du es Dir besser merken kannst und wir sagen nur: "sorgfältig speichern und wissen, wo es steht bzw. die Volltext-Suche bemühen"...
Andererseits - gerade im Zuge der aktuellen Plagiats-Diskussion, würde ich mich nicht auf mein Gedächtnis verlassen, sondern kann nur unbedingt raten, beim Exzerpieren auch genau zu notieren, was wörtliches Zitat und was Deine Umschreibung oder sogar eigene Gedanken von Dir sind.

Ich habe sehr viele Exzerpte elektronisch in DevonThink vorliegen, habe zum Teil schon gleich ein Stichwort angehängt, für welches Kapitel der Doktorarbeit ich sie verwenden möchte (und Stichworte zum Inhalt) und dann hilft nur noch Suchen oder durcharbeiten.
Den perfekten Arbeitsablauf dafür hatte ich leider nicht gefunden.

Viele Literatur liegt ja bereits als PDF vor.

Es gibt Software, mit der man Notizen in PDF-Dateien speichern kann (Hervorhebung, Anmerkungen, etc. - für MacOS X zum Beispiel das hervorragende und kostenlose Skim.app).

Und es gibt Programme, mit denen man solche Inhalte verwalten kann (Schlagworte vergeben, Volltextsuche, Filtern, etc.), zum Beispiel Wikis wie in Wikipedia, Zettelkasten etc., DevonThink Pro für MacOS X, SciPlore Mindmapping (oder Freeplane), etc.

Ein sehr komplexes Beispiel, wie man so einen Workflow aufbauen kann, ist im organognosi-Blog beschrieben (siehe: viewtopic.php?f=25&t=3023) - leider nur für MacOS X (mit Skim, DevonThink, Mediawiki, LaTeX, Bibdesk), aber allein schon die Ideen, was möglich sein könnte, helfen vielleicht, sich ein eigenes System aufzubauen.

Was Du natürlich auch unbedingt brauchst, ist eine Software zur Literaturverwaltung und eindeutige Bezeichnungen für alle (!) Quellen, die Du zitieren willst von Anfang an - sonst ist Dein System zum Scheitern verurteilt oder es kommt viel Arbeit auf Dich zu, wenn Du später aus Deine wichtigste Quelle von zuGut2007 in KT0815 umbenennen möchtest...

Ich habe alle PDFs oder Papierquellen mit ErstautorJahr benannt, also z. B. Feynman1987c, so dass dies die eindeutige Bezeichnung für das Paper ist.
Wenn man das so durchhält, dann ist das Zitieren relativ einfach.
Software wie JabRef hilft beim Pflegen der Literaturliste und auch beim Erstellen des Literaturverzeichnisses.


zu Deiner Frage:
schwierig - das ist sicherlich Typsache.
Ich kann mir Dinge am besten merken, wenn ich sie irgendwo selbst aufgeschrieben habe.
Da bleibt sehr viel mehr hängen, als wenn ich es nur lese.

Der Einsatz von Farbe und Grafik kann auch helfen, sich Dinge besser zu merken (siehe Mindmapping - Freeplane ist ein super Programm und kostenlos oder Concept Mapping).
Dr. Natalie Struve

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von Dr. Natalie Struve »

nudelkatze hat geschrieben:Und das, obwohl ich schon sehr mit dem Text arbeite, d.h. ich markiere mir Kernaussagen, schreibe Fragen an die Seite, mache mit Stichpunkte etc.
Trotzdem kann ich mir oft nicht mal die Kernaussage des Textes oder des Kapitels merken.
Vielleicht ist genau das das Problem: Du arbeitest zu sehr mit dem Text und zuwenig mit Deiner Neugier. Wesentlich sind erstmal nicht Fragen zum Text, sondern Fragen an den Text und vor allem vor dem Lesen: Warum liest Du ihn eigentlich? Was willst Du daraus ziehen? Was erwartest Du? Wie lassen sich Deine Fragen und die Informationen oder Einsichten, die Du aus und mit dem Text zu gewinnen hoffst, einordnen in Dein bisheriges Verständnis und Deine Arbeit? Sich selbst diese Fragen zu stellen und zu beantworten kostet Zeit und Mühe, aber erst dadurch wird das Lesen wertvoll. Und dann behält man auch besser, was man gelesen hat.

(Kompetente Ratgeber rund ums wissenschaftliche Schreiben weisen übrigens völlig zu Recht darauf hin, daß die meisten Studenten und Doktoranden zuviel und zuwenig zielgerichtet lesen.)

Vom direkten elektronischen Übernehmen in großem Umfang würde ich eher abraten: Das behindert regelmäßige eine eigenständige Auseinandersetzung und erhöht zugleich das Plagiatsrisiko erheblich. Mehr Denken und weniger Abschreiben ist auf Dauer deutlich erfolgreicher.
bbb

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von bbb »

Dr. Natalie Struve hat geschrieben: Vom direkten elektronischen Übernehmen in großem Umfang würde ich eher abraten: Das behindert regelmäßige eine eigenständige Auseinandersetzung und erhöht zugleich das Plagiatsrisiko erheblich. Mehr Denken und weniger Abschreiben ist auf Dauer deutlich erfolgreicher.
Grundsätzlich stimme ich zu:
Gezielteres Lesen würde viel Zeit sparen und viel mehr bringen als einfach ein Paper nach dem anderen durchzusehen, damit man sie "abhaken" kann.

Was das elektronische Ãœbernehmen angeht:
Wenn man sauber zwischen Originaltext, eigener "Zusammenfassung" der Originalinhalte und eigenen Anmerkungen oder weiterführenden Gedanken trennt, sehe ich kein erhöhtes Plagiatsrisiko - im Gegenteil!

Ich sehe eher das Risiko eines (ungewollten) Plagiats, wenn man mit eigenen Worten Texte zusammenfasst (dabei aber eventuell unbewusst nahe am Originaltext bleibt, was man später natürlich nicht mehr weiß!) und dann später aus den Exzerpten Formulierungen übernimmt, ohne sie als wörtliche Übernahme zu kennzeichnen.

Ich finde, zu jeder Information, die man als Zitat verwertet, sollte man die Original-Textstelle greifbar haben. Elektronisch hat dabei den Vorteil, dass es leichter wiederzufinden ist und kein Papierberg.


... und ich denke, dass eine im Volltext durchsuchbare Sammlung von Literatur zu einem Themengebiet von unschätzbarem Wert sein kann, wenn man eine Information sucht, von der man beim Lesen noch nicht wusste, dass man sie später brauchen würde.
BertaFrieda

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von BertaFrieda »

Hallo,

ich halte es für relativ normal, dass man sich nicht alles, alles merken kann, was man irgendwann mal gelesen hat. Meiner Meinung kommt es daher auch vor allem darauf an, die Inhalte wieder zu finden, wenn man sie braucht. Ich benutze dafür Citavi.

Wenn ich mich in ein Thema einlese, dann exzerpiere ich eher breit. Das heißt, ich versuche, ganze Gedankengänge und Argumentationen in einfachen Hauptsätzen (!) und eigenen Worten zusammenzufassen, gebe dem ganzen eine Überschrift und ordne jedes Stückchen mit Citavi einer Kategorie zu. In dieser Arbeitsphase entwickle ich die Kategorien spontan und offen. Ganz wichtig erscheinende Zitate schreibe ich mir ab und an auch heraus, versuche das aber möglichst zu vermeiden. Mir ist es wichtig, das Gelesene wirklich zu durchdringen, deswegen gebe ich mir Mühe, den Sachverhalt genau zu erfassen, versuche aber, Sinnabschnitte zusammenzufassen und bereits zu abstrahieren. Eigene Fragen und Gedanken direkt zu den Textstellen markiere ich durch eckige Klammern und meine Initialen und schreibe sie direkt zu einer Textzusammenfassung hinzu.

Fragen, weiterführende Gedanken, Inhalte, zu denen ich unbedingt noch was lesen will und ähnliches übernehme ich als Ideen und füge sie den Kategorien zu. Erste Strukturierungsideen bilde ich durch Umsortieren und Umbenennen der ersten Kategorien ab.

Wenn ich schon etwas mehr weiß und einen Plan habe, worüber ich jetzt genau schreiben möchte, dann lese ich gezielt, stelle mir Fragen an den Text und exzerpiere möglichst nur noch entlang meiner eigenen Fragestellung. Ich überspringe dann auch schon mal Abschnitte, die mir nicht so relevant erscheinen. Meine Exzerpte sind jetzt etwas detaillierter, manchmal auch etwas textnäher (zum Beispiel, wenn es um einzelne Argumentationsschritte geht). Ich schreibe dann direkt in mein Exzerpt auch schon sowas wie: Müller argumentiert hier mitdemunddem, dabei hebt er, anders als Meier, dasunddas besonders hervor. Weiterhin schreibe ich eigenes (Kritik, Ideen für Gegenüberstellungen, Hinweise auf Kontroversen, ...) direkt in den Schnipsel und markiere das Ganze mit eckigen Klammern und meinen Initialen.
In dieser Arbeitsphase sind die Kategorien, die ich den Exzerptstückchen zuweise, sehr eng an meine Gliederung angelehnt, wobei ich aber jederzeit Änderungen vornehme und die Gliederung noch weiter als im Endtext zergliedere (also etwa wird Kapitel x.y. meines Textes in den Kategorien noch untergliedert in zum Beispiel a) Einleitendes, b) Kontroversen, c) Reaktionen, d) prominente Thesen, usw.).

In meinem Bereich wird sehr viel gelesen und sehr viel auch referiert. Es gibt sehr viele Diskussionen und eine differenzierte Darstellung dessen, was "man" schon über das Thema weiß, ist meist ziemlich arbeitsintensiv. Anders als ich es hier schon oft lesen durfte, halte ich den Teil, in dem man "bloß" referiert, für eine wichtige, eigene Leistung. Ohne die Kategorisierungsfunktion von Citave hätte ich wahrscheinlich schon bei meiner Diplomarbeit den Überblick verloren, denn mein Gedächtnis reicht leider nicht für die Vielzahl interessanter Literatur...

Gruß
BertaFrieda.
:\MRKN/:

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von :\MRKN/: »

Hallo,

ich halte es schon seit einigen Jahren so, dass ich zu jedem gelesenen Test ein Word-Dokument anfertige, in dem ich mir alles, was ich irgendwie interessant oder wichtig finde, mit Seitenangaben notiere. Dazu lege ich eine Tabelle an, in die ich die Seitenzahl und daneben Stichworte und meine eigenen Gedanken zum Text eintrage. Das liefert mir auch nach längerer Zeit einen ganz guten Überblick darüber, was in dem Text steht und ob ich ihn gerade gebrauchen kann und hat sich immer wieder bewehrt.
Garion

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von Garion »

Dr. Natalie Struve hat geschrieben: Vielleicht ist genau das das Problem: Du arbeitest zu sehr mit dem Text und zuwenig mit Deiner Neugier. Wesentlich sind erstmal nicht Fragen zum Text, sondern Fragen an den Text und vor allem vor dem Lesen: Warum liest Du ihn eigentlich? Was willst Du daraus ziehen? Was erwartest Du? Wie lassen sich Deine Fragen und die Informationen oder Einsichten, die Du aus und mit dem Text zu gewinnen hoffst, einordnen in Dein bisheriges Verständnis und Deine Arbeit? Sich selbst diese Fragen zu stellen und zu beantworten kostet Zeit und Mühe, aber erst dadurch wird das Lesen wertvoll. Und dann behält man auch besser, was man gelesen hat.
Diesen Tip finde ich schwer umzusetzen. Man muß sich immer schon sehr gut auskennen und schon eine Feingliederung der Arbeit haben, um zu wissen, was man eigentlich noch braucht für ein bestimmtes Kapitel. Dabei stellt sich das Problem mit dem Einlesen ja nicht nur bei der Themenfindung, sondern bei jedem Kapitel wieder. Wenn ich etwa ein Kapitel zur Bindungstheorie plane und wie sie Paarkonflikte erklären kann, fokussiere ich zwar auf einen bestimmten Aspekt, muß aber doch den Grundgedanken der Theorie als ganzes zur Kenntnis nehmen. Da fällt mir das zielgerichtete Lesen schwer.

Meine Arbeitsweise ist BertaFriedas erstaunlich ähnlich: Ich arbeite auch mit Citavi, exzerpiere viel zu viel und auch zu nah am Text, komme dafür aber auch schnell wieder in den Zusammenhang der Gedanken rein.
Rosa

Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von Rosa »

Die Frage, wie man sich das Gelesene besser merken kann, kann ich Dir leider so nur indirekt beantworten. Ich kann mir schlichtweg auch fast nichts merken, aber deutlich mehr nach Notizen dazu außerhalb des Textes und dann beim Lesen des Exzerptes klappt es.

Ich bin auch Massen-Exzerpiererin, und wenn ich hier die postiven Erfahrungsberichte mit Citavi lese, wünschte ich fast, ich hätte das auch so begonnen. Fühle mich aber mit ausführlichen Exzerpten als Word.doc (aber immer auch als Ausdruck) und handschriftlichen (!) Exzerpten wohl. Ich sortiere das in Themenstapel und -stäpelchen um, weil ich das zum Blättern und Draufkritzeln brauche. Den Nachteil des Irgendwas nicht Wiederfindens muss ich dabei in Kauf nehmen. Die Sachen finden sich wieder an, nur manchmal erst spät... Die Exzerpte sind immer durchmengt mit eigenen Kommentaren und Ideen. Es kostet wahrlich viel Zeit, aber die Phase des Sichtens, wenn man dann einen Abschnitt wirklich schreiben will, verkürzt sich radikal, wobei ich während des Sichtens abermals Exzerpte der Exzerpte anfertige, wieder handschriftlich. Dabei entstehen im Kopf Ideen, Strukturen und alles Material, das später in den Text fließt. Das ausgedruckte/handschriftliche/später mit zusätzlichen Notizen und Anstreichungen versehene Material hat den Charme, dass ich auf Anhieb erkenne, ob es sich um Material und Ideen aus der Frühphase oder Rezentes handelt. So erinnere ich im Angesicht des Palimpsests, mit welchem Wissens- oder Fragestand ich das damals bearbeitet hatte.
Wierus
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Re: Gelesenes besser behalten - Techniken?

Beitrag von Wierus »

@nudelkatze:
Wenn du dir etwas wirklich gut merken willst, musst du mit den Texten arbeiten (Markieren, Anmerkungen/Randvermerke, Umformulieren, Zusammenfassen etc.). Wenn das nicht so recht funktionieren will, dann hilft nur nochdas gute alte Mind-Mapping. Am besten man holt sich DIN A3 Blätter dafür, dann trägt man spinnennetzartig von der Mitte aus alles zu einem bestimmten Thema ein was man so findet. Wenn man dann noch mit Farben und Pfeilen arbeitet, behält man den Stoff sehr gut.
Die besten Ergebnisse erreiche mit einer Kombination aus 1. Schritt "Arbeiten mit dem Text" und 2. Schritt "Mind-Map".

@Rosa:
Haargenau so arbeite ich auch. :lol:
Viel Handschriftliches und auch viele Zettelchen und Zettelhaufen. Aber das gibt einem wenigstens die Sicherheit, nicht völlig vom PC abhängig zu sein. Ach ja: ich habe schon früh zusätzlich mit handschriftlichen "Arbeitsheften" angefangen (inklusive Inhaltsverzeichnis).
Gesperrt