Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

spirograph
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Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von spirograph »

Liebes Doktorand*innenforum,

die Betreffzeile lässt schon meine Frage erahnen. Gern möchte ich euren Rat dazu erfragen, wie lange die "heiße Schreibphase" einer Diss realistischerweise anzusetzen ist/sein könnte.

Zu meiner Situation: Erhebung wird gerade abgeschlossen (qualitative Forschung, Erziehungswissenschaft/Fachbereich), in Vollzeit angestellt, handhabbares Lehrdeputat (große Routine darin, da schon seit 6 Jahren in Lehre, auch weil mein Diss-Thema das Thema meine Seminar vollkommen deckungsgleich umfasst, krasse Synergie!), im Juli/ August Abschluss Erhebung und Auswertung. Dann wollte ich anfangen alles in eine schriftliche Form zu bringen. Die Hälfte der Recherche, Literatur usw. ist bereits gelaufen und ist zugriffssicher archiviert. Ab Oktober habe ich mir noch exakt ein Jahr "lediglich" zum Schreiben der Diss gegeben - ist das realistisch? Motiviert bin ich vollauf, das Schreiben, so meine ich, müsste fließend gehen, auch weil ich die Diss schon einige Zeit mit mir gedanklich herumtrage und meine Gedanken eine gewisse Reife erreicht haben. Mein Betreuer ist stetig für mich ansprechbar und gibt mir absolut zeitnah verwertbare Rückmeldungen.

Vielen Dank für Eure EInschätzungen! :-)

spiro
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Wierus
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von Wierus »

Hallo,

ich bin der Meinung, dass die eigentliche Arbeit erst mit dem Schreiben losgeht. Quellen zu sammeln, Material auszuwerten, Sekundärliteratur zu lesen war für mich persönlich mehr so das nette Drumherum. Das Ganze dann zu ordnen, argumentativ überzeugend auszuformulieren und in lesbaren Text zu verwandeln ist wirklich anspruchsvoll... dabei vor allem den Überblick und den roten Faden nicht zu verlieren. Für Kultur- und Sozialwissenschaftler mag das noch etwas leichter erscheinen, weil sie im Studium von der Pike auf, quasi in jedem Pflichtseminar, Hausarbeiten verfassen müssen und dieses zentrale wissenschaftliche "Handwerk" eben auf diese Weise von Anfang an mitlernen. In anderen Fächern wird das im Extremfall nur über die BA- und MA-Thesis abgefragt.

Aus einem Forum für Medizindoktoranden:
Der Kardinalfehler, der oft gemacht wird: Man denkt nicht selten, sofern der praktische Teil der Arbeit abgeschlossen ist, müsse die Doktorarbeit ja nur noch geschrieben oder zusammengeschrieben werden. Ein fataler Irrtum, denn mit dem Schreiben fängt die Arbeit oft erst so richtig an.
//edit: Link entfernt

----------------------------

@Sebastian & Forum:
auf der verlinkten Seite findet sich übrigens auch auch ein dickes Kompliment an doktorandenforum.de :D
Aussagekräftige, praktische und sehr nützliche Tipps gibt es auch im Doktorandenforum. Dort werden zu allen Fragen und Themen wertvolle Antworten geliefert. Es lohnt sich wirklich, dort einmal vorbeizuschauen. Ganz egal, in welchem Stadium sich die Dissertation aktuell befindet. Auch wenn man fast schon fertig ist, kann man in jenem Forum noch zahlreiche Ratschläge finden, die einem weiterhelfen.
Zuletzt geändert von Wierus am 28.06.2018, 11:36, insgesamt 1-mal geändert.
spirograph
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von spirograph »

Danke für Deine Antwort. Was meinst Du, ist ein Jahr nahezu Vollzeit-Schreibphase realistisch? :-) Danke!
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flip
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von flip »

Niemand kann dir irgendwas dazu sagen. Weder hier ist hier jemand in deinem Thema noch kennt jemand eine Arbeitsweise.
Ich weiß, man möchte gerne Antworten auf so etwas, aber es liegt nun einmal nur an dir.
Wierus
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von Wierus »

spirograph hat geschrieben: ↑26.06.2018, 18:43 Danke für Deine Antwort. Was meinst Du, ist ein Jahr nahezu Vollzeit-Schreibphase realistisch?
Wie flip schon sagte, das kann dir keiner beantworten. Es kommt darauf an, welches Thema du hast, wie intensiv du es bearbeiten möchtest und wie viel dir die Arbeit insgesamt bedeutet. Wenn du eine Doktorarbeit von 600+ Seiten anfertigst, bist du viele Jahre beschäftigt. Schreibst du dein Thema quasi als "Master-Thesis plus" mit 180 Seiten runter, kannst du durchaus mit unter zwei Jahren davonkommen.

Es hängt auch davon ab, was man sich und der Welt beweisen will: Mit einer dicken (und gut geschriebenen) Arbeit zeigst du, dass du ein komplexes Thema über lange Zeit ganz auf dich allein gestellt bearbeiten und zuende bringen kannst. Mit einer schmalen, zügig fertiggestellten Schrift beweist du, dass du ein anspruchsvolles Thema auf das Wesentliche runterbrechen kannst. Beides ist legitim, denn in beiden Fällen muss am Ende mindestens irgendein wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn stehen bzw. eine zentrale Ausgangsfrage beantwortet sein.

Es gibt eben keinen goldenen Weg, das ist ja grad das spannende an dem ganzen Forschungs- und Schreibprozess.
spirograph
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von spirograph »

Vielen Dank für eure Antworten und Einschätzungen. Es ist keine genuin geisteswissenschaftliche Arbeit, doch eine mit empirischen Anteil. Qualitative Inhaltsanalyse, Interviews (20 Davon), Software-Auswertung, sowas eben. Kein Hexenwerk, absolut nicht. Kein Geniestreich, nix davon. Ich schreibe nicht die Bibel neu, so viel steht fest und bei uns gilt, dass wenn man so eine Diss runter wirft, also fallen lässt, sie nur ganz leicht aufschlagen soll/darf. Nichts mit großen Krach aufschlagen. Ich denke, dies soll auf die Komprimiertheit, Dichte und nun auch Abstraktion/Generalisierung und vllt. auch auf (Selbst-)Begrenzung, Pointiertheit verweisen. Ist ein schulpädagogisches Thema; absoluter Lehramtsbezug. Die Arbeit schrieb ich in großen Teil neben einer vollen Stelle mit eben vollem Lehr- und Prüfungsdeputat, 4 Seminare, 30 Personen pro Seminar, für 120 Menschen Verantwortung, dazu betreute Abschlussarbeiten. Manche sagen, das ginge gar nicht, "wenn man Lehre ernst nehmen würde". Das habe ich stets getan, das Schöne ist, mein Diss-Thema und das meiner Seminare - auch in der Vielzahl - ist identisch. Hatte es nie darauf angelegt, aber nun ist es so. Dazu arbeite ich seit viele Jahren im Kulturbereich, wo ich das, was ich forsche und lehre, auch noch anbieten darf. Also praktisch volles Deputat, Diss und Nebenarbeit. Geht schon, gelingende Synergie. :-)

Ich dachte im jugendlichen Leichtsinn, ein Jahr Vollzeit ranklotzen und das Ding könnte stehen. Viel länger, also richtig geschrieben, also einen kompletten Ergebnisbericht verfasst (eben vor dem Hintergrund einer empirischen Erhebung als Dissaufhänger), hat nach meinem Kenntnis- und Bekanntheitsstand kaum jemand; plus/minus ein paar Monate Korrektur einpflegen ggf.

Danke Euch für eure Aussagen. Alles Gute Euch!

spiro
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von xa »

Hi,
also ich finde ein Jahr Schreibphase durchaus realistisch.
Ich und mein Bekanntenkreis haben alle empirische Arbeiten geschreiben im quantitativen gesellschaftlichen Bereich geschrieben im Bereich von 250-350 Seiten.
Wenn du schon die Analyse abgeschlossen und wesentliche Erkenntnisse durchdacht und in Schaubildern oder anderes festgehalten hast, dann schreibt sich der Teil, der teilweise ja auch aus Deskription besteht, relativ zügig.
Nach einem Jahr kann man also durchaus eine sehr runde Arbeit haben. Damit ist der Prozess aber natürlich noch nicht abgeschlossen (Korrekturen des DV, EInreichung, Prüfung) und kann sich noch hinziehen.
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von Phia123 »

Hallo,
ich stehe kurz vor dem Druck und kann rückblickend sagen, dass das Schreiben immer länger dauert als man denkt. Das ist während meines Arbeitens quasi zu einem Mantra geworden und wird noch lange in meinem Kopf rumspuken.
Ich habe auch eine experimentelle Studie durchgeführt. Ich dachte nach der Vorbereitung und Durchführung wäre der größte Teil geschafft. Leider hatte ich mich geirrt. Es kamen noch fast 2 Jahre harte Arbeit auf mich zu. Jetzt stehen die etwas mehr als 200 Seiten und ich bin sehr erleichtert. Anfangs war ich so naiv zu denken, dass es in 6 Monaten machbar sei :mrgreen:
Ich habe in der Zeit Teilzeit gearbeitet, häufig hatte ich die Vormittage für die Diss frei. Je mehr Zeit du dir für das Schreiben freischaufeln kannst, umso schneller wirst du fertig. Aber häufig frisst der Job dann doch mehr Zeit als gedacht.
Rückblickend würde ich sagen die Zeit, die man zum Schreiben benötigt, kann man eigentlich nicht vorhersagen.
Viel Glück und gutes Durchhaltevermögen! :blume:
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von Grounded »

Hallo Spirograph,

ich denke auch, dass ein Jahr in Vollzeit ausreichend lang sein kann, zumal du offenbar gute Arbeitsbedingungen hast: du bist motiviert und auf deinen Betreuer ist auch Verlass. Wenn ich da an Erfahrungsberichte andere Promovenden denke... Naja.
Ich forsche auch mit qualitativen Methoden, dabei produziere ich u. a. Texte, die ich für die Diss verwenden kann. Konkret meine ich damit Interpretationen zu Interviewtexten. Hast du auch solche Ergebnisse produziert, die Teil der Diss sein werden? Das würde sich die Schreibphase evtl. verkürzen.
Ich wünsch dir viel Erfolg!

Viele Grüße
Grounded
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Re: Realistische Länge der Schreibphase: Was meint ihr?

Beitrag von Wierus »

spirograph hat geschrieben: ↑26.06.2018, 22:13Ich schreibe nicht die Bibel neu, so viel steht fest und bei uns gilt, dass wenn man so eine Diss runter wirft, also fallen lässt, sie nur ganz leicht aufschlagen soll/darf. Nichts mit großen Krach aufschlagen. Ich denke, dies soll auf die Komprimiertheit, Dichte und nun auch Abstraktion/Generalisierung und vllt. auch auf (Selbst-)Begrenzung, Pointiertheit verweisen.
Hm, und das ist also alles an Weisheiten, die du "bei euch" mitbekommen hast? Unterhaltet ihr euch also nur darüber, wie leicht und von knappem Umfang Doktorarbeiten sein sollten? Kleiner Tipp: vielleicht solltest du zwischendurch mal ein anderes Thema ansprechen, z.B. wie lange man für so eine Diss braucht, wenn man sie in Vollzeit bearbeitet. Dann müsstest du nicht blind im anonymen Internet herumfragen, wo niemand eine Ahnung von deinem Fachbereich und deinem Thema hat.

spirograph hat geschrieben: ↑26.06.2018, 22:13Ist ein schulpädagogisches Thema; absoluter Lehramtsbezug. Die Arbeit schrieb ich in großen Teil neben einer vollen Stelle mit eben vollem Lehr- und Prüfungsdeputat, 4 Seminare, 30 Personen pro Seminar, für 120 Menschen Verantwortung, dazu betreute Abschlussarbeiten. Manche sagen, das ginge gar nicht, "wenn man Lehre ernst nehmen würde".
Bei soviel Uni-Lehre kommt man doch zwangsläufig in Kontakt mit sehr vielen Promovierten und Habilitierten, oder? Leuten, die dir kompetente Antworten just zu deiner obigen Eingangsfrage geben könnten.

spirograph hat geschrieben: ↑26.06.2018, 22:13[...] das Schöne ist, mein Diss-Thema und das meiner Seminare - auch in der Vielzahl - ist identisch. Hatte es nie darauf angelegt, aber nun ist es so. Dazu arbeite ich seit viele Jahren im Kulturbereich, wo ich das, was ich forsche und lehre, auch noch anbieten darf. Also praktisch volles Deputat, Diss und Nebenarbeit. Geht schon, gelingende Synergie. :-)
Vollzeit-Lehre, Nebenjob im Kulturbereich und Dissertation verfassen... alle Achtung! Ich ziehe den Hut vor dir.

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