Extern promovieren (in der Psychologie)

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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Lenane
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Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Lenane »

Hallihallo,

könntet ihr mir eure Erfahrungen mit einer externen Promotion in der Psychologie oder auch anderen Naturwissenschaften/Geisteswissenschaften teilen? Ist das überhaupt möglich, denn in der Regel führt man ja 1-3 Experimente durch?

Mich würde vor allen interessieren, über welches Thema ihr geschrieben habt und ob es stärker theorieorientiert (wäre mir für meine eigene Promotion persönlich am liebsten) war oder ob ihr trotzdem Experimente mit Versuchspersonen durchführen musstet? Ich hätte auch gerne eine ganz grobe Einschätzung, wie oft man zur Uni fahren müsste, denn notfalls würde ich auch pendeln, doch das kann ich ja nicht über Jahre hinweg tun.
Falls man nur eine Studie mit max. 30 Probanden durchführt und auch die Auswertung nicht an der Uni ablaufen muss, dann wäre es ja vielleicht möglich die meisten "Präsenzstunden" in einem Block zu erledigen? Ich habe noch keine so richtige Vorstellung darüber.

Ich bin fest entschlossen zu promovieren, doch leider bin durch meinen aktuellen Job an einen Ort fernab jeder Uni gebunden (mindestens gut 1h Autofahrt), daher die Fragen.

Ich würde mich über jede Antwort freuen. Vielen Dank!
Sabina
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Sabina »

Ich promoviere in einem Mischbereich zum PhD in Education/Psychology (ich verfasse englischsprachig). Meine Versuchspersonen rekrutiere ich online und die Fragebögen werden auch online veröffentlicht. Damit erübrigt sich bei mir die Frage nach den Versuchspersonenstunden mit persönlichem Kontakt. In die Details mag ich nicht gehen, da ich in einer Nische promoviere, die derart eng ist, dass man mich damit direkt identifizieren kann.

Es hängt davon ab, in welchem Bereich und zu welchem Thema du promovieren möchtest. Psychologie ist ja schon sehr weit gefasst und es gibt viele spannende Gebiete. Was schwebt dir vor? Die APA in USA hat 54 divisions und damit ist das Gebiet "Psychologie" reichlich weit gefasst. Sicherlich wirst du eines finden, das dein Interesse weckt, das dir liegt, vor allem aber auch über eine reichlich lange Promotionsdauer dich die meiste Zeit bei der Stange halten kann, so stark sogar, dass du Tiefpunkte oder Flauten schaffst zu überbrücken und doch ggf. die Versuchspersonenstunden so zu legen, dass es für dich passt.

Individuelle Beispiele von anderen Schreibenden sind damit also eher Erlebnisberichte, spiegeln aber nicht die wirkliche Bandbreite dessen, was geht, wider. (Höhö, warum erinnert mich das gerade an Methoden?)

Edit: 30 Probanden? Hast du dich vertippt? Was machst du, wenn du bei der Auswertung feststellst, dass du eine ziemliche Menge an Daten rauswerfen musst? Welcher Art soll die Arbeit sein? Qualitativ oder quantitativ? Beides? Selbst eine Stichprobenmenge von n=30 ist ziemlich mager und für eine Dissertation in Psychologie schwer zu verargumentieren.
Lenane
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Lenane »

Danke für die Einblicke, Sabina! Ich bin derzeit noch auf Themensuche und interessiere mich (ganz grob gesagt) vor allen für die klinische und die differentielle Psychologie. Themen der pädagogischen Psychologie kämen auch in Frage. Die Durchführung über Online-Fragebögen finde ich daher sehr interessant. Nur zum Verständnis: Darf ich fragen, ob du die Fragebögen selbst entworfen hast und diese praktisch den Angelpunkt deiner Dissertation bilden oder ob es sich um Online-Versionen von bereits etablierte Fragebögen handelt, aus denen du deine Daten gewinnst? Falls du hier nicht zu viel öffentlich schreiben willst, auch gerne als PM.

Zu den VPs: Ich habe ein paar Dissertationen gelesen, wo pro Experiment nur 30-40 Probanden durchgetestet wurden, aber diese Dissertationen kumulierten sich ( :lol: ) aus drei Studien.

Erlebnisberichte fände ich sehr interessant. Dann bekomme ich vielleicht noch mehr Ideen.
Etymon
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Etymon »

Lenane hat geschrieben: ↑05.03.2024, 20:50 Danke für die Einblicke, Sabina! Ich bin derzeit noch auf Themensuche und interessiere mich (ganz grob gesagt) vor allen für die klinische und die differentielle Psychologie. Themen der pädagogischen Psychologie kämen auch in Frage. Die Durchführung über Online-Fragebögen finde ich daher sehr interessant. Nur zum Verständnis: Darf ich fragen, ob du die Fragebögen selbst entworfen hast und diese praktisch den Angelpunkt deiner Dissertation bilden oder ob es sich um Online-Versionen von bereits etablierte Fragebögen handelt, aus denen du deine Daten gewinnst? Falls du hier nicht zu viel öffentlich schreiben willst, auch gerne als PM.

Zu den VPs: Ich habe ein paar Dissertationen gelesen, wo pro Experiment nur 30-40 Probanden durchgetestet wurden, aber diese Dissertationen kumulierten sich ( :lol: ) aus drei Studien.

Erlebnisberichte fände ich sehr interessant. Dann bekomme ich vielleicht noch mehr Ideen.
Ein paar allgemeine Punkte:

Die Psychologie ist eine empirische Wissenschaft und daher enthalten für gewöhnlich alle Dissertationen empirische Anteile. Mir persönlich ist keine kürzlich erschienene (~ letzten 15 Jahre) Dissertation bekannt, die nicht aus mehreren empirischen Studien (mind. 3 i.d.R., die sich wiederum aus mehreren Experimenten zusammensetzen). Die Trennung von Emprie und Theorie ist aber ohnehin eher künstlich. Theorien ohne empirische Überprüfung sind wenig gehaltvoll (welche Theorie "stimmt" denn nun?) und Emprie ohne theoretischen Bezug ist wenn dann nur explorativ spannend (z.B. zur Hypothesengenerierung). In der Psychologie wird inzwischen fast überall kumulativ (oder teil-kumulativ) promoviert. Das heißt, man hat eine übergeordnete Fragestellung (manchmal auch nur sehr lose) und man veröffentlicht schon während der Promotionszeit einzelne Publikationen in internationalen peer-review Journals. Idealerweise mündet das dann in drei Veröffentlichungen die dann mit Hilfe eines Rahmentextes (auch Synopsis, Mantelteil, o.ä.) einen theoretischen Überbau und gemeinsame Diskussion erhalten. Im Hauptteil werden dann die Manuskripte zu den drei bereits veröffentlichten Studien eingefügt.

Die Wahl der Studiendesigns, der Stichprobe (und -größe), die Anzahl der Experimente/ Studien usw. sollte jedoch der Fragestellung folgen und nicht andersherum. Im Zuge der Replikationskrise der Psychologie wurde zudem berechtigte und erhebliche Kritik laut in Bezug auf zu kleine Stichproben und damit verbundener geringen Power. Generell finde ich es etwas eigenartig sich stark von logistisch-organisatorische Fragen leiten zu lassen, wenn auch natürlich die Umsetzbarkeit der Fragestellung beachtet werden muss.

Auch hier wäre es sinnvoll erst mal Kontakt zu potenziellen Betreuer:innen aufzunehmen, um überhaupt die Bereitschaft für die Betreuung abzustecken. Typischerweise übernehmen Doktorand:innen etliche Aufgaben an einem Lehrstuhl, die erstmal nichts oder wenig mit ihrer Forschung zu tun haben (Lehre, Selbstverwaltung, technische Administration, organisatorische Projektarbeit, Betreuung von SHK und Abschlussarbeiten). Du brauchst in dem Fall keine Stelle und daher würden wahrscheinlich viele dieser Aufgaben nicht direkt auf dich zu kommen, aber die Frage was du dem Professor/ der Professorin "nützt" steht dennoch im Raum, schätze ich.

Die Einschätzungen, "wie oft man zur Uni fahren muss" ist m.E. nicht möglich sinnvoll zu treffen. Das hängt von so vielen Dingen ab (Präsenz- vs. Laborerhebung, Beteiligung der Versuchspersonen, technisch gestützte Erhebung, Komplexität der Erhebungen, Organisationsmöglichkeiten, usw.) und v.a. wie intensiv und auf welche Weise du mit deinem Betreuer/ deiner Betreuerin zusammenarbeitest.

Du müsstest dich m.E. vor allem Fragen, was die Motivation ist zu promovieren und das dann auch entsprechend der potenziellen Betreuung schmackhaft machen. Willst du einfach den Titel? Willst du bei deinem jetzigen Arbeitgeber wissenschaftlich(er) Arbeiten und Forschen? Willst du in die Wissenschaft? Je nach Ziel und Motivation ändert sich auch der Anspruch an die Dissertation. Ab und an gibt es Personen (z.B. Renter:innen), die aus Spaß promovieren (z.B. über historische Themen der Psychologie), bei denen all die angesprochenen Aspekte weniger wichtig waren, da diese Anwärter:innen eben auch nicht vorhatten in die Wissenschaft zu gehen usw.
Zuletzt geändert von Etymon am 18.03.2024, 13:35, insgesamt 1-mal geändert.
Lenane
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Lenane »

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, Etymon. Eine ganze Menge deiner Informationen lassen sich von außen nur schwer einholen. Dadurch habe ich ein etwas realistischeres Bild des ganzen Vorhabens. Ich tendiere immer noch dazu zu promovieren, kann jetzt aber besser einschätzen, welche Einbußen ich dadurch wohl in Kauf nehmen werden muss und in der Tat müsste ich Profs erst einmal davon überzeugen können, was ich ihnen eigentlich nutze, wenn ich extern promoviere.

Vielleicht hat ja noch jemand positive Erfahrungen mit externer Promotion gemacht oder kann dazu Infos teilen. Ansonsten bedanke ich mich schon einmal herzlich für die Mühe, die ihr euch gemacht habt!
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Denkerin »

Hallo Lenane, ich promoviere auch extern in einer Geisteswissenschaft. Bei uns ist das gar nicht so unüblich. Ich hatte keine Probleme damit, einen Professor für eine Betreuung zu begeistern. Das ist sicher sehr fachabhängig, ob sich die Betreuung dann fragt "Hab ich davon einen Mehrwert" den m.E. sollte ein Mehrwert ja auch in deiner Forschung selbst liegen. Wenn die gut zum Profil des Professor passt... Ich würde erstmal einige in Frage kommende Professoren anschreiben (Exposé ist da sicher hilfreich und ein Bezug, warum du gut zu seinem Schwerpunkt passt). Man muss ja nicht alles gleich so schwarz sehen.
Etymon
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Re: Extern promovieren (in der Psychologie)

Beitrag von Etymon »

Denkerin hat geschrieben: ↑18.03.2024, 15:38 Hallo Lenane, ich promoviere auch extern in einer Geisteswissenschaft. Bei uns ist das gar nicht so unüblich. Ich hatte keine Probleme damit, einen Professor für eine Betreuung zu begeistern. Das ist sicher sehr fachabhängig, ob sich die Betreuung dann fragt "Hab ich davon einen Mehrwert" den m.E. sollte ein Mehrwert ja auch in deiner Forschung selbst liegen. Wenn die gut zum Profil des Professor passt... Ich würde erstmal einige in Frage kommende Professoren anschreiben (Exposé ist da sicher hilfreich und ein Bezug, warum du gut zu seinem Schwerpunkt passt). Man muss ja nicht alles gleich so schwarz sehen.
Richtig und in empirischen Wissenschaften, wie der Psychologie, ergibt sich der Mehrwert u.a. auch aus der Güte der Daten. Wenn also dort nicht genug Bereitschaft und Einsatz gezeigt wird, dann sinkt die Qualität der Forschung. Es gibt natürlich auch Möglichkeiten ohne "eigene" Daten empirisch zu arbeiten (z.B. Metaanalytische Fragestellungen, Sekundärdaten, Daten aus Large Scale Assessments, Panel-Daten, usw.) oder vermeintlich logistisch einfachere Möglichkeiten (z.B. Online-Erhebungen, qualitative Forschung). Dissertationen ohne empirischen Anteil kommen vereinzelt sicher auch noch vor.

All das soll natürlich nicht dazuführen, dass Lenane die Promotion nicht angeht, versteht mich nicht falsch :) Ich glaube aber, es ist wichtig sich da Gedanken zu machen und das es helfen kann in der Suche einer angemessenen Betreuung.
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