Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

... und die Fragen, die sich davor und dabei ergeben.
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circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

daherrdoggda hat geschrieben: ↑10.03.2023, 01:08 Und die Originalarbeit mit den Daten wird nicht zitiert?
Was meinst du mit "Originalarbeit"? Es gab ein Drittmittelprojekt, dazu wurde ein Abschlussbericht an den Auftraggeber gegeben, und die Ergebnisse (mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten) in anderen Heften (Sammelband, Policy Paper, und noch eine andere Reihe) publiziert. Nichts davon wurde zitiert, der Abschlussbericht war aber auch nicht öffentlich.

Beim Blick in den besagten Artikel sehe ich eben, dass es tatsächlich nicht nur ausschließlich "meine" Daten waren, es wurden noch andere Interviews bzw. Essays, die für einen der Sammelbände meines DV geführt wurden, hinzugezogen. Das Gros stammt aber dennoch deutlich von mir (von "mir" ca. 25 Interviews plus quantitative Daten, vis-à-vis 4-5 "andere" Interviews und 2-3 Presseerklärungen oder Essays).
Vollkornpizza
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von Vollkornpizza »

Hm okay, dann setze ich mich nochmal persönlich mit der Ombudsperson in Verbindung. Wisst ihr denn, was dann weiter passieren würde? Eine Abmahnung vermutlich erstmal? Da ich bei ebenjenem DV diesen Sommer noch abgeben und verteidigen muss, ist das auch etwas, was ich erst nach der Disputation ansprechen würde..
Es ist gut, bereits jetzt mit der Ombudsperson zu sprechen. Er/sie wird nichts ohne dein Einverständnis unternehmen, sondern lediglich die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen.
circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

Habe der Ombudsstelle vorhin geschrieben. Wenn ich mehr weiß, gebe ich hier gerne ein Update. Danke für die Antworten :)
circles
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von circles »

Ein kurzes Update, für alle, die es interessiert:
ich habe nun mit der Ombudsperson gesprochen, die meinte auch, dass ihre Einschätzung sei, dass ich bei dem Artikel als Autorin hätte beteiligt werden müssen, aber auch, dass es auf dem Spektrum wissenschaftlichen Fehlverhaltens eher am unteren Ende anzusiedeln sei, man daher also nicht mit einer offiziellen Rüge, aber einer (informelleren) Ermahnung rechnen müsste. Wir sind nun so verblieben, dass ich nach der Disputation nochmal schaue, ob ich das weiterverfolgen möchte - die Ombudsperson meinte berechtigterweise auch, dass selbst wenn ich daraus keinen "Nutzen" mehr ziehe, es helfe, das bei meinem DV anzusprechen, da der noch vergleichsweise jung sei und man so dem entgegenwirken könnte, dass es anderen Doktorand:innen auch mal so geht.
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von abcde »

Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht über die Antwort der Ombudsperson. Für mich ist es eindeutig, dass Daten alleine keine Autorenschaft begründen, und meines Erachtens sieht das auch die DFG so, dazu gleich mehr. Ich muss aber sagen, dass ich aus dem Naturwissenschaften komme, hier kann es vielleicht anders sein, als in Geistes- oder Sozialwissenschaften. Ich glaube aber eher nicht. In den Naturwissenschaften sind Datenbanken absolut gängig, populäre haben zehntausende Zitationen. Niemand käme auf den Gedanken, dass die "Urheber" der Datenbank hier Autoren sein müssten, und das wäre doch auch Blödsinn. Viele dieser Publikationen kennen die Leute ja gar nicht bevor sie erscheinen (und auch nachher nicht, spätestens wenn mehrere Publikationen am Tag kommen, die die Datenbank verwenden, kann man das nicht mehr überblicken).
Letzteres (und da kommen wir zu Deinem Fall) ist doch bei Dir auch der Fall. Du wusstest von der Publikation nichts bevor sie erschienen ist, und die Publikation konnte ohne Dich erstellt werden. Warum solltest Du dann Autor sein? Das ist doch schon logisch ein Widerspruch. Das wäre eine "Ehrenautorenschaft", und die sind (u. a. laut DFG) nicht zulässig. Die Anerkennung Deiner Vorleistung erfolgt als Zitation.
Und wie gesagt, das sieht m. E. auch die DFG so. Man beachte, dass sie auch von Datenpublikationen spricht. Da begründet Datenliefant sein Autorenschaft. Bei Publikationen, die die veröffentlichten Daten verwenden nicht. Hier langt Zitation. Logisch ist dies darin begründet, dass die aufgelisteten Beiträge nur dann Autorenschaft begründen, wenn sie im Einzelfall relevant sind. Und für "Datenlieferant" ist das nur bei der Datenpublikation der Fall. Laut dieser Richtlinie begründet auch Zurverfügungstellen der Software Autorenschaft. Natürlich gilt dies nur, wenn entweder die Software publiziert wird, oder für diese Publikation eine Software entwickelt wurde, ohne die es nicht geht. Natürlich können die Autoren von SPSS nicht Autorenschaft an jedem Paper verlangen, das SPSS verwendet (oder gar die von Excel oder Word, wenn das Paper Excel verwendet).
Letzter Punkt: Du sprichst davon "wem die Daten gehören" usw. Das gibt es nicht. Daten sind urherberrechtlich nicht geschützt (glaub mir, ich kennen mich aus). In dem Augenblick, in dem Daten raus sind, kann sie jeder verwenden. Das ist urherberrechtlich vollkommen ok, und es gibt kein Eigentum. Anerkennung erfolgt über Zitation.
Das mag Dir unbefriedigend erscheinen, ist aber so. Und bei Lichte betrachtet, ist es auch vernünftig. Wenn jemand Deine veröffentlichten Daten verwendet ohne dass Du mitarbeitest, bist Du nicht Autor, nach der ganz normalen Definition von Autor, der Autor baut lediglich auf Deiner Arbeit auf. Umgekehrt, folgt man der Logik, das Du Mitautor wärest, müssten ja alle Autoren von zitierten Papern Mitautor sein. Schliesslich wird auf deren Arbeit ja auch aufgebaut. Autorenschaft ist Autorenschaft, keine allgemeine Möglichkeit der Anerkennung. Dafür gibt es Zitationen und Acknowledgements.
Dazu kommt: Laut DFG gilt: „Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen tragen die Verantwortung für deren Inhalt stets gemeinsam.“ Wenn Du hier als Autor genannt wirst, trägst Du die Veranwortung für den Inhalt. Das kannst Du doch redlicherweise gar nicht.
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von johndoe »

abcde hat geschrieben: ↑10.04.2023, 14:16 Niemand käme auf den Gedanken, dass die "Urheber" der Datenbank hier Autoren sein müssten, und das wäre doch auch Blödsinn.


Eine Datenbank kann durchaus urheberrechtlich geschützt sein: https://www.uni-bremen.de/urheberrecht/ ... atenbanken
abcde
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von abcde »

johndoe hat geschrieben:
> [quote=abcde post_id=253979 time=1681128971 user_id=8879]
> Niemand käme auf den Gedanken, dass die "Urheber" der Datenbank
> hier Autoren sein müssten, und das wäre doch auch Blödsinn.
> [/quote]
>
>
>
> Eine Datenbank kann durchaus urheberrechtlich geschützt sein:
> https://www.uni-bremen.de/urheberrecht/ ... atenbanken

Eine Datenbank ja, aber nicht die Daten in der Datenbank (es sei denn, sie sind für sich Werke im Sinne des Urheberrechts). Das ändert aber nichts daran, dass die Autoren der Datenbank keinen Anspruch auf Autorenschaft haben. Wer z. B. ein Paper schreibt, das bibliographische Daten aus web of science oder einer anderen Datenbank auswertet (so etwas gibt es ja), muss natürlich nicht die Autoren von web of science zu Mitautoren machen, auch wenn web of science urheberrechtlich geschützt ist.
Es ist natürlich immer der Einzelfall zu betrachten. Vielleicht hat der/die Fragesteller/in im Rahmen der Datenerhebung Methoden entwickelt, die im Paper auftauchen oder ähnliches. Aber Datensammlung begründet eben keinen Anspruch auf Autorenschaft, ausser natürlich an der Datensammlung selbst.
Etwas anderes ist die persönliche Ebene. Wenn x Personen ein Projekt durchführen, das Projekt wird abgeschlossen, und dann veröffentlichen x-1 Personen etwas im Zusammenhang mit dem Projekt, dann wäre es nett, die xte Person auch noch einzuladen. Aber wissenschaftliches Fehlverhalten ist das nicht, es gibt eben keine Pflicht zur Zusammenarbeit mit früheren Kollegen o. ä.
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von FerdiFuchs »

abcde hat geschrieben: ↑10.04.2023, 23:00 Es ist natürlich immer der Einzelfall zu betrachten. Vielleicht hat der/die Fragesteller/in im Rahmen der Datenerhebung Methoden entwickelt, die im Paper auftauchen oder ähnliches. Aber Datensammlung begründet eben keinen Anspruch auf Autorenschaft, ausser natürlich an der Datensammlung selbst.
Die Details, die wir aus diesem Thread kennen, sprechen dafür, dass nicht bloß um Datenerhebung, sondern auch um Methodikentwicklung geht:

"wobei er primär für Antrag und Ausrichtung etc. zuständig war, die empirischen Erhebungen (Umfrage und Qualis) habe ich alle alleine gemacht"
"es waren qualitative Interviews + quantitative Erhebung"


Interviewfragen und Instrumente für quantitative Erhebungen (Fragebögen etc.) zu erstellen ist Methodikentwicklung.
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von abcde »

FerdiFuchs hat geschrieben: ↑26.04.2023, 17:32
abcde hat geschrieben: ↑10.04.2023, 23:00 Es ist natürlich immer der Einzelfall zu betrachten. Vielleicht hat der/die Fragesteller/in im Rahmen der Datenerhebung Methoden entwickelt, die im Paper auftauchen oder ähnliches. Aber Datensammlung begründet eben keinen Anspruch auf Autorenschaft, ausser natürlich an der Datensammlung selbst.
Die Details, die wir aus diesem Thread kennen, sprechen dafür, dass nicht bloß um Datenerhebung, sondern auch um Methodikentwicklung geht:

"wobei er primär für Antrag und Ausrichtung etc. zuständig war, die empirischen Erhebungen (Umfrage und Qualis) habe ich alle alleine gemacht"
"es waren qualitative Interviews + quantitative Erhebung"


Interviewfragen und Instrumente für quantitative Erhebungen (Fragebögen etc.) zu erstellen ist Methodikentwicklung.
Die aber nur dann Mitautorenschaft rechtfertigt, wenn die Arbeit diese Methoden als Inhalt der Arbeit präsentiert und nicht nur anwendet. Wenn aus bereits veröffentlichten Arbeiten Ergebnisse, Methoden, Daten usw. übernommen werden, rechtfertigt das keine Autorenschaft. Sonst müsste Albert Eisntein Co-Autor bei jedem Paper sein, das sich mit der Relativitätstheorie beschäftigt. Wird doch auch niemand verlangen. Normalerweise kann niemand Autorenschaft verlangen, der am Paper nicht mitgearbeitet hat, so einfach ist das. Wenn signifikante Teile der Arbeit von jemandem stammen und er ist nicht Autor, dann hat er eben de facto doch mitgearbeitet, nur wusste er nichts davon. Das ist dann ein Plagiat oder Aneignung der Arbeit von Doktoranden o. ä. Ob das hier vorlag, kann man nicht so ohne weiteres sagen. Für mich klingt es nur teilweise nach "meine Methoden/Daten/Ergebnisse/... wurden verwendet, deswegen will ich jetzt aufs Paper". Und so läuft es nicht. Methoden/Ergebnisse/Daten sind auch urheberrechtlich nicht geschützt und diese können von anderen verwendet werden. Autorenschaft heisst "ich habe an dem Paper mitgeschrieben" und nicht "das Paper baut auf meiner Arbeit auf". Jedes ernstzunehmende wissenschaftliche Paper baut auf Arbeit anderer auf, ohne dass hier von Coautorenschaft die Rede sein kann.
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Re: Mitautorenschaft - "nicht die feine Art" oder schon sehr unkorrekt?

Beitrag von FerdiFuchs »

abcde hat geschrieben: ↑27.04.2023, 17:18 Die aber nur dann Mitautorenschaft rechtfertigt, wenn die Arbeit diese Methoden als Inhalt der Arbeit präsentiert und nicht nur anwendet.
Auch das scheint der Fall zu sein, basierend auf den Anhaltspunkten, die wir haben: "Vor ein paar Wochen sehe ich, dass er alleine einen Artikel in einem (für unser Feld sehr hochrangigen) Journal veröffentlicht hat - ausschließlich mit den Daten aus unserem Forschungsprojekt. " (Hervorhebung von mir)

Im Detail wäre es nochmal interessant genau zu schauen worin der Inhalt des Artikels besteht, abschließend klar ist das basierend auf der Beschreibung noch nicht. Die Indizien zeigen eher aber in die Richtung "Artikel über die Ergebnisse aus der Doktorarbeit" statt "Artikel über ein neues Thema mit einem anderen Inhalt, worin dann auch die Ergebnisse aus der Doktorarbeit erwähnt und ordnungsgemäß zitiert werden".
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