Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
Neue Fragen bitte hierher.

Antworten
TheChemiSt
Beiträge: 2
Registriert: 14.01.2025, 12:00
Status: Angefangen
Hat sich bedankt: 4 Mal

Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von TheChemiSt »

Hallo ihr Lieben.

Ich hab ein kleines Problem. Ich habe vor kurzem mit meiner Promotion angefangen. Die Kollegen sind alle eigentlich ziemlich nett soweit. Jedoch verspüre ich jedes mal eine Art Imposter-Syndrom, dass ich hier doch gar nicht hingehöre und alle viel schlauer sind. Ich hab noch nicht wirklich angefangen mit meinen Experimenten, jedoch fühle ich mich irgendwie auch nicht bereit. Ich weiß nicht woher der Gedanke kommt. Mir stellt sich öfters dann die Frage, ob Promotion das richtige überhaupt ist oder ob ich nicht doch was anderes hätte machen sollen bzw. direkt mit der Arbeit nach meinem Master (NAturwisschenschaft) anfangen hätte sollen. Ich habe Angst, dass ich die falsche Wahl getroffen habe. Hat jemand eine ähnliche Erfahrung gemacht?
Ich weiß, dass ein Doktor keine einfache Sache ist. Mir macht es Angst im Hinblick auf die Jahre, dass es nur noch schlimmer wird. Natürlich wird man immer wieder Motivationstiefs haben, das wurde mir auch schon gesagt. Aber ist das überhaupt ein "guter" (normaler) Anfang wenn man sich zu Beginn schon Sorgen macht und Angst hat nicht dazu zu gehören?

Ich danke für jeden Tipp, Ratschlag und Erfahrungsberichte!

LG :blume:
Aguti
Beiträge: 13295
Registriert: 16.10.2007, 15:02
Status: Dr. phil.
Wohnort: Süddeutschland
Hat sich bedankt: 30 Mal
Danksagung erhalten: 18 Mal

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von Aguti »

Impostor-Syndrom ist in Academia sehr weiter verbreitet, damit bist du nicht allein!
Am wichtigsten ist es imho, dass du nicht alleine mit deinen Gedanken bleibst. Knüpfe Kontakte und sprich auch inhaltlich über deine Forschung. Austausch und Feedback macht viel aus.
Falls du weiterhin zweifelst, ob die Promotion eigentlich der richtige Weg für dich ist, könnte auch ein Promotionscoaching helfen, dich zu sortieren.
deen_everstin
Beiträge: 34
Registriert: 06.08.2022, 00:45
Status: angefangen
Hat sich bedankt: 21 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von deen_everstin »

Hallo TheChemiSt,

danke für deine Offenheit bei diesem doch recht sensiblen Thema. Wie Aguti ja bereits angesprochen hat, bist du nicht allein mit dieser Sorge. Vor allem zu Beginn kann einen schon mal das Gefühl beschleichen, dass man sich irgendwie an der Sache verhoben hat und die anderen mit viel mehr Leichtigkeit ihre Forschung betreiben. Das mag bei manchen auch ehrlich so sein, anderen wiederum wird es da ganz ähnlich wie dir gehen (mir ging es teilweise auch mal so). Insofern ist dieses gefühlte "Impostor-Syndrom" für sich allein wahrscheinlich kein Gradmesser einer so grundlegenden Entscheidung, die Promotion fortzusetzen oder abzubrechen. Wichtiger sind da eher noch andere Dinge, die du aber eben auch angeschnitten hast.

Du hast erwähnt, dass du dir bereits mehrfach die grundlegende Frage gestellt hast, ob die Promotion überhaupt das Richtige für dich ist. Da kommt bei mir der Gedanke auf, was denn deine Motivation für die Doktorarbeit ist? Und daraus ableitend dann auch, ob diese Motivation groß genug ist, sich den Herausforderungen der nächsten Jahre zu stellen und ebenfalls, ob sich diese Motivation irgendwo auf dem Weg zwischen Masterabschluss und Beginn der Promotion verändert hat und falls ja, inwiefern? Wenn du für dich eine Antwort auf diese Fragen hast, wirst du möglicherweise auch recht schnell für dich beantworten können, ob du die richtige Wahl getroffen hast oder nicht.

Noch ein paar Gedanken meinerseits zur Angst, nicht dazu zu gehören. Bezieht sich das auf dein Institut, auf dein Forschungsfeld, auf den "Status" der Promovierenden, auf die Wissenschaft allgemein? Prinzipiell ist es meiner Erfahrung nach gar nicht immer notwendig und vielleicht auch nicht erstrebenswert, irgendwo dazugehören zu wollen. Gleichwohl kann ich das natürlich absolut nachvollziehen und in der Regel ist das etwas, was im Laufe der Forschung durchs Netzwerken, Teilnahme an Veranstaltungen, Peer-Austausch, Flurgespräche, Kaffeeklatsch, Seminare und so weiter fast automatisch passiert. Solange du dich am Austausch interessiert zeigst und vielleicht auch ab und zu mal die Initiative ergreifst, ergibt sich das mit Sicherheit.

Und der letzte Punkt, ob du schlau genug und auch schon bereit für die Durchführung der Experimente bist, kannst eigentlich auch nur du selbst beantworten. Dein Wissen kannst und solltest du dir über dein Thema ja sowieso im Laufe der nächsten Jahre in ordentlichem Maße stetig weiter kultivieren und anreichern. Aber auch das wird fast schon automatisch passieren, wenn dich die Forschungsarbeit genug interessiert und motiviert. Bei Unsicherheiten in der Methodologie/diagnostischen Entwicklung/Durchführung hast du in der Regel ja deine Erst- oder Zweitbetreuung und wenn das nicht ausreicht, gibt es heutzutage zum Glück durch das Internet sehr viele Anlaufstellen, sich in kurzer Zeit auf den aktuellen Stand zu bringen oder wie Aguti schon meinte, auch Coachings. Ich selbst hatte zum Beispiel weder im Bachelor noch im Master Statistik und auch kaum Seminare zum empirischen Arbeiten mit quantitativen Verfahren. Deshalb hab ich mir da dann Coachings gebucht, die mir in Einzel-Sessions auf meine Bedürfnisse zugeschnitten die Nutzung von SPSS so beigebracht haben, dass ich im Anschluss meine Daten vernünftig erheben und auswerten konnte. Und das war vorher ne riesige Blackbox für mich, aber so konnte ich diese Wissenslücke schließen bzw. abdichten. :D
ALLE Menschen, auch die ganz Begabten, haben irgendwo mal Lücken im Wissen und wenn man nicht komplett in sich selbst verknallt ist, auch mal Selbstzweifel und Sorgen, ob man sich da wie der mythologische Atlas nicht zu viele Himmelsgestirne auf die Schultern geschnallt hat und von der Last erdrückt wird. Und da kommen wir schließlich zum Zirkelschluss: Sobald du weißt, wofür du die Promotion machst und ob deine Motivation groß genug ist, wirst du wissen, wie es weiter geht und ganz gleich, was du machst - du bist gut und du bist genug.
TheChemiSt
Beiträge: 2
Registriert: 14.01.2025, 12:00
Status: Angefangen
Hat sich bedankt: 4 Mal

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von TheChemiSt »

Vielen Lieben Dank euch beiden erstmal für die ausführliche Antwort und die lieben Worte.
Es ist tatsächlich heute mein 4ter Tag an der Promotion und ich hatte an allen Tagen, einschließlich heute ein eher beklemmendes und angsterfülltes Gefühl, was ich auch nicht so wirklich beschreiben kann. Jeden morgen denke ich mir, ich schaffe das, ich bin gut genug, das wird schon gut werden, aber jedesmal wenn ich mich in das Office setze und mir die Sachen anschaue, ist einfach ein riesiges Fragezeichen da und ich würde am Liebsten wieder nach Hause gehen und nichts damit zu tun haben wollen. Es ist tatsächlich auch so schlimm, dass ich in der Mittagspause kaum was essen kann, erst wieder wenn ich zuhause bin und mit Menschen so ein bisschen geredet habe und diese mich etwas beruhigt haben. Ich hoffe es legt sich, aber die Angst, dass es weiterhin so bleibt, ist natürlich da.

Was mich bewegt hat die Promotion anzufangen? - bin ich ziemlich ehrlich, zum Einen wurde uns immer eingetrichtert im Studium, dass eine Promotion unabdingbar ist in unserem Fachgebiet. Natürlich die Jobchancen und das man auch etwas mehr verdient. Irgendwo finde ich das Feld sehr spannend aber gleichzeitig auch sehr abstrakt und nicht greifbar. Und natürlich das eigene Ego spielt eine Rolle. Jedoch was nicht da ist, ist die Passion bzw ich brenne nicht für die Forschung wie manch anderer.

Ich weiß, es ist erst die Anfangszeit und ich sollte dem etwas Zeit geben, werde ich auch machen und das haben mir auch schon Freunde und Familie gesagt. Natürlich sitzt die Angst vor dem Versagen und dem Abbruch auch fest im Nacken - wie wird mein Prof darauf reagieren und die Kollegen bzw meine Family und Friends ?... Außerdem möchte ich mich psychisch auch nicht zu sehr belasten - ich glaube es ist einfach eine Frage der Zeit vielleicht? Ich bin eine recht offene Person und verstehe mich mit eigentlich allen ganz gut und habe schon viele Kontakte geknüpft trotzdem ist dieses Angekommen gefühlt nicht vorhanden. Ich habe das Gefühl ich bin nicht für die Naturwissenschaft gemacht sondern eher etwas GEsselschaftwissenschaftliches bzw soziales - aber das kann natürlich auch wieder die Angst sein, die aus einem redet. Zudem bin ich auch schon 28 und sollte doch eigentlich schon längst arbeiten bzw wissen wohin es geht und nicht nochmal anfangen zu studieren?

LG und Danke nochmal!
Bobo87
Beiträge: 23
Registriert: 29.07.2022, 09:38
Danksagung erhalten: 3 Mal

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von Bobo87 »

TheChemiSt hat geschrieben: 15.01.2025, 10:01 Hallo ihr Lieben.

Ich hab ein kleines Problem. Ich habe vor kurzem mit meiner Promotion angefangen. Die Kollegen sind alle eigentlich ziemlich nett soweit. Jedoch verspüre ich jedes mal eine Art Imposter-Syndrom, dass ich hier doch gar nicht hingehöre und alle viel schlauer sind. Ich hab noch nicht wirklich angefangen mit meinen Experimenten, jedoch fühle ich mich irgendwie auch nicht bereit. Ich weiß nicht woher der Gedanke kommt. Mir stellt sich öfters dann die Frage, ob Promotion das richtige überhaupt ist oder ob ich nicht doch was anderes hätte machen sollen bzw. direkt mit der Arbeit nach meinem Master (NAturwisschenschaft) anfangen hätte sollen. Ich habe Angst, dass ich die falsche Wahl getroffen habe. Hat jemand eine ähnliche Erfahrung gemacht?
Ich weiß, dass ein Doktor keine einfache Sache ist. Mir macht es Angst im Hinblick auf die Jahre, dass es nur noch schlimmer wird. Natürlich wird man immer wieder Motivationstiefs haben, das wurde mir auch schon gesagt. Aber ist das überhaupt ein "guter" (normaler) Anfang wenn man sich zu Beginn schon Sorgen macht und Angst hat nicht dazu zu gehören?

Ich danke für jeden Tipp, Ratschlag und Erfahrungsberichte!

LG :blume:
Die anderen kochen auch nur mit Wasser. Ich glaube, in der Wissenschaft sind viele eigentlich eher unsicher, und überspielen das zumindest anfangs mit einem ausgedrückten Selbstbewusstsein. Und irgendwann fängt man an, sich stark mit seinem Forschungsthema zu identifizieren und daher sehr überzeugt zu wirken. Nicht zuletzt natürlich dieses ganzes universitäre Karrieresystem, welches Ellenbogenmentalität und die Unterstreichung des eigenen Glanzes fördert.

Also Fazit: Ich würde an deiner Stelle ein paar Monate durchhalten und mich mit anderen Promovierenden austauschen, die sehr häufig dieselben Gedanken haben wie du.
Aguti
Beiträge: 13295
Registriert: 16.10.2007, 15:02
Status: Dr. phil.
Wohnort: Süddeutschland
Hat sich bedankt: 30 Mal
Danksagung erhalten: 18 Mal

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von Aguti »

In der ersten Woche kann man tatsächlich noch nicht viel sagen, da sind vermutlich alle erstmal überfordert. Lass das ganze mal ein paar Wochen auf dich wirken. Da kann sich einiges zurechtruckeln.
Wenn du aber mittelfristig merkst, dass das nicht für dich passt, kannst du immer noch genauer überlegen, was Alternativen wären.
Vinya
Beiträge: 4
Registriert: 11.09.2024, 15:40

Re: Promotionsabbruch oder weitermachen? Hilfe

Beitrag von Vinya »

Hallo!

Ich hatte genau die gleichen Gefühle die du schreibst, und zwar meine ganze Promotion über. Inzwischen arbeite ich außerhalb der Uni und muss sagen, mein Gefühl hat mir recht gegeben. Jetzt, von außen betrachtet wird mir erst so richtig bewusst, dass ich wirklich nicht dazugehört habe, dass es nicht meins war und dass die anderen in ihrem Fach tatsächlich viel besser waren. Das wurde mor von meinem Betreuer nach Abschluss der Promotion auch so bestätigt, ich denke immer wieder warum er mir das nicjt früher gesagt hätte, das hätte mir viel erspart.

Also ja es kann sein dass es das Imposter Syndrom ist. Es kann aber auch sein, dass deine Gefühle der Wahrheit entsprechen. Mir haben die ganzen 5 Jahre meine Familie und Freude alle gesagt ja ich soll mich selbst nicht so schlecht machen. Niemand hat mir geglaubt. Aber am Ende hat sich herausgestellt ich hatte recht.

Allerdings kann man das nach ein paar Tagen noch nicht sagen. Ich würde mal abwarten ob es besser wird weil am Anfang ist ja immer alles viel und neu. Aber wenn es nach spätestens 1 Jahr nicjt besser wird, dann ist es auch keine Schande abzubrechen. Ich wünsche mir inzwischen ich hätte das gemacht.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag