Berufungsverhandlungen FH Professur

Fragen und Antworten rund um die FH-Professur
neuling2018
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von neuling2018 »

deen_everstin hat geschrieben: ↑21.08.2023, 22:37 Woran liegt das deiner Meinung nach? Dem Anspruch der Hochschulen, dass man aus idealistischen Gründen in die Lehre geht und Gehalt dadurch eine untergeordnete Rolle spiele? Oder dass man mit einer Professur eine gesellschaftlich anerkannte Position bekleidet und das schwerer wiegt als eine konkurrenzfähige Bezahlung? Oder sind es strukturelle Probleme wie begrenzte Haushalte, die höhere Eingruppierungen oder andere (auch nicht-monetäre) Boni einfach nicht zulassen? Oder alles ooooder nichts davon? Und was war dein Grund, dich überhaupt für eine Professur zu bewerben?
Danke für deine Rückfrage, die sehr berechtigt ist. Ich habe mir von einer Professur erhofft, Studierende zu unterrichten, zu ermutigen Dinge auszuprobieren und dabei ausreichend Zeit zu haben für Forschung und Austausch mit der Praxis - um einfach am Ball zu bleiben. Das geht meiner Einschätzung nach mit 18 SWS nur schwierig, wenn man nicht >40h arbeiten möchte. Die Gehaltseinbußen sind zwar unschön, aber für mich persönlich wären diese noch verkraftbar. Aber wenn dann das Gesamtpaket aus fehlender Flexibilität und Gehalt nicht passt und auf der Pro-Seite nur ein Beamtentum und Pensionen stehen, ist mir das persönlich zu wenig. Sicherlich kann man argumentieren, dass man die 18 SWS komplett frei gestalten und unterrichten kann was man will (bzgl. "wann man will" - heißt an mind 3 besser 4 Tagen vor Ort, wurde mir in der Verhandlung erklärt), aber dann macht man auch im Endeffekt "nur" noch Lehre und es droht die Gefahr "fett und grummelig" zu werden (wie ein Vorposter geschrieben hat), sofern man nicht persönlich (Mehr)Zeit investiert. Leider sieht man vereinzelt Professoren, die sich auf "Lehre" beschränken, zu Beginn die Unterlagen erstellen und es sich dann gemütlich machen und über 20+ Jahre alte Folien unterrichten - gemütlich für die Profs, den Studierenden bringt das wenig. Das wäre nicht mein Ideal.

In aller Kürze war also die Überlegung: a) Zeitliche Freiheiten zu haben, d.h. konkret weniger Arbeitszeit für Pflichtaufgaben (Lehre, Akad. Selbstverwaltung) zu verwenden und eher Zeit für Dinge wie Forschung und Vernetzung zu haben - mit der Nebenbedingung insgesamt weniger als in der Industrie zu arbeiten, d.h. (deutlich) unter 40h; Zudem eine möglichst freie Gestaltung, wann ich die Lehre anbiete (keine indirekte "Pflicht" 3-4 Tage vor Ort zu sein) und b) inhaltliche Freiheiten zu haben, d.h. konkret die Inhalte vorzugeben wie es einem passt und Forschung zu machen wie es einem passt. Vielleicht ist es auch nur ein "Wunschdenken", dass eine Professur dies ermöglicht...

Woran liegt es, dass die Hochschulen das nicht anbieten können? Ich denke es hat mehrere Gründe, a) die Verwaltung ist langsam und starr - es bestehen kaum Möglichkeiten davon abzuweichen (so interpretiere ich die Erklärung der Hochschulleitung warum es nicht geht), b) man möchte "faule" Professoren, die weniger Pflicht und mehr Freiheit haben, vermeiden (siehe Beispiel oben) und c) es gibt (noch) genügend BewerberInnen, die bereit sind fast alle Nachteile zu akzeptieren (Unverhandelbares Gehalt (ok, nicht für jeden ein "Nachteil", aber für manche), teilweise krasse Pendelzeiten zum Standort, One-Man-Show, hohe Arbeitsbelastung für Lehre).
mashdoc
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von mashdoc »

Wunschdenken ist es nicht, sondern Realität. Sobald du berufen bist, herrscht Freiheit von Forschung und Lehre (im Rahmen der Fakultät und seiner Prozesse). Die Problematik ist, berufen zu werden. Dazu gibt es hier sehr, sehr viele gute Beiträge. Einen one-size-fits-all Grund, warum die Hochschule nicht will, gibt es leider nicht. Der Berufungsprozess ist von vorne bis hinten eine Black Box (siehe auch das Buch dazu).
neuling2018
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von neuling2018 »

mashdoc hat geschrieben: ↑22.08.2023, 21:05 Wunschdenken ist es nicht, sondern Realität. Sobald du berufen bist, herrscht Freiheit von Forschung und Lehre (im Rahmen der Fakultät und seiner Prozesse). Die Problematik ist, berufen zu werden. Dazu gibt es hier sehr, sehr viele gute Beiträge. Einen one-size-fits-all Grund, warum die Hochschule nicht will, gibt es leider nicht. Der Berufungsprozess ist von vorne bis hinten eine Black Box (siehe auch das Buch dazu).
Danke, mein Problem ist nicht die Berufung, wie gesagt war / bin ich bereits in Verhandlung. Mein Problem sind im Wesentlichen die 18 SWS.
johndoe
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von johndoe »

neuling2018 hat geschrieben: ↑22.08.2023, 21:43
mashdoc hat geschrieben: ↑22.08.2023, 21:05 Wunschdenken ist es nicht, sondern Realität. Sobald du berufen bist, herrscht Freiheit von Forschung und Lehre (im Rahmen der Fakultät und seiner Prozesse). Die Problematik ist, berufen zu werden. Dazu gibt es hier sehr, sehr viele gute Beiträge. Einen one-size-fits-all Grund, warum die Hochschule nicht will, gibt es leider nicht. Der Berufungsprozess ist von vorne bis hinten eine Black Box (siehe auch das Buch dazu).
Danke, mein Problem ist nicht die Berufung, wie gesagt war / bin ich bereits in Verhandlung. Mein Problem sind im Wesentlichen die 18 SWS.
Die 18 SWS sind allerdings nicht reine Unterrichtszeit, zumindest nicht zwangsläufig. Bei uns kann man sich bspw Konferenzen und Publikationen anrechnen lassen. Und es gibt natürlich die vorlesungsfreien Zeiten...

Es ist ne Frage der eigenen Prioritäten. Aber wenn zeitliche Flexibilität und va Selbstbestimmung ganz oben steht, dann will ich den Konzernjob sehen, der damit konkurrieren kann.

Ergänzung: es hängt allerdings von der Hochschule und oft sogar von der Fakultät ab, wie gut oder schlecht die Bedingungen sind - zumindest was man so hört. Ich kann mich zb nicht beklagen und kann bei der Stundenplanung aktiv mitgestalten.
neuling2018
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von neuling2018 »

johndoe hat geschrieben: ↑22.08.2023, 22:36 Die 18 SWS sind allerdings nicht reine Unterrichtszeit, zumindest nicht zwangsläufig. Bei uns kann man sich bspw Konferenzen und Publikationen anrechnen lassen. Und es gibt natürlich die vorlesungsfreien Zeiten...

Es ist ne Frage der eigenen Prioritäten. Aber wenn zeitliche Flexibilität und va Selbstbestimmung ganz oben steht, dann will ich den Konzernjob sehen, der damit konkurrieren kann.

Ergänzung: es hängt allerdings von der Hochschule und oft sogar von der Fakultät ab, wie gut oder schlecht die Bedingungen sind - zumindest was man so hört. Ich kann mich zb nicht beklagen und kann bei der Stundenplanung aktiv mitgestalten.
Danke für deinen Post, denn es zeigt mal wieder, wie unterschiedlich die Hochschulen gar Fakultäten sind. Mir wurde gesagt es gibt keine Option der Lehrdeputatsreduktion, außer man kann nennenswerte Forschung und Drittmitteleinwerbung vorweisen. Es wurden aber keine konkreten Werte genannt ( z.B. ab 100.000 EUR gibt es eine Reduktion um x SWS usw.), sodass man wieder beim Dekan / Präsidenten vortanzen muss und der dann überlegt, ob es für die dann erbrachte Leistung eine Reduktion gibt oder nicht. Planbar ist das auf jeden Fall mal nicht.

Interessant auch, dass bei dir Konferenzen und Publikationen zu einer SWS Reduktion führen können :shock: Im gesamten Berufungsverfahren wurde mir klar signalisiert, dass man a) fast keine Zeit für Forschung/Konferenzen/Vernetzung hat und b) Mittel für solche Dinge, wenn man keine eigenen Drittmittel einwirbt, begrenzt zur Verfügung steht. Auch hier helfe wohl eine gute Verbindung zum Dekan.

Die einzige realistische Reduktion der Lehr-SWS wäre durch die Betreuung von Abschlussarbeiten möglich, ich müsste allerdings 20+ Arbeiten im Semester betreuen, um eine nennenswerte Reduktion der Lehre zu sehen.

Fazit für mich ist: Kaum/keine realistische Chance einer Reduktion der SWS.

Und bezüglich Flexibilität bin ich grundsätzlich bei Dir. Eine Professur kann dies ermöglich, in meinem Fall wurde sehr deutlich darauf hingewiesen, dass eine 3-4 tägige Präsenz im Semester sehr gerne gesehen wird. Klar kann man nach der Berufung drauf pfeifen und dann nur versuchen an 2-3 Tagen alles durchzuziehen, aber in diesem Fall kann man sich Zusatzgelder für Ausstattung, Personal, Reisen, Konferenzen sicher gedanklich streichen - man fällt ja durch die "nicht volle Anwesenheit" nicht gerade Positiv auf. Und da fängt für mich - persönlich - das Thema Konzernjob die Professur doch etwas zu überholen, da a) 100% HomeOffice, b) Urlaub ist Urlaub (0% Erreichbarkeit für berufliche Dinge), c) Gehalt, d) Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes (vs. One Man Show als Prof). Ich will hier gar nicht jammern, aber meine Vorstellung war, dass eine Professur eben immer "besser" ist als ein Angestelltenverhältnis und ich bin mir sicher, dies trifft auf sehr sehr viele Angestelltenverhältnisse zu, aber in diesem Fall eben nicht ganz.

Ergänzung: Warum bewerbe ich mich dann und schreibe hier im Forum? Es hat mir bisher sehr viel geholfen hier zu lesen und von anderen zu lernen. Ich möchte Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind einfach meinen Fall darstellen. Vielleicht hilft es ja und "spart" den Aufwand des Berufungsverfahrens oder man erkundigt sich bereits im Vorfeld (also vor Vorsingen, etc.) was auf der Stelle realistisch ist.
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von johndoe »

neuling2018 hat geschrieben: ↑23.08.2023, 12:40
Fazit für mich ist: Kaum/keine realistische Chance einer Reduktion der SWS.
Naja es ist halt wie es ist. Vll ändert sich was in ein paar Jahren, denn wir sollten ja alle forschen, Drittmittel einwerben, Mitarbeiter einstellen, Industrie-Transfer herstellen, Weiterbildung anbieten, Doktoranden betreuen, Start-Ups gründen... Wie das alles auf hohem Niveau bei 18 SWS gehen soll, ist mir schleierhaft.

Aber mich stört die Lehre nicht, im Gegenteil, und das ein oder andere Projekt bekommt man nebenbei schon gestemmt.
neuling2018
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von neuling2018 »

johndoe hat geschrieben: ↑23.08.2023, 22:59
neuling2018 hat geschrieben: ↑23.08.2023, 12:40
Fazit für mich ist: Kaum/keine realistische Chance einer Reduktion der SWS.
Naja es ist halt wie es ist. Vll ändert sich was in ein paar Jahren, denn wir sollten ja alle forschen, Drittmittel einwerben, Mitarbeiter einstellen, Industrie-Transfer herstellen, Weiterbildung anbieten, Doktoranden betreuen, Start-Ups gründen... Wie das alles auf hohem Niveau bei 18 SWS gehen soll, ist mir schleierhaft.

Aber mich stört die Lehre nicht, im Gegenteil, und das ein oder andere Projekt bekommt man nebenbei schon gestemmt.
Leider, ja. Ich meine der HLB versucht seit Jahren seine Kampagne "12+1" umzusetzen (https://www.erfolg-braucht.de/)...so wirkliche Erfolge sehe ich allerdings nicht. Wenn man natürlich wüsste, dass in 2 Jahren alles anders aussieht, könnte man die Stelle ja annehmen. Aber leider fehlt einem die Glaskugel, wie so oft im Leben.
kmc

Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von kmc »

Gibt's hier nun eigentlich irgendwen, der bei einer Erstberufung substanziell etwas individuell heraushandeln konnte?

Wenn ich mir das Gesamtbild so ansehe, muss man sich in aller Regel mit dem Standardprogramm abfinden. Ich erinnere mich vage nur an einen Erfahrungsbericht, dass wohl jemand einen Hiwi bekommen hätte (finde ich jetzt nicht mehr).

Mir wurde jedenfalls gleich vermittelt, dass es an der (großen) Hochschule fix definierte Zulagen gibt, die auch nach ein paar Jahren ansteigen. Es gibt dann auch später die Möglichkeit diverser Zulagen für diverse Verdienste um die Hochschule, aber für den Einstieg gibt es generell nur die Serienausstattung.

Man grübelt ja doch, ob nicht doch noch etwas gegangen wäre. Ich habe sogar zwei parallele Verfahren/Rufe und habe gar nicht erst probiert, das irgendwie in den Verhandlungen zu nutzen, aber vielleicht war das ein Fehler?
Nordisc
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Re: Berufungsverhandlungen FH Professur

Beitrag von Nordisc »

Ich habe verhandelt bis zur Schmerzgrenze und auch innerhalb der sehr begrenzten Möglichkeiten das jeweils Maximum rausgeholt:

- 0,5 wiss. Mitarbeiter gabs für jeden
- monatliche Leistungsprämie im mittleren dreistelligen Bereich, unbegrenzt, dynamisch und ruhegehaltsfähig
- kleinerer fünfstelliger Betrag Berufungsmittel
- Wegfall der standardmäßigen Didaktikworkshops für Neuberufene (ich hatte umfassende Erfahrung in dem Bereich)

Dafür keine Deputatsermäßigung zu Beginn oder ähnliches. Volldampf mit 18 SWS.
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