Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

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kmc
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Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von kmc »

Bei mir wird's wohl langsam ernst, und ich muss mich (wenn nicht noch in den Gremien irgendwas unerwartet passiert) zwischen zwei verschiedenen Professuren entscheiden. Die Entscheidung bleibt natürlich meine, aber vielleicht gibt es hier im Forum dazu Gedanken...

1) Mittelgroße FH. Fachgebiet der Professur ist wirklich perfekt auf mein Profil passend und relativ eng in meinem Spezialgebiet gefasst, ich würde auch gleich einiges auf Masterniveau machen. Die Fakultät ist genau jene, in die mein Fachgebiet natürlicherweise gehört, d.h. die Studis kommen dorthin, um genau das zu lernen. Die Atmosphäre im Berufungsverfahren war streckenweise wirklich unangenehm (mir gegenüber und auch untereinander), ich habe Zweifel wie es dort im Kollegium so täglich abläuft. Standort finde ich okay, aber nicht super.

2) Große FH. Fachgebiet der Professur ist weiter gefasst und wäre dort auch eher ein "Nebenfach" - d.h. es ist eine Fakultät in der verschiedene Disziplinen zu finden sind, meine wäre eben nur eine davon. Ich würde wohl anfangs eher im Bachelor lehren und für manche Studis wird das wohl eher ein lästiges Fach sein, das sie hinter sich bringen wollen. Sozial fand ich es dort super, die Atmosphäre war ernsthaft aber freundlich und respektvoll, die Leute waren mir recht sympathisch. Standort mag ich sehr, leider ist das Wohnen dort deutlich teurer.

Eigentlich neige ich trotz der Wohnkosten stark zu Option 2) - aber ich habe auch die zarte Befürchtung, dass ich dort ein bisschen auf einem Abstellgleis lande, das mir in ein paar Jahren langweilig wird. Stellt sich die Frage wie sehr ich das realistischerweise selbst beeinflussen kann, etwa durch Forschung oder Einfluss auf die Studienpläne. Und vielleicht überschätze ich die soziale Komponente, d.h. im täglichen Leben an der Hochschule hat man mit dem Rest des Kollegiums gar nicht so viel zu tun?

Vielleicht war schon mal jemand in der Situation oder hat schlaue Gedanken dazu. Der FH-Betrieb ist für mich immer noch eine fremde Arbeitswelt, die ganz anders als "die Wirtschaft" aussieht.,,
johndoe
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von johndoe »

Mir ist die soziale Komponente schon wichtig. Ich fände es schlimm, wenn sich das Einzelkämpfertum noch um unsympathische Kollegen ergänzen würde.

Bei uns kann jeder Prof sein Fächerangebot und Inhalte individuell steuern, zumindest jenseits der Pflichtfächer. Ich bin zb sofort zum Modulverantwortlichen ernannt worden für meine Fächer. Da habe ich schon einiges umgestellt. Ob einem langweilig wird, hat man selbst in der Hand.
kmc
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von kmc »

johndoe hat geschrieben: ↑26.05.2023, 15:26Mir ist die soziale Komponente schon wichtig. Ich fände es schlimm, wenn sich das Einzelkämpfertum noch um unsympathische Kollegen ergänzen würde.
Das war auch meine Überlegung. Ich habe in meinem Berufsleben immer wieder mühsame soziale Umfelder akzeptiert, weil es der Karriere (bzw. dem Geld) förderlich war. Ich fühle mich dafür mittlerweile zu alt und das Thema Geld ist bei einer FH-Professur sowieso, na sagen wir mal, nachrangig.
Bei uns kann jeder Prof sein Fächerangebot und Inhalte individuell steuern, zumindest jenseits der Pflichtfächer. Ich bin zb sofort zum Modulverantwortlichen ernannt worden für meine Fächer.
Da ist nur meine leichte Befürchtung, dass ich in meiner Fakultät einfach praktisch eingeschränkt bin - ich kann dort einfach nicht beliebig fortgeschrittene Themen anbieten, weil sich kaum Studis dafür interessieren werden, selbst wenn sie die entsprechenden Wahlfächer machen. Sonst wären sie ja wohl eher im "eigentlichen" Studium, das an der "eigentlichen" Fakultät angeboten wird. Andererseits scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, über Fakultätsgrenzen hinweg zu arbeiten. Da muss ich wohl nochmal genauer nachbohren.
echolot
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von echolot »

Erstmal herzlichen Glückwunsch zu offenbar zwei erfolgreichen Berufungsverfahren! Eine Auswahl zwischen mehreren Stellen bei der Erstberufung zu haben, ist schon sehr respektabel.

Ich würde auf Basis von deinen Infos stark zu Option 2 tendieren. Die Pro-Argumente lauten aus meiner Sicht:
  • Soziales Umfeld / kollegialer Umgang: Eine gute Arbeitsatmosphäre ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn man im Gegensatz zur Wirtschaft sehr viel mehr in Einzelarbeit leistet, profitiert man von der Zusammenarbeit mit den Kolleg(inn)en an der Fakultät sehr. Das macht natürlich keinen Spaß, wenn da ein mieses Klima ist oder man menschlich nicht miteinander auskommt.
  • Standort: Da du vermutlich nicht nur drei Jahre in dem Job bleiben willst, ist die Standortwahl eine recht langfristige Entscheidung. Da würde ich im Zweifel immer den schöneren Ort nehmen.
  • Größe der Hochschule: größere FHs (> 5000 Studierende) haben Vorteile im Hinblick auf Sichtbarkeit, Reputation, Netzwerk, Infrastruktur usw. Kleinere können da im Zweifel nur mit Exzellenz in speziellen Bereichen glänzen. Gerade wenn man auch forschen will, ist das nicht zu unterschätzen.
Die genannten Nachteile hinsichtlich der Relevanz deines Fachgebiets an der Hochschule sind auch gewichtig, keine Frage. Allerdings hat man als FH-Prof. doch einiges an Gestaltungsspielraum, besonders langfristig. Fakultätsübergreifende Zusammenarbeit ist wie du schon selbst sagst ein guter Weg. Zusätzlich würde ich versuchen, mich an der Studiengangsentwicklung zu beteiligen (oder gleich Studiendekan zu werden), dann kannst du auf die Inhalte auch Einfluss nehmen bzw. zukunftsträchtige Themen für dich entwickeln und verankern.

Und ob dir langweilig wird, das hast du selbst in der Hand. Dafür gibt es zu viele Optionen, den Tag zu füllen ;-) Neben Forschung und Verwaltung (Ämter) gibt es auch Möglichkeiten sich im Transfer, Ausgründungen, Wissenschaftskommunikation, Internationalen Hochschulkooperationen usw. zu engagieren.

Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Entscheidung. Im Zweifel würde ich auf mein Bauchgefühl hören.

Danke für das Anstoßen dieser Diskussion, ich hoffe, es beteiligen sich noch ein paar anderen hier im Forum.
kmc
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von kmc »

echolot hat geschrieben: ↑26.05.2023, 18:43 Erstmal herzlichen Glückwunsch zu offenbar zwei erfolgreichen Berufungsverfahren! Eine Auswahl zwischen mehreren Stellen bei der Erstberufung zu haben, ist schon sehr respektabel.
Vielen Dank für deine ausführliche und sehr hilfreiche Antwort! Dass ich überhaupt die Wahl habe ist natürlich ein Luxusproblem. Wobei es immer noch die unausgesprochene Option 3 gibt (in der Privatwirtschaft bleiben, mit weniger Sicherheit aber deutlich höherem Einkommen).
[*] Größe der Hochschule: größere FHs (> 5000 Studierende) haben Vorteile im Hinblick auf Sichtbarkeit, Reputation, Netzwerk, Infrastruktur usw. Kleinere können da im Zweifel nur mit Exzellenz in speziellen Bereichen glänzen. Gerade wenn man auch forschen will, ist das nicht zu unterschätzen.
Das muss ich ein bisschen relativieren, auch Option 1 ist nicht klein (die 5000 werden locker überschritten), aber eben noch ein deutliches Stückchen unter Option 2. Die Größe an sich hat mich gar nicht so sehr beeinflusst, ich hatte sogar eine noch deutlich kleinere Hochschule auf meinem Suchradar, aber dort hätte mir einfach der Standort als solcher extrem gut gefallen (sozusagen ein Urlaubsort). Allerdings ist da momentan nichts ausgeschrieben und wird es wohl auch so bald nicht sein.
Und ob dir langweilig wird, das hast du selbst in der Hand. Dafür gibt es zu viele Optionen, den Tag zu füllen ;-) Neben Forschung und Verwaltung (Ämter) gibt es auch Möglichkeiten sich im Transfer, Ausgründungen, Wissenschaftskommunikation, Internationalen Hochschulkooperationen usw. zu engagieren.
Das ist eben meine Hoffnung, aber es war/ist mir mangels Erfahrung im Hochschulbereich wirklich schwierig einzuschätzen, wie das in der Praxis aussieht. Ich sehe die Professur eben nicht als gemütliche Route in den Ruhestand, sondern möchte durchaus "Impact" haben. Habe derzeit aber auch etwas Bammel davor, die 18 SWS Lehre überhaupt gebacken zu kriegen. Das wird mich wohl die ersten Semester genug beschäftigen.
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von Jucy23 »

Auch von mir herzlichen Glückwunsch!

Ich bin ehrlich gesagt irritiert, dass du das kollegiale Miteinander an den beiden FHs so klar beschreiben bzw. voneinander abgrenzen kannst. In den Kommissionen sitzt ja immer nur ein kleiner Teil des Kollegiums, es sind anstrengende lange Tage und ggfls. auch unterschiedliche Prioritäten und Präferenzen, wie die ausgeschriebene Stelle ausgefüllt werden soll. Ich weiß nicht, ob man von so einem Termin direkt darauf schließen kann, wie die spätere Zusammenarbeit aussieht. Vor allem, wenn das hier jetzt so schwer wiegt?
kmc
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von kmc »

Jucy23 hat geschrieben: ↑26.05.2023, 23:15 Ich weiß nicht, ob man von so einem Termin direkt darauf schließen kann, wie die spätere Zusammenarbeit aussieht. Vor allem, wenn das hier jetzt so schwer wiegt?
In beiden Fällen waren es ja bereits mehrere Termine (in verschiedener Zusammensetzung, von kleiner Runde bis zur vollen BK, bei Option 1 sogar ein unerwarteter Zusatztermin). Dazu hatte ich auch schon Kontakt mit einigen Verwaltungsmitarbeitern der Fakultät und HS bezüglich Formalitäten und direkt beim Vorsingen, dabei ergibt sich immer ein bisschen freundlicher Smalltalk.

Kann ich falsch liegen? Sicher! Aber die Atmosphäre war so deutlich unterschiedlich, dass ich daraus zwangsläufig meine Schlüsse ziehe.
johndoe
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von johndoe »

kmc hat geschrieben: ↑27.05.2023, 07:10
Jucy23 hat geschrieben: ↑26.05.2023, 23:15 Ich weiß nicht, ob man von so einem Termin direkt darauf schließen kann, wie die spätere Zusammenarbeit aussieht. Vor allem, wenn das hier jetzt so schwer wiegt?
In beiden Fällen waren es ja bereits mehrere Termine (in verschiedener Zusammensetzung, von kleiner Runde bis zur vollen BK, bei Option 1 sogar ein unerwarteter Zusatztermin). Dazu hatte ich auch schon Kontakt mit einigen Verwaltungsmitarbeitern der Fakultät und HS bezüglich Formalitäten und direkt beim Vorsingen, dabei ergibt sich immer ein bisschen freundlicher Smalltalk.

Kann ich falsch liegen? Sicher! Aber die Atmosphäre war so deutlich unterschiedlich, dass ich daraus zwangsläufig meine Schlüsse ziehe.
Das kann ich bestätigen. Ich hatte auch schon unterschiedliche Stimmungsbilder wahrgenommen. Natürlich kann ich die nicht-eingetretenen Berufungen mit schlechteren Stimmungen jetzt nicht bewerten, aber zumindest matcht mein guter Eindruck aus der damaligen Kommission mit der guten Stimmung innerhalb der Fakultät, die ich seit fast einem Jahr genieße.
taocp
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von taocp »

Am Ende wirst Du die Entscheidung für Dich treffen müssen. Aber ich schließe mich meinen Vorrednern an: das Umfeld/Miteinander empfinde ich als deutlich wichtiger, als die Ausprägung des Fachgebiets (solange es nicht dramatisch davon abdriftet). Ebenso ist die Ortswahl wichtig, weil man da genauso wie an der Hochschule selbst die nächsten Jahre oder Jahrzehnte sein Leben verbringen wird.

Ich bin selbst auch an einer Hochschule an der ich Informatik und Software Engineering unterrichte, obwohl das nicht eine der Studienrichtungen ist, die die Studenten wählen. Trotzdem machen mir die Grundlagen meines Fachs so viel Freude, dass es mein Ansporn ist, die Studis für mein Fach zu begeistern.

Klar, nach vielen Jahren der immer gleichen Grundlagenvorlesungen kann es "an Spannung verlieren". Aber zum einen hat man dann ja auch noch ein paar fortgeschrittenere Vorlesungen (bspw. in höheren Semestern oder im Master), dann kann man an der inhaltlichen Ausgestaltung mitwirken und schließlich ist es mir auch Ansporn, diese Grundlagen didaktisch so gut es möglich ist zu vermitteln. Am Ende bieten sich genügend Möglichkeiten, sein Potenzial auszuschöpfen.
kmc
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Re: Professur im "Nebenfach" vs. "Hauptfach"

Beitrag von kmc »

taocp hat geschrieben: ↑31.05.2023, 08:21Ich bin selbst auch an einer Hochschule an der ich Informatik und Software Engineering unterrichte, obwohl das nicht eine der Studienrichtungen ist, die die Studenten wählen. Trotzdem machen mir die Grundlagen meines Fachs so viel Freude, dass es mein Ansporn ist, die Studis für mein Fach zu begeistern.
Danke! Ich sehe das erstmal auch genauso. Außerdem gibt es in dem Studiengang auch Wahlmöglichkeiten, sodass die Studis sich eben genau in "meinem" Zweig etwas vertiefen können. Ist also nicht zwangsläufig nur ein lästiges Grundlagen- oder Nebenfach.

Wenn ich dich richtig verstehe, gibt es Informatik als eigenen Studiengang an deiner HS gar nicht? Oder eben nur nicht in deinem Fachbereich/deiner Fakultät? Ich schiele ja eben auch darauf, dass es an einer Hochschule mit entsprechender Fakultät dann Möglichkeiten zur Kooperation gibt, selbst wenn man nicht direkt in dieser Fakultät arbeitet.
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