Wunsch, endlich einzureichen

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Feuermelder
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Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Feuermelder »

Hallo liebes Forum,

nach einigen Jahren als stiller Leser dieses Forums möchte ich nun auch einen Beitrag verfassen, da ich meine Situation derzeit als sehr unbefriedigend empfinde.

Seit 2014 promoviere ich extern. Nach anfänglich guten Fortschritten, immer in enger Rücksprache mit meinem Doktorvater, bin ich zwischenzeitlich etwas vom Ziel abgekommen – ein Vollzeitberuf in der freien Wirtschaft und Kinder sind hier die Hauptgründe.

2020 habe ich nach langer Funkstille meinem Doktorvater eine fertige Version geschickt, mit der er nicht ganz zufrieden war. Die Defizite seien aber behebbar und er sei optimistisch. Ich habe seine Liste an Defiziten in der Folge sorgsam abgearbeitet. Hauptsächlich wollte er zwei neue Kapitel mit Inhalten haben, die ich bislang vernachlässigt hatte. Das erste Kapitel habe ich dann circa 1,5 Jahre später mit ihm besprochen. Er war damit sehr zufrieden.

Das zweite Kapitel – und damit der letzte Baustein meiner Arbeit – habe ich ihm im Frühjahr 2023 geschickt. Seitdem versuche ich vergeblich, einen Termin mit ihm zu bekommen, um es zu besprechen und endlich das lang ersehnte GO von ihm für die offizielle Einreichung zu erhalten. Dazu muss man sagen, dass mein Doktorvater sich mit seinen Rückmeldungen schon immer etwas Zeit gelassen hat. Was auch lange Zeit für mich ok war. Seitdem er aber im Ruhestand ist, ist es nahezu unmöglich, eine Antwort von ihm zu erhalten. Mails bleiben über Monate unbeantwortet. Anfang des Jahres habe ich dann einen kleinen Umweg in der Kommunikation genommen. Daraufhin hat sich mein Doktorvater gemeldet und mich nochmals um etwas Geduld gebeten. Im Ruhestand würde er es langsamer angehen lassen. Darüber hinaus müsse er noch einige Promotionsprojekte abarbeiten, bei denen er vor Jahren seine Zusage gegeben hat. Einige dieser Doktoranden würden ihren Titel dringend benötigen, um ihre wissenschaftliche Karriere fortsetzen zu können. Als Externer würde ich deshalb in der Prioritätenliste nach hinten rutschen.

Meine Frage lautet: Wie lange soll ich noch warten? Mein größter Wunsch ist es, meine Dissertation nach all den Jahren endlich einreichen zu können. Diese Form von Kommunikation – nennen wir es ruhig Ghosting – macht mich fertig. Allerdings hat mein Doktorvater mir bislang immer zugesichert, das Projekt gemeinsam mit mir fertigstellen zu wollen. Nur warum dann dieses Ghosting?

Viele Grüße
Cybarb
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Re: Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Cybarb »

Hallo Feuermelder,

üblicherweise halte ich die Wartezeiten, die Professoren ihren Promovenden gerne zumuten, für Undinger - in diesem Fall sehe ich aber zahlreiche Gründe, von dieser Haltung abzuweichen.

Erstens befindest du dich seit 10 Jahren im Promotionsverfahren. Für ein Kapitel hast du 1,5 Jahre benötigt, für das weitere Kapitel noch einmal ungefähr diese Zeitspanne (falls ich mit meiner Schätzung nicht völlig danebenliege). Wäre ich dein Doktorvater, würde ich daraus schlussfolgern, dass es dir nicht sonderlich eilig ist. Natürlich sind "Lesen" und "Schreiben" unterschiedliche Tätigkeiten, die unterschiedlich lange brauchen, aber rein küchenpsychologisch kann ich schon den Effekt sehen "Wenn mein Doktorand so lange braucht, wieso sollte ich mich dann beeilen?".

Zweitens befindet sich dein Doktorvater im Ruhestand, und so ein Ruhestand fällt nicht vom Himmel. Ich finde, du hättest damit rechnen können/müssen, dass er im Ruhestand kürzer tritt.

Drittens kann ich auch seine Priorisierung verstehen. Doktoranden, die in der Wissenschaft bleiben möchten, sind nun mal stärker auf den Abschluss des Verfahrens angewiesen. Da würde ich meine Zeit im Ruhestand, die ich für Betreuung aufwende, ähnlich verteilen.

Wichtig ist mir: Ich kann durchaus verstehen, dass die Wartezeit an den Nerven zehrt. Aber in dieser Situation bringe ich insgesamt mehr Verständnis für das Verhalten des Doktorvaters auf als für deines. Und sieh es mal so: Inhaltlich schienen seine Rückmeldungen doch anständig und handhabbar gewesen zu sein, oder? Wieso dann nicht noch mehr Geduld aufbringen in der Hoffnung (ich weiß, Hoffnung ist schwierig, weil sie auch zerschlagen werden kann ...), dass auch sein nächstes Feedback gut sein wird?

Abschließend noch: Den Begriff "Ghosting" finde ich in diesem Fall unangemessen.

Gruß
Cyb
Bobo87
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Re: Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Bobo87 »

Feuermelder hat geschrieben: ↑13.05.2024, 14:08

Meine Frage lautet: Wie lange soll ich noch warten? Mein größter Wunsch ist es, meine Dissertation nach all den Jahren endlich einreichen zu können. Diese Form von Kommunikation – nennen wir es ruhig Ghosting – macht mich fertig. Allerdings hat mein Doktorvater mir bislang immer zugesichert, das Projekt gemeinsam mit mir fertigstellen zu wollen. Nur warum dann dieses Ghosting?

Viele Grüße
Das ist natürlich eine blöde Situation für dich. Leider ist mehrmonatige Funkstille bei Emailanfragen absolut nicht ungewöhnlich in Promotionsverfahren. Und nun in der Rente hat der Doktorvater vermutlich wie jeder andere Mensch den Fokus eher auf seiner Freizeit.

Ich würde dem Vorposter zustimmen: Vermutlich sieht der Doktorvater deinen Abschluss als nicht sonderlich dringend an; wenn es insgesamt (auch durch deine Fokussierung auf Arbeit und Familie) schon 10 Jahre dauert und du für neue Kapitel 1,5 Jahre brauchst etc., dann wirkt das natürlich nicht extrem dringend. Von daher würde es sicherlich jetzt nichts bringen, plötzlich irgendwie Druck zu machen. Entweder du bringst auch einen guten Grund vor wie deine Mitpromovierenden - zum Beispiel, dass dein Arbeitgeber jetzt deinen Abschluss fordert - oder du musst dich wohl oder übel hinten anstellen. Ein Kompromiss wäre vl. noch: Schlag ihm irgendein konkretes Datum in nicht ganz naher Zukunft vor, zu dem du fertig sein willst (1 Jahr oder 2?). Vl. hast du Glück und er akzeptiert das - dann kannst du immerhin in der künftigen Kommunikation auf eine Absprache verweisen.

VG Bobo
Feuermelder
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Re: Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Feuermelder »

Hallo ihr beiden,

zunächst einmal vielen Dank für eure Antworten. Zum aktuellen Stand: Es herrscht nach wie vor Funkstille.

Wenn ich meinem Doktorvater (indirekt) den Eindruck vermittelt haben sollte, dass mein Abschluss nicht sonderlich dringlich ist, ist das natürlich schade. Diese Botschaft war definitiv nicht beabsichtigt! Dass ich für einzelne Kapitel 1,5 Jahre gebraucht habe, erklärt sich aus meiner "Mehrfachbelastung" mit Familie und Vollzeitjob. Und aus einem Grundsatz von mir: Obwohl mir meine Promotion sehr, sehr wichtig ist, bin ich zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, Familie, Job, geschweige denn meine Gesundheit zugunsten von mehr Schnelligkeit hintenanzustellen. Forschung darf sich nicht negativ aufs echte Leben auswirken, so sehe ich das. Übrigens reden wir hier nicht von Kapiteln von 20, sondern von 70-90 Seiten. Meine Gesamtarbeit ist schon ein ordentlicher Klotz. :shock:

Da ich schon lange aus dem universitären Betrieb raus bin - und ehrlicherweise nie wirklich drin war -, wirken die dortigen Gepflogenheiten der (Nicht-)Kommunikation auf mich doch sehr verwirrend. Ich bin in der freien Wirtschaft etwas ganz anderes gewöhnt. Selbst viel beschäftigte CEOs melden sich in der Regel auf meine Kontaktversuche und sei es nur mit einem "hab jetzt keine Zeit, bitte in zwei Wochen".

Dass jemand sich über so lange Zeiträume gar nicht äußert, erschließt sich mir einfach nicht.

Viele Grüße
Cybarb
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Re: Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Cybarb »

Hallo, danke für das Update!

Ja, das ist leider typisch Uni, dass Menschen ein (Nicht-)Kommunikationsverhalten pflegen, welches in der Wirtschaft sehr schnell zu einem ordentlichen Schlag auf den Deckel führen würde. Das betrifft übrigens nicht nur akademisches Personal, sondern auch die Verwaltung.
Dass ich für einzelne Kapitel 1,5 Jahre gebraucht habe, erklärt sich aus meiner "Mehrfachbelastung" mit Familie und Vollzeitjob. Und aus einem Grundsatz von mir: Obwohl mir meine Promotion sehr, sehr wichtig ist, bin ich zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, Familie, Job, geschweige denn meine Gesundheit zugunsten von mehr Schnelligkeit hintenanzustellen. Forschung darf sich nicht negativ aufs echte Leben auswirken, so sehe ich das. Übrigens reden wir hier nicht von Kapiteln von 20, sondern von 70-90 Seiten.
Das ist dein gutes Recht, auf diese Weise zu priorisieren. Aber wie gesagt, können Priorisierungen von Person A zu Priorisierungen bei Person B führen, die Person A nicht gefallen, aber letztlich eine Folge von Person As Priorisierungen sind. Es ist halt einfach die Gemengelage aus "Ich lasse es im Ruhestand langsamer angehen, andere Promovenden brauchen meine Zeit und Aufmerksamkeit dringender, und Feuermelder hat sich auch in der Vergangenheit schon Zeit gelassen", die zu diesem Verhalten führt - so zumindest meine Spekulation. Muss man nicht mögen - insbesondere die Schweigsamkeit, die halt ein Uniphänomen ist -, aber für mich ist das plausibel und zumindest in Teilen auch verständlich. (Ich würde allerdings antworten, weil ich das so gewohnt bin und für ein Höflichkeitsgebot erachte.)
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Re: Wunsch, endlich einzureichen

Beitrag von Aguti »

Ich verstehe total, wie doof das für dich ist. Stimme in der Analyse den anderen zu. Dein CEO-Vergleich hinkt ein wenig: Ein CEO steht ja noch im Arbeitsleben und bezieht ein Gehalt, ein emeritierter Prof hat ja offiziell gar keine Pflichten mehr, daher kann er natürlich so priorisieren, wie er mag. Da wirst du nichts machen können. Vielleicht im September mal höflich nachfragen und dir auch einen Zeitraum nennen lassen, bis wann du mit einer Rückmeldung rechnen kannst.
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