Hallo zusammen,
ich wende mich an euch, weil ich gerade etwas ratlos bin und auf eure Erfahrungen oder Einschätzungen hoffe (lese hier schon lange mit).
Ich habe vor Kurzem eine Professur an einer Fachhochschule angetreten, und zwar in einem Fachgebiet, das an dieser FH neu etabliert werden soll. Ich war voller Tatendrang, dieses Fach mit eigenen Modulen und Lehrveranstaltungen aufzubauen und inhaltlich zu prägen.
Nun stoße ich aber auf erhebliche Hürden: Die Etablierung neuer Module aus meinem Fachbereich gestaltet sich als äußerst schwierig und langwierig, da verschiedene Gremien hier offenbar sehr genau prüfen oder die Prozesse komplex sind. Es geht kaum voran.
Gleichzeitig wird von mir natürlich erwartet, mein volles Lehrdeputat von 18 SWS zu erfüllen. Die pragmatische Lösung, die mir von der Hochschulleitung bzw. dem Dekanat nahegelegt wird, ist, Module von Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen, die aktuell nicht gelesen werden (z.B. wegen Sabbaticals, Deputatsreduktionen etc.). Das sind aber eben nicht meine Fachthemen, sondern teilweise Gebiete, in die ich mich erst einarbeiten müsste und die nicht dem Kern meiner Berufung entsprechen.
Ich fühle mich dadurch zunehmend wie ein "Lückenbüßer", der dafür sorgt, dass der Lehrbetrieb irgendwie weiterläuft, anstatt die Chance zu bekommen, das neue Fachgebiet wie geplant aufzubauen und zu etablieren – was ja eigentlich der Grund für meine Berufung war.
Besonders frustrierend ist dabei, dass ich bereits ein konkretes Modul vollständig ausgearbeitet hatte, quasi 'mitgebracht' habe. Dieses kann ich nun aber im laufenden Semester nicht anbieten, da laut Aussage des Dekanats hierfür irgendwelche Fristen verstrichen seien. Gleichzeitig habe ich aber mein volles Lehrdeputat von 18 SWS zu erfüllen und laufe dadurch, dass ich meine eigene Lehre nicht starten kann, bereits stark ins Minus bei meinen Stunden. Das passt für mich logisch nicht zusammen: Hohe SWS-Last, eine berufungsrelevante Lehre ist vorbereitet, aber bürokratische Hürden verhindern den Start und führen zu einem Defizit.
Daher meine Fragen an euch:
Kennt ihr solche Situationen?
Wo seht ihr hier die Grenzen der "Freiheit der Lehre"? Inwieweit muss ich akzeptieren, fachfremde oder zumindest nicht-Kern-Module zu übernehmen, nur um die SWS zu erfüllen?
Wie kann ich trotz bürokratische Hürden meine Lehre anbieten oder zumindest die Minusstunden verhindern (es ist ja schlicht unmöglich für mich)?
Neue FH-Professur: Kaum eigene Module möglich, stattdessen "Lückenbüßer"? Grenzen der Lehrfreiheit?
Re: Neue FH-Professur: Kaum eigene Module möglich, stattdessen "Lückenbüßer"? Grenzen der Lehrfreiheit
So habe ich es auch zweimal erlebt. Zum Start macht man das, was gebraucht wird und versucht dann, möglichst schnell, zu den eigenen Themen zu kommen. Das klappt in aller Regel gut. Ein Prof hat zu mir während der Startzeit gesagt: „Das ruckelt sich in ein zwei Jahren zurecht.“ Manche Hochschulen bieten eine Deputatsreduktion für das erste Semester an, damit die beschriebene Problematik mit den Minusstunden nicht so gravierend wird. Kopf hoch, die ersten Semester muss man einfach durchhalten. Aus meiner Erfahrung wird es dann schnell viel besser.
-
- Beiträge: 475
- Registriert: 31.12.2018, 12:57
- Status: Prof. Dr.
- Hat sich bedankt: 13 Mal
- Danksagung erhalten: 100 Mal
Re: Neue FH-Professur: Kaum eigene Module möglich, stattdessen "Lückenbüßer"? Grenzen der Lehrfreiheit?
Zunächst mal Glückwunsch zum Ruf! Das darf man ja nicht vergessen, bei all den Belastungen im ersten Semester.heike25 hat geschrieben: 25.04.2025, 18:03
Daher meine Fragen an euch:
Kennt ihr solche Situationen?
Wo seht ihr hier die Grenzen der "Freiheit der Lehre"? Inwieweit muss ich akzeptieren, fachfremde oder zumindest nicht-Kern-Module zu übernehmen, nur um die SWS zu erfüllen?
Wie kann ich trotz bürokratische Hürden meine Lehre anbieten oder zumindest die Minusstunden verhindern (es ist ja schlicht unmöglich für mich)?
Bei mir war es ähnlich, dh mir wurden im Vorfeld Fächer genannt, die zur Disposition stehen. Ich glaube, ein oder zwei Fächer hatte ich frei zur eigenen Spezifikation.
Meine Erfahrung damit: manche Fächer passten gut, bei anderen musste ich mich stark einarbeiten. Aber bei letzteren hat man idR zumindest die Freiheit innerhalb des Moduls, dh ich konnte meine eigenen Schwerpunkte setzen.
Je nachdem ob die Module festgeschrieben sind in der Studienordnung, kannst du diese perspektivisch auch durch was anderes ablösen, falls du modulverantwortlich bist. Und falls du es nicht bist, kannst du die Fächer auch wieder abgeben. Ich bin zb immer noch in diesem Prozess, meine Lehre gut zu verteilen. Zb werden manche Fächer auch wenig nachgefragt von Studierenden, auch das muss man berücksichtigen.
Von außen schwer zu beurteilen, wir eurer Kollegium tickt. Bei uns gibt es große Freiheiten, sich in der Lehre zu verwirklichen. Aber wenn du Rechtssicherheit suchst, wende dich am besten an den hlb.
-
- Vergleichbare Themen
- Antworten
- Zugriffe
- Letzter Beitrag
-
- 4 Antworten
- 11571 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von ProcolHarum
-
- 93 Antworten
- 193763 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von mashdoc
-
- 11 Antworten
- 20257 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von kuar
-
- 7 Antworten
- 10696 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von mashdoc