Neu am Institut: Aufgabenverteilung

Irgendwann ist jeder fertig. Und dann darf er sich hier austoben :-)
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Cybarb
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Neu am Institut: Aufgabenverteilung

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

ich befinde mich gerade in einer für mich neuen Situation und bin mir unsicher, wie ich mit ihr umgehen soll. Daher wäre ich für Einschätzungen dankbar, egal in welche Richtung sie gehen, egal ob sie von Leuten stammen, die ähnliche Situationen kennen oder nicht. Mir geht es einfach um "Meinungssammlung".

Folgendes: Ich bin seit einigen Wochen als Post-Doc an einem recht kleinen Institut angestellt. Schon im Vorstellungsgespräch wurde relativ klar - so schien es jedenfalls - besprochen, welche Aufgaben der zukünftige Stelleninhaber zu übernehmen hätte. Darüber hinaus wurde dann nach erfolgter Anstellung recht schnell ein Zielvereinbarungsgespräch für 12 Monate geführt, protokolliert und von den Anwesenden - also Chefin und mir - unterschrieben. So weit alles sehr professionell, wie ich finde.

Nun ist es allerdings so, dass ich auf dem Flurfunk schon mehrfach mitbekommen habe, dass deutlich mehr an diesem Institut laufe, als mir persönlich durch die Chefin mitgeteilt wurde, gerade was Verwaltungs-, Organisations- und Kommunikationsaufgaben angeht. Insbesondere hat ein Kollege sehr viele Aufgaben von meinem Vorgänger übernommen und sie in dem Zeitraum, in dem die Stelle vakant war, bearbeitet. Nur möchte er zumindest einen Teil dieser Aufgaben wieder loswerden, insbesondere weil er wohl ein wenig in akademische Torschlusspanik gerät: Vertrag läuft bald aus, Wissenschaftszeitvertragsgesetz greift, zahlreiche Aufgaben hindern am Publizieren, etc.

Mein Problem ist: Ich möchte verhindern, dass ich nun plötzlich lauter Aufgaben übernehmen muss und dadurch selbst an dem gehindert werde, weshalb ich meiner Einschätzung nach angestellt worden bin, nämlich Forschung und Lehre. Andererseits könnte mir das als unkollegiales Verhalten ausgelegt werden, und das nach wenigen Wochen.

Folgende Aspekte spielen dabei meines Erachtens eine Rolle:

- Die Torschlusspanik des Kollegen ist persönlich nachvollziehbar, auch die damit verbundenen Ängste, die Genervtheit angesichts der Aufgaben, etc. Wenn ich in einer ähnlichen Situation wäre, wäre ich vermutlich ähnlich angeschlagen.
- Gerade deshalb will ich aber vermeiden, auch in eine derartige Situation zu geraten...
- Zudem finde ich, dass jemand, der jetzt bemerkt, dass seine insgesamt 12 Jahre, die das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ihm zugesteht, bald ablaufen, und plötzlich in Torschlusspanik verfällt, schon zuvor eine fragwürdige Karriereplanung betrieben hat. Dann noch eine Menge an Aufgaben zu übernehmen, diese dann wieder (zumindest teilweise) von sich werfen zu wollen, ist für mich nicht gerade eine Musterbeispiel an verantwortungsvoller Karriereplanung. Und es ist nicht meine Aufgabe, diese mangelhafte Karriereplanung auszubaden.
- Ich bin davon ausgegangen, dass man mir im Vorstellungsgespräch und im Zielvereinbarungsgespräch mehr oder weniger wahrheitsgetreu gesagt hat, welche Aufgaben ich übernehmen soll. Immerhin existiert auch ein unterschriebenes Protokoll. Nun ist es so, dass die Chefin angeblich gar keinen kompletten Überblick über die Aufgaben am Institut hat und diese von ihrer Seite aus bisher deshalb nicht zur Sprache gekommen sind. Mir hilft das trotzdem wenig, denn wenn ich jetzt erst nach und nach erfahre, was eigentlich zu tun ist, dann habe ich mich für eine Stelle entschieden, die ich, hätte ich diese Informationen früher gehabt, gar nicht angenommen hätte. (Alternativen hätte es gegeben.)

So, vielen Dank fürs Lesen bis hier hin! :wink:

Ich frage mich nun: Was kann man begründet von mir verlangen? Muss ich all die Aufgaben, die mein Vorgänger erledigt hatte, ebenfalls übernehmen, obwohl ich davon bis heute offiziell nichts wusste und im Zielvereinbarungsgespräch auch nichts davon gesagt wurde? Wer ist hier eigentlich unkollegial - der überforderte Kollege oder ich? (Ist keine rhetorische Frage.) Wäre der naheliegende Kompromiss, dass ich einen Teil der Aufgaben übernehme, aber auch klare Grenzen aufzeige?

Viele Grüße
Cyb
itsme

Re: Neu am Institut: Aufgabenverteilung

Beitrag von itsme »

:? Wenn du nicht explizit von einer Chefin gesprochen hättest, dann hätte ich vermutet, dass du mein Nachfolger geworden bist ... . Da ich mich eher in der Situation deines Kollegen befand, kann ich vielleicht hilfreiche Anmerkungen machen. Zunächst mal
Cybarb hat geschrieben: Wer ist hier eigentlich unkollegial - der überforderte Kollege oder ich? (Ist keine rhetorische Frage.)
ist sicher eine berechtigte Frage, bringt dich m.E. aber nicht weiter. Denn da steckt ja schon eine Wertung drin, die den Blick auf die Problemlösung verstellen kann. Du hast ein berechtigtes Anliegen, dein Kollege auch. In meinem Fall war es so, dass ich mich jahrelang am Lehrstuhl aufgerieben habe, in der Hoffnung, mir so die Aussicht auf eine wissenschaftliche Laufbahn zu erarbeiten, während eine unmittelbare Kollegin ihre eigene Arbeit in den Vordergrund gestellt hat und die Stelle eher als Stipendium zur eigenen Qualifikation genutzt hat. Im Ergebnis sind wir beide "raus" (sie hat die Diss ordentlich versemmelt), aber so weit ich weiß, hat sie nicht halb so sehr mit dem Fall-Out zu kämpfen wie ich.

Anstatt dass ich ihr ihr Verhalten noch nachtrage, bereue ich es sehr, dass ich es nicht auch so gehandhabt habe - kann es heute aber nicht mehr ändern und kann mich leider auch noch zu gut daran erinnern, wie brachial ich in die Orga-Aufgaben gedrängt wurde. Am Ende ist die Aufgabenverteilung über die Mitarbeiter nicht deine Aufgabe, sondern die der Abteilungsleitung. Nur wissen wir ja alle zu gut, dass Führungskompetenz und Interesse an Ausgleich und Fairness im Berufungsprozess eine untergeordnete Rolle spielen, deswegen hilft es auch nichts zu lamentieren, dass die Chefin im Vorstellungsgespräch ganze Aufgabenkomplexe "vergessen" hat. Ich hab damals meinen Chef mehrfach gebeten, eine Liste der regelmäßigen Orga-Aufgaben zu erstellen (Institutshomepage, Veranstaltungsreihe, Klausurplanung, ...), so dass sich jeder Mitarbeiter auf einer etatisierten Stelle eine oder zwei Aufgaben aussuchen kann. Hat er nicht getan.

Heute ärgere ich mich, dass ich nicht einfach an ihm vorbei eine Abteilungssitzung einberufen habe und die Problematik offengelegt habe, um die Sache wenigstens mit größtmöglicher Transparenz zu lösen. Und vielleicht ist das die Lösung: Der Kompromiß, den du ja auch siehst, allerdings möglichst formalisiert und fixiert. Also keine individuelle Absprache mit dem Kollegen, an die sich jeder dann doch anders erinnert, sondern die Einbeziehung aller Mitarbeiter, mit der klaren Aussage, dass sich das Gefüge durch deine Anwesenheit ja jetzt ändert (gerade in einer kleinen Abteilung). Einen Teil der Aufgaben übernimmst du, ein Teil verbleibt beim Kollegen, ein Teil geht vllt. auch an die Chefin. Anderes lässt sich vllt. ganz delegieren oder sogar streichen (z.B. kann die Institutshomepage auf die persönlichen CV zurückgefahren werden) - ist eh' ganz sinnvoll solche Aufgaben mal kritisch zu hinterfragen. Und vllt. kannst du in der ganzen Sache auch die Gelegenheit sehen: Wenn du deutlich machst, dass du erkennst, in welcher Zwangslage dein Kollege ist, ohne zu werten und Dinge zu thematisieren, die eh' nicht mehr geändert werden können, und Vorschläge zur zeitlich begrenzten Übernahme von Aufgaben machste, damit er seine Qualifikationsarbeit in trockene Tücher bringen kann, dann gewinnst du im Zweifelsfall einen Fan, der noch sehr nützlich sein kann.
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