Veröffentlichung... Hilfe?

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Knadis
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Veröffentlichung... Hilfe?

Beitrag von Knadis »

Hallo liebes Forum,

ich war lange Zeit nur stille Mitleserin, aber jetzt macht mir das Thema Veröffentlichung solche Bauchschmerzen, dass ich euren Rat aus der Distanz brauche.

Zur Vorgeschichte:
Die Zeit meiner Promotion habe ich in keiner guten Erinnerung, was zum Teil auch an mir liegt. Ich leide sehr stark unter dem Hochstaplersyndrom und habe mir die sechs Jahre immer eingebildet, nicht gut genug zu sein und nicht an die Uni zu gehören. Ich habe auch nie wirklich für mein Thema oder meinen Fachbereich gebrannt, ich bin einfach so reingerutscht und hatte mir erhofft, durch den Titel eine alternative zu meinem Studium zu erhalten. Mein Doktorvater hat mir kaum geholfen, hat quasi nie was von mir gelesen, sodass ich bis zur Einreichung kaum wusste, was ich überhaupt produziert hatte.
Meine Verteidigung bzw. die Zeit davor war die schlimmste Zeit meines Lebens, eben wegen des Hochstaplersyndroms. Ich habe pro Nacht noch drei Stunden geschlafen, habe mich und mein Umfeld und meine Wohnung über ein halbes Jahr völlig vernachlässigt. Ich habe dann mit einem magna abgeschlossen - und das ist jetzt auch schon zwei Jahre her.

Und da liegt das Problem: Meine Frist zur Veröffentlichung läuft in einem Jahr ab. Mein Doktorvater hatte mir sogar ermöglicht, in einem Verlag zu publizieren, allerdings haben mich die Vorgaben (ich habe über 600 Seiten geschrieben, dazu kommen andere Schriftsätze; ich soll verschiedene Register erstellen...) erst einmal abgeschreckt. Ich bin dann auch eine Woche nach dem Abschluss ins Referendariat gegangen und arbeite seitdem wenn es gut läuft 60 Stunden die Woche, teilweise aber auch mehr. Da bleibt keine Zeit für die Doktorarbeit, ich bin auch völlig raus und kann mich auch nicht mit dem Titel identifizieren. Es kommen aber immer mehr Nachfragen, von der Fakultät, dem Doktorvater, den Leuten um mich rum, dass die Arbeit mir mittlerweile Tag und Nacht im Kopf rumspukt und mich völlig stresst. Ich bin aber in eine totale Schockstarre gefallen, ich habe noch nicht einmal die Gutachten gelesen aus Angst vor dem Urteil (was ja dumm ist, ein magna ist ja nicht schlecht).

In meinem Fachbereich ist eine Onlineveröffentlichung, zu der ich gerade wegen Zeit und Co. tendiere, total unüblich, ich kenne niemanden, der das gemacht hätte. Eine Buchpublikation ist quasi ein Muss. Allerdings weiß ich, dass ich NIE wieder in die Wissenschaft gehen möchte. Andererseits frage ich mich, ob ich es später nicht bereue, nicht in einem angesehenen Verlag publiziert zu haben. Plus das Hochstaplersyndrom kommt wieder dazu und flüstert mir ein: "Wenn du es nur online veröffentlichst, dann haben alle ihre Bestätigung erhalten, dass du nicht für die Wissenschaft taugst."
Ich kann an einigen Tagen kaum noch schlafen deswegen und will es eigentlich schnell abhaken.
Was würdet ihr machen? Sorry, dass es jetzt so lang geworden ist...
Wierus
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Re: Veröffentlichung... Hilfe?

Beitrag von Wierus »

Knadis hat geschrieben: ↑04.06.2022, 19:28In meinem Fachbereich ist eine Onlineveröffentlichung, zu der ich gerade wegen Zeit und Co. tendiere, total unüblich, ich kenne niemanden, der das gemacht hätte. Eine Buchpublikation ist quasi ein Muss.
Naja, dann hast du aber leider keine Wahl mehr, denn ein Verlag wird dich mit großer Wahrscheinlichkeit dazu zwingen, dein 600-Seiten-Konvolut auf unter 400 Seiten zusammenzukürzen; das vor allem dann, wenn du auf einer gedruckten Ausgabe deiner Dissertation bestehen solltest. Und genau dafür fehlen dir laut eigenem Bekunden Zeit und Kraft.

Knadis hat geschrieben:Allerdings weiß ich, dass ich NIE wieder in die Wissenschaft gehen möchte.
Das hat für deine Entscheidung wenig Relevanz, denn wenn du in die Wissenschaft willst, dann solltest du ein maximales Publikum anstreben. Die meisten Dissertationen beschäftigen sich aber mit Themen, die selbst bei kostenlos erhältlicher Publikation nur wenige interessierte Leser finden.

Mehr dazu hier: https://coachingzonen-wissenschaft.de/p ... on-online/

Im Gegenteil also: Wenn du in der Wissenschaft verbleiben wolltest, wäre die Online-Publikation der beste Weg, um einem Nischenthema die maximale Anzahl von Lesern zu garantieren und um von anderen Autoren zitiert zu werden.

Knadis hat geschrieben:Was würdet ihr machen? Sorry, dass es jetzt so lang geworden ist...
An deiner Stelle würde ich das Ding so schnell wie möglich raushauen und die ganze Sache endgültig abschließen.
klausm
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Re: Veröffentlichung... Hilfe?

Beitrag von klausm »

Ich würde den Rat unterstützen, es so schnell wie möglich fertig zu stellen. Ein Jahr ist eine gute Zeit, um die Veröffentlichung durchzuboxen (gegenüber eigenen Gedanken, gegenüber den Forderungen des Verlags und so weiter). Und wenn es veröffentlicht ist, hast Du es nicht mehr dauernd um Kopf.

Klingt blöd, ist aber so: Ein magna sollte reichen, um die Diss mit gutem Gewissen einfach irgendwo zu veröffentlichen. Hochstapler hin oder her. Vielleicht findest Du sogar eine Möglichkeit, möglichst wenig inhaltlich dran machen zu müssen. Wäre sicherlich eine emotionale Entlastung. Ob die emotionale Entlastung durch die Onlineveröffentlichung am größten wäre, kann ich nicht beurteilen. Der Druck in deinem Fachbereich ist anscheinend groß, in einem Verlag zu veröffentlichen.

Meine Tendenz wäre der Verlag. Dort alles klären, Kosten immer gegenüber der bevorstehenden lebenslangen Freiheit abwägen und dann mechanisch vollenden. Ich musste 150 Abbildungen neu setzen und einiges mehr, aber die Überarbeitungen waren von vornherein eine große, aber eben endliche Zahl. Also habe ich mich v Stück für Stück, Woche für Woche parallel zur Arbeit durchgeboxt. Das schaffst du auch.
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Re: Veröffentlichung... Hilfe?

Beitrag von Sebastian »

Knadis hat geschrieben: ↑04.06.2022, 19:28 In meinem Fachbereich ist eine Onlineveröffentlichung, zu der ich gerade wegen Zeit und Co. tendiere, total unüblich, ich kenne niemanden, der das gemacht hätte. Eine Buchpublikation ist quasi ein Muss. Allerdings weiß ich, dass ich NIE wieder in die Wissenschaft gehen möchte.
Gegen Ende meiner eigenen Promotion stand ich wegen eines angelaufenen Rechtsreferendariats mit Ortswechsel auch ziemlich unter Druck, wenn auch ohne Hochstaplersyndrom. Ich habe mich zu einer Veröffentlichung im Selbstverlag entschieden und in den ersten fünf Jahren nach dem Abschluss hin und wieder bedauert, dass es kein "richtiger" Verlag war, sondern dieses optisch schlichte Werk aus dem Copyshop.
Aber in jenen Jahren und allen danach haben mich höchstens zehn Menschen überhaupt von sich aus nach dem Inhalt meiner Diss gefragt (oder selbst recherchiert) und wirklich niemand nach der Publikationsform. Wenn sie irgendwie still den Kopf geschüttelt haben, dann so diskret, dass ich es nie wahrgenommen habe.
Insofern sind die Standards von denen Du sprichst, vielleicht die Deines aktuellen uni-nahen Umfelds, aber nicht unbedingt die des Rests der Welt.
Ich würde mir noch einmal genau anschauen, wie die Bedingungen für die Onlinepublikation sind (z.B.: Müssen/dürfen evtl. doch gedruckte Exemplare für Schriftentauschringe abgeliefert werden, die in Universitätsbibliotheken ggf. noch eine Rest-Wahrnehmbarkeit erzeugen) und ansonsten den Open Access-Trend-Gedanken betonen, den ich in den Rechtswissenschaften noch nicht so laut wahrnehme, wie andere hier im Forum in den Naturwissenschaften...
Viel Erfolg - Du schaffst das!

Sebastian

P.S.: Allgemeine Abwägungen zur Publikation gibts im redaktionellen Teil unter Fast fertig /Drucken...
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