Methodenprobleme und der Verlust des roten Fadens...

Fragen aus der laufenden Arbeit an der Dissertation.
Literatursuche, Motivationsprobleme, Lehrtätigkeit, Ärger mit dem Prof u.v.m.
Gesperrt
Nicky

Methodenprobleme und der Verlust des roten Fadens...

Beitrag von Nicky »

In Anlehnung an meinen vorherigen Beitrag (Wie SCHREIBT Ihr Eure Diss?)...:

Ich schreibe eine interdisziplinäre Arbeit im Bereich Kunstpädagogik (Neue Medien). Ich forsche über ein spezielles Phänomen in den Medien, die Arbeit beschränkt sich dabei auf den Bereich Clubflyer. Dazu analysiere ich im Hauptteil an die 1000 Flyer hinsichtlich des Phänomens und reflektiere die Ergebnisse dann später im Theorieteil...

Meiner Dr.Mutter ist wichtig, dass ich vom Material ausgehe. Da ist das Problem, das ich VORHER viele Begriffe klären muß. Weil, wenn es um den "Stand der Forschung" zu dem Phänomen geht, dann muß ich das Phänomen von anderen Bereichen abgrenzen, Bereiche, denen eigentlich erst im hinteren Teil ein großer Abschnitt gewidmet werden sollte... Und es gibt so viele Überschneidungen bei den Gegenstandsbereichen...

Ich komme überhaupt nicht mit der Struktur der Arbeit klar. Ständig schiebe ich Abschnitte oder gar Kapitel hin und her, und es paßt doch nicht – es ist etwas über und/oder es paßt dafür an anderer Stelle nicht mehr. Ich finde den roten Faden einfach nicht. Ich hab es schon mit Schaubildern und Mindmaps probiert. Die tragen gar nichts zur Klarheit bei, da müßten sie mindestens 3-dimensional sein. :wink:

Das Problem ist auch, dass es nichts "wissenschaftliches" zu meinem Thema gibt, zu neu... Ich habe eine Handvoll Bücher, über Teilaspekte des Phänomens, aus unterschiedliche Perspektiven, an denen ich mich gleichermaßen methodisch orientieren könnte, denn alle sind gleich wichtig für meine Arbeit... Aber: Ich müßte eigentlich kunstwissenschaftlich-pädagogisch arbeiten, die relevante Literatur ist jedoch überwiegend sozialwissenschaftlich.

Die Methoden dieser Untersuchungen bestehen selbst meisst aus diversen Methoden(bruchstücken) anderer Arbeiten und die Arbeiten unterscheiden sich ungemein untereinander, so dass ich mich mit dutzenden verschiedenen Methoden auseinandersezten muß. Andere relevante Arbeiten wiederum, teils sogar Dissertationen, benennen noch nicht einmal ihre Methoden, so dass ich zusätzlich noch verunsichert bin, wie viel ich zu meiner Methode schreiben soll, oder ob es reicht, vage zu bleiben. Dann gibt es da noch Dissertationen, die so umethodisch und unwissenschafltich geschrieben sind, dass sie das Niveau einer Facharbeit (Oberstufe) haben, und ich fast denke, dass ich mir zu viele Gedanken mache...

Ich habe versucht aufzudröseln, was alles relevant ist, und dies irgendwie zu ordnen (ich mag es anschaulich...). Dies sind die Ansätze, die in der (relevanten) Literatur benutzt wurden:

QUALITATIVE SOZIALFORSCHUNG:
1.) Ethnographische Verfahren (Goffman), 2.) Interpretationsverfahren a) qualitative Inhaltsanalyse (Mayring): zusammenfassende, explizierende, strukturierende Inhaltsanalyse, insbs. die induktive Kategorienbildung, b) Hermeneutik – Grounded Theory (Glaser, Strauss), d. h. Ikonologie (Panofsky) + Ikonik (Imdahl) + strukturale Hermeneutik (Oevermann) Semiotik (Barthes) + phänomenologische Bildhermeneutik (Boehm) + Tiefenhermeneutik

KUNSTWISSENSCHAFTEN
Kunstpädagogik: Visuelle Kommunikation: Semiotik, Semiologie, Hermeneutik
Kunsttheorie: Ästhetik als Wahrnehmungslehre (Lyotard, Benjamin), Trash
Kunstgeschichte: Profane culture (Willis), (Gorsen)
Medienwissenschaft: Medientheorie, Medienwirkungsforschung

PSYCHOLOGIE
Sozialpsychologie (Adorno) Psychoanalyse (Freud, Lacan, Krafft-Ebbing) Werbepsychologie

PHILOSOPHIE
Diskurstheorie (Foucault), fr. Existenzialismus (deBeauvoir), Ästhetik des Pragmatismus

SOZIOLOGIE
Kulturanthropologie/-wissenschaft: Kollektivsymbolik (Link), Visual Culture (Berger, Mitchell: linguistic & pictoral turn, Zizek), Hebdidge CCCS, Profane Culture Willis, Mc Robbie
historische und literaturwissenschaftliche Geschlechterforschung/Frauenforschung: (Simmel, Hagemann-White)
Gesellschaftstheorie (Kritische Theorie Horkheimer, Adorno, Benjamin, Habermas, Marcuse; Gorsen, Adorno, Elias, Parsons) Systemtheorie (Luhmann) Popular Culture (McNair, Barthes, Horkheimer) Youth Culture (Club Culture, Flyerforschung) Sozialisationsforschung Pornographie (Faulstich, Historisierung)
empirische/qualitative=interpretative Sozialforschung 1.) Ethnografische Feldforschung/Ethnomethodologie (Goffman), 2.) Interpretationsverfahren: a) qualitative Inhaltsanalyse (Mayring), b) Hermeneutik: struktural-hermeneutische Symbolanalyse (Müller-Dohm), Grounded Theory (Glaser, Strauss)) dabei: Sortieren und offenes Codieren, quantitative Inhaltsanalyse (Kontingenz- bzw. und Frequenzanalyse) (formal? ästhetisch? semantisch? kommunikationswissenschaftlich? semiotisch? hermeneutisch, kultursoziologisch? in-vivo codes?)
:shock: :shock: :shock:

Die Arbeit ist schon grob niedergeschrieben, nur der Methodenteil ist nicht ausformuliert, weiß nicht wie ich den je hinkriegen soll...

Die Dr. Mutter kann ich nicht fragen. Sie betreut meine Arbeit informell und der Kontakt ist spärlich (ich lebe noch nicht mal in Deutschland), was mich an sich nicht stört, da ich mit meinen Mehrfachbelastungen - Kind, Kariere etc. - ohne Druck von Außen arbeiten kann. Ich glaub, das wär mir sowieso zu peinlich zu fragen :oops: ...

Nicky
acoma

Beitrag von acoma »

wie viel ich zu meiner Methode schreiben soll
"meine Methode" :?:

Die Arbeit ist schon im groben niedergeschrieben, sagst Du, d.h. auch schon
Ergebnisse, Resultate Deiner "Forschung".

Ich würde das so machen, daß Du exemplarisch einen typischen
Forschungsprozeß, wie Du ihn anwendest, wiederholst, bei glz.
detailierter Beobachtung, was Du tust: Vom Material ausgehen,
was bedeutet das. Was ist "Material", das ist schon mal eine schwierige
Frage. Vom Material "ausgehen" wohin? Was heißt ausgehen. Völlig
unklar. Wohin? Daher später im Theorieteil "reflektiert" wird, scheint es
doch wohl darum zu gehen, am Material Theorien zu prüfen, oder neue
zu entwickeln.
Dabei ist folgendes zu bedenken: Kann ich an das Material heran, ohne
schon mit gewissen Vorannahmen das Material zu strukturieren, bevor
ich es überhaupt als Material zu fassen bekomme.
Es gibt verschiedene Methoden, theoretische Vorannahmen, die verhindern,
das "reine" Material überhaupt erstmal zu sehen, loszuwerden, oder wenigstens
zu erkennen. Da solltest Du Dein eigenes Vorgehen analysieren, wie schaffst
Du es, das Material in den Blick zu nehmen, ohne daß die Wahrnehmung schon
kontamiert ist durch alle möglichen Vorurteile, implizite Auffassungen, was z.B.
ein Kunstwerk sei, was "pädagogisch" angeblich bedeutet, was ein Flyer ist.
Du gehst mit einem ganzen Wust an Vorauffassungen an Dein Material heran.
Wenn die Dr. Mutter spricht von: "Vom Material ausgehen". Dann heißt es methodisch
1. Teil : Worin besteht mein Material, Entkleidung von Voraufassungen.
2. Teil: Wie komme ich von dem entkleideten Material zu theoretischen Auffassungen,
um was es sich handeln möge.
Letztlich geht es wohl darum, das Material neu zu sehen. Ich vermute mal, daß Du
das in Deiner Arbeit behauptest: Eine Sichtweise, die dann Licht auf auf xy usw.
Wenn Du intuitiv bisher zu Deinen Ergebnissen gekommen ist, dann muß der methode
Teil dieses intuitive Vorgehen detailiert erläutern, vorzugsweise in Anlehnung an
gängige methodische Verfahren: Du solltest die Methode raussuchen, die am
nächsten dran ist an dem, was Du tatsächlich tust, und dann rundweg im methodischen
behaupten, daß Du streng nach dieser Methode gearbeitet hast.
Böhnchen

Beitrag von Böhnchen »

Ergänzende Idee:
Wenn das nicht exakt geht, weil Du z.B. Deinen Kriterienkatalog erweitert hast kannst Du das als Verbesserung/Adapiterung der Methode verkaufen.

Grüße vom Böhnchen
Schtudinki

Beitrag von Schtudinki »

Hallo Du arme Wurst!

Das hört sich ja wirklich nicht gut an :(

Mach Dir trotzdem nicht so viele Sorgen, das was Du uns da geschrieben hast klingt doch super und könnte doch problemlos als Forschungsüberblickskapitel in Deine Diss einfließen. Genau diese Aufzählung mit den unterschiedlichen Arbeiten aus den diversen Richtungen liefern Dir doch gleich noch den Pluspunkt, dass Du Deine Arbeit als interdisziplinären Beitrag verkaufen kannst. Außerdem hast Du sämtliche Ansatze reflektiert und daraus Deinen eigenen gebastelt. Is doch super!

Und wenn Du mit der Reihenfolge nicht klarkommst, dann ändere sie! Deine Dr. Mutter wird dafür sicher Verständnis haben, es ist ja schließlich Deine Arbeit. Sollte so etwas nicht genau der Unterschied zwischen einer Diplom-, Magister- oder Masterarbeit und der Diss sein, nämlich dass Du in der Diss frei bist und Dich - ich sags mal so - wissenschaftlich richtig austoben kannst, ohne dass Dir ständig jemand reinredet?

Den Forschungsüberblick inklusive der bisher verwendeten methodischen Ansätze kannst Du doch wunderbar vor Deinen empirischen Teil stellen. Und dann so weitermachen, wie sie es Dir vorgeschlagen hat. Dann hast Du im Vorfeld alles geklärt, gehst auf die Details aber erst später in der theoretischen Diskussion ein.

Lass den Kopf nicht hängen, ich finde, Du hörst Dich an als hättest Du Ahnung von dem was Du da tust. Und das ist doch die Hauptsache!

Sonntägliche Grüße,
schtudinki
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