Hallo TheChemiSt,
danke für deine Offenheit bei diesem doch recht sensiblen Thema. Wie Aguti ja bereits angesprochen hat, bist du nicht allein mit dieser Sorge. Vor allem zu Beginn kann einen schon mal das Gefühl beschleichen, dass man sich irgendwie an der Sache verhoben hat und die anderen mit viel mehr Leichtigkeit ihre Forschung betreiben. Das mag bei manchen auch ehrlich so sein, anderen wiederum wird es da ganz ähnlich wie dir gehen (mir ging es teilweise auch mal so). Insofern ist dieses gefühlte "Impostor-Syndrom" für sich allein wahrscheinlich kein Gradmesser einer so grundlegenden Entscheidung, die Promotion fortzusetzen oder abzubrechen. Wichtiger sind da eher noch andere Dinge, die du aber eben auch angeschnitten hast.
Du hast erwähnt, dass du dir bereits mehrfach die grundlegende Frage gestellt hast, ob die Promotion überhaupt das Richtige für dich ist. Da kommt bei mir der Gedanke auf, was denn deine Motivation für die Doktorarbeit ist? Und daraus ableitend dann auch, ob diese Motivation groß genug ist, sich den Herausforderungen der nächsten Jahre zu stellen und ebenfalls, ob sich diese Motivation irgendwo auf dem Weg zwischen Masterabschluss und Beginn der Promotion verändert hat und falls ja, inwiefern? Wenn du für dich eine Antwort auf diese Fragen hast, wirst du möglicherweise auch recht schnell für dich beantworten können, ob du die richtige Wahl getroffen hast oder nicht.
Noch ein paar Gedanken meinerseits zur Angst, nicht dazu zu gehören. Bezieht sich das auf dein Institut, auf dein Forschungsfeld, auf den "Status" der Promovierenden, auf die Wissenschaft allgemein? Prinzipiell ist es meiner Erfahrung nach gar nicht immer notwendig und vielleicht auch nicht erstrebenswert, irgendwo dazugehören zu wollen. Gleichwohl kann ich das natürlich absolut nachvollziehen und in der Regel ist das etwas, was im Laufe der Forschung durchs Netzwerken, Teilnahme an Veranstaltungen, Peer-Austausch, Flurgespräche, Kaffeeklatsch, Seminare und so weiter fast automatisch passiert. Solange du dich am Austausch interessiert zeigst und vielleicht auch ab und zu mal die Initiative ergreifst, ergibt sich das mit Sicherheit.
Und der letzte Punkt, ob du schlau genug und auch schon bereit für die Durchführung der Experimente bist, kannst eigentlich auch nur du selbst beantworten. Dein Wissen kannst und solltest du dir über dein Thema ja sowieso im Laufe der nächsten Jahre in ordentlichem Maße stetig weiter kultivieren und anreichern. Aber auch das wird fast schon automatisch passieren, wenn dich die Forschungsarbeit genug interessiert und motiviert. Bei Unsicherheiten in der Methodologie/diagnostischen Entwicklung/Durchführung hast du in der Regel ja deine Erst- oder Zweitbetreuung und wenn das nicht ausreicht, gibt es heutzutage zum Glück durch das Internet sehr viele Anlaufstellen, sich in kurzer Zeit auf den aktuellen Stand zu bringen oder wie Aguti schon meinte, auch Coachings. Ich selbst hatte zum Beispiel weder im Bachelor noch im Master Statistik und auch kaum Seminare zum empirischen Arbeiten mit quantitativen Verfahren. Deshalb hab ich mir da dann Coachings gebucht, die mir in Einzel-Sessions auf meine Bedürfnisse zugeschnitten die Nutzung von SPSS so beigebracht haben, dass ich im Anschluss meine Daten vernünftig erheben und auswerten konnte. Und das war vorher ne riesige Blackbox für mich, aber so konnte ich diese Wissenslücke schließen bzw. abdichten.
ALLE Menschen, auch die ganz Begabten, haben irgendwo mal Lücken im Wissen und wenn man nicht komplett in sich selbst verknallt ist, auch mal Selbstzweifel und Sorgen, ob man sich da wie der mythologische Atlas nicht zu viele Himmelsgestirne auf die Schultern geschnallt hat und von der Last erdrückt wird. Und da kommen wir schließlich zum Zirkelschluss: Sobald du weißt, wofür du die Promotion machst und ob deine Motivation groß genug ist, wirst du wissen, wie es weiter geht und ganz gleich, was du machst - du bist gut und du bist genug.