Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

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Naemi

Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von Naemi »

Hallo,

ich bin neu hier und auch erst vor Kurzem angestoßen worden, mich mit dem Thema Promotion zu beschäftigen. Ich bin seit Kurzem Wissenschaftliche Mitarbeiterin und hatte bisher eigentlich nicht den Wunsch meine Karriere um einen Doktortitel zu erweitern. Da ich nun aber die Möglichkeit habe, versuche ich Vor- und Nachteile abzuwägen, vor allem weil ich glaube, dass der Titel auch ein Hindernis außerhalb von Universitäten sein könnte.

Ich habe Medientechnik bzw. Audiovisuelle Medien an je zwei Hochschulen studiert und mit einem M. Eng. abgeschlossen, es ist also eher ein sehr praktisches Gebiet, in dem es z. B. darum geht, gute Filme durch ansprechende Gestaltung und entsprechende Technik zu produzieren. Es handelt sich also um die Medienbranche und in der freien Wirtschaft könnte ich grob gesagt in Videoproduktionsfirmen oder beim Fernsehen arbeiten. Irgendwann sind meine 6 Jahre an der Uni vorbei und wenn ich nicht vorhabe Professorin zu werden, müsste ich die Uni ohnehin verlassen oder? Das bedeutet dann - freie Wirtschaft und das in einer relativ kleinen Großtadt, in der die Medienbranche nur rar ausgebildet ist (ich möchte aus familiären Gründen hier bleiben).

Hier sehe ich das Problem, dass ein Doktortitel vielleicht abschreckt - getreu dem Motto: "Die kann nur Theorie, ist überqualifiziert und will zuviel Geld - ich nehme lieber einen Praktikanten". Eine Art Netzwerk oder Forum für die Medienbranche, in der man derartige Fragen stellen könnte, habe ich auf meiner Suche bisher leider noch nicht finden können. Nun suche ich also hier Rat - Hat man mit einem Doktortitel in der freien Wirtschaft bei kleinen oder mittelständischen Medienunternehmen überhaupt noch eine Chance? Außerdem frage ich mich, ob es in so einem praktischen Bereich überhaupt sinnvoll oder üblich ist eine Doktorarbeit zu schreiben bzw. welches Thema überhaupt für eine Dissertation würdig wäre...?

Hört sich vielleicht alles etwas schwammig an, aber im Prinzip geht es um die Frage - Nützt mir die Quälerei tatsächlich etwas und ist nicht nur ein schöner schmückender Namenszusatz? :roll:
Kullerauge

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von Kullerauge »

Hallo!
Ich kann dir nicht sagen, ob ein Dr. In der Medienwirtschaft hinderlich oder nicht ist. Aber du müsstest den Grad ja nicht vor dir hertragen...
Viel wichtiger erscheint mir, ob du es möchtest. Hast du Kraft, interesse, Wille und ein Thema? Mir scheint, dies ist etwas, was du eher mit dir selbst ausmachen müsstest. M.E. genuegen extrinsische Motivationen hier selten. Außerdem ist es vielleicht noch die Frage, ob von dir die Promotion erwartet wird. Schließlich sitzt du offenbar auf einer festen WiMa-Stelle für 6 Jahre. Die sind i.d.R. zur Qualifiktion gedacht.
Alles Güte!
bbb

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von bbb »

@Naemi:
ich komme auch aus den Ingenieurwissenschaften und habe in KMU genau die Haltung "Dr.Titel = abschreckend" kennen gelernt, die Du befürchtest:
einen Promovierten (bzw. "fast Promovierten") halten viele für zu theoretisch, überqualifiziert und im Arbeitsalltag nicht einsetzbar, zu teuer, strebt Führungslaufbahn an und ist für Fach-Laufbahn mittelfristig nicht zu halten, evtl. auch ein Job-Hopper, der dann nach 2 J. sich die nächste Karrierestufe anderswo sucht ...

Mit Deinem Fachbereich kenne ich mich überhaupt nicht aus, aber gerade wenn Du regional sehr gebunden bist, kann die Jobsuche besonders schwierig werden - zumal sich kleine Unternehmen in einer Region oft kennen. Wenn es Dir beim einen nicht gefallen hat, kommst Du evtl. auch nicht mehr in die anderen rein!

Wegen geeigneten Netzwerken, um Deine Frage zu stellen:
Es muss ja kein Online-Forum sein - das beste wäre sicherlich, mit entsprechenden Personen oder Entscheidern Kontakt aufzunehmen, z. B. Entscheider aus den Unternehmen oder Institutionen, in denen Du später mal arbeiten möchtest.
Ich würde da allerdings nicht mit Deinem TOP-Arbeitgeber beginnen, sondern erst mal mit der "zweiten oder dritten Wahl" - a) um Erfahrung mit dieser Art der Kontaktaufnahme und den Fragen/Antworten zu sammeln und b) um es Dir nicht vielleicht sogar von vornherein beim Traum-Arbeitgeber zu verscherzen :D

Die Frage ist für mich auch schon, inwiefern die 6 Jahre Tätigkeit als WiMi Dir in der Industrie wohlmeinend angerechnet werden.
Nach meiner Erfahrung im Ingenieurbereich zählen solche Tätigkeiten bei der Jobsuche in der Industrie in der Regel nicht wirklich als "Berufserfahrung" .

Jedenfalls viel Glück/Erfolg bei Deiner Recherche und Entscheidung!
Eva
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Hat sich bedankt: 5 Mal
Danksagung erhalten: 26 Mal

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von Eva »

@Naemi: Ich habe mich beim Lesen deines Posts gefragt, warum du eigentlich nicht jetzt, nach deinem Abschluss, versuchst, in dem Bereich Fuß zu fassen, wo du arbeiten möchtest, sondern dich selbst auf der Uni als WiMi zwischenparkst? Nach meiner Erfahrung warten die Leute nicht auf einen (Filmbranche stelle ich mir da nicht so viel anders vor wie alles, was für Geisteswissenschaftler so in Frage kommt), zumal du ja auch noch örtlich gebunden bist, es wird also in 6 Jahre nicht leichter als jetzt. Tatsächlich frage ich mich von außen genau wie du selbst: "Was soll ihr der Dr.Titel bringen?". Und daran anschließend die Frage: Warum machst du jetzt diesen Job an der Uni? Bietet der Brücken in eine spätere Anstellung in der Wirtschaft? Und ja, die Diss ist (manchmal, oft, immer wieder - aber nicht nur!) eine Quälerei, du solltest also schon gute Gründe haben, mit denen du dich selbst aus den Motivationskrisen wieder rausziehen kannst.
bbb

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von bbb »

@Eva:
du hast wie immer sehr direkt auf den Punkt gebracht :blume: , was ich etwas diplomatischer formuliert aber genauso gemeint hatte.
:mrgreen:
tara

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von tara »

Nützt mir die Quälerei tatsächlich etwas und ist nicht nur ein schöner schmückender Namenszusatz? :roll:
Wenn Du es als Quälerei empfinden würdest, halte ich es nicht für sinnvoll. Natürlich ist es Arbeit und man macht
auch sachen, die einem keinen Spaß machen, aber im Großen und Ganzen sollte die Freude an der Promo im
Vordergrund stehen....
Naemi

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von Naemi »

Vielen Dank für Eure Antworten, Anregungen und offenen Fragen, die versuchen möchte, zu beantworten.

Warum "parke" ich als WiMi an einer Uni "Zwischen" - Nun, das ist etwas kompliziert zu erklären. Einerseits, weil ich auch in großen Städten wie Hamburg oder Köln nur enttäuschende Jobangebote bekam, bei denen ich mir das Studieren hätte sparen können und somit froh war, in meiner Stadt eine Chance zu bekommen. Wer würde seinen ersten und auch noch gutbezahlten Job ausschlagen?! Es geht erstmal weiter bzw. überhaupt los - einen Einstieg finden war erstmal das Wichtigste!
Andererseits war es von mir nicht geplant WiMi zu werden, denn eigentlich hatte ich mich initiativ als Leiterin des TV-Studios der Uni beworben - was ich letzten Endes durch einen glücklichen Zufall auch geworden bin. Mein Vertrag läuft aber keine 6 Jahre, sondern nur bis Ende 2014 da es sich um einen projektbezogene Anstellung handelt. Dieses Projekt gibt allerdings kein Promotionsthema her und ist auch von meiner Seite her eher uninteressant. Und da haben wir das Problem: Ich (und mein Arbeitgeber) habe keine Ahnung, ob es Ende 2014 für mich hier irgendwie weitergehen kann und wenn ja, ist immernoch fraglich, ob als WiMi oder nicht nur als Technikerstelle, die von der Uni selbst bezahlt werden müsste - insofern der Prof nicht ein neues Projekt aus dem Ärmel schüttelt, das zu meinen Qualifikationen passt! Und wenn nicht, wird es denke ich mit einer Promotion schwierig! Sowohl zeitlich als auch finanziell! Und parallel bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten, halte ich auch für schwierig - es sei denn, ich betreibe die Forschung "für ihn" und "in" seiner Firma und erledige noch 1000 andere Dinge gleichzeitig.

Wird von mir eine Promotion erwartet - Ich sage jetzt mal nein, da sich mein Arbeitgeber auch bewusst ist, dass Ende 2014 für mich Schluss sein könnte und er mich auch nicht mit diesem Ziel eingestellt hat, aber sicher nix dagegen hat, wenn ich es dennoch will. Außerdem bin ich eher etwas fachfremd was die Professur betrifft, was aber einen Kollegen, dem es ebenfalls so geht wie mir, nicht davon abgehalten hat zu promovieren. Auch sonst gibt es keinen Kollegen der nicht promoviert, allerdings haben diese auch das entsprechende Fach studiert und diese erwarten schon von mir, dass ich mich zumindest mal mit Thema beschäftige. Das sehe ich ein, denn wenn man schon mal die Chance hat, sollte man sehen, ob und wie man sie am besten nutzen kann. Meine Arbeit ist aber eben eher praktischer Natur und sieht kaum eine Notwendigkeit, Paper zu schreiben oder große Forschungen zu betreiben.

Habe ich ein Thema, bin ich motiviert und will es es - Ich gehe eigentlich immer mit der Einstellung ran: Nimm was du kriegen kannst, du weißt nie wofür es gut ist und bin damit bisher auch immer gut gefahren - soll heißen: ja ich denke schon, dass ich promovieren möchte, ABER da sind eben erstmalig Bedenken das mitzunehmen was ich kriegen kann (quasi die Promotion), da ich Angst davor habe, durch die hohe Qualifikation abgelehnt zu werden (weil die Notwendigkeit auch nicht so stark gegeben ist wie bspw. in einem medizinischen Beruf) und mir umsonst das Leben schwer gemacht zu haben - wie ich bereits in meinen ersten Post versucht habe zu erklären.
Was die Themenwahl betrifft, bin ich absolut ratlos, zumal mir auch noch der Überblick fehlt, welche Fragestellung einer Promotion vor allem in meinem Gebiet würdig wäre oder wie man zu seiner Forschungsfrage kommt! Allerdings wird sicher auch keiner von euch sein Thema innerhalb von ein bis zwei Monaten gefunden haben... viel länger beschäftige ich mich noch nicht mit der Möglichkeit der Promotion. Ich bin daher noch sehr unsicher, was mich erwartet. Ich weiß, dass es viel Arbeit bedeutet und ich auch das Thema finden muss, das mich motiviert alles durchzuhalten und mir vielleicht sogar Spaß macht! Aber wo fängt man da an zu suchen?!
Die Motivation kommt denk ich mit dem Thema, momentan suche ich noch nach dem "Nutzen" des Ganzen, weil es ist ja viel Arbeit, Zeit und Nerven, die man da reinsteckt und wenn ich am Ende wieder nur enttäuschende Jobangebote bekomme, die ich gleich nach dem Abi hätte annehmen können, verpasst einem das schon von Anfang an einen gewissen Dämpfer... Traurig aber wahr!

Meinung der Arbeitgeber einholen - Entsprechende Arbeitgeber befragen gestaltet sich ebenfalls schwierig, da es hier nicht so viele gibt ^^ Und die Firma, die ich befragt habe, weil ich sie kenne, meinte nur, dass nicht der Doktortitel entscheidet, sondern das Können. Verständlich. Und mir kam es auch so vor als würde man mich dann als zu überqualifiziert und "nicht brauchbar" ansehen. Und auch finanziell würde ich keinesfalls besser bezahlt werden als eine Person, die ihre Ausbildung abgeschlossen hat - grob gesagt. Außerdem habe ich diverse große Sendeanstalten per E-Mail gebeten, mir eine ganz kurze Einschätzung zu geben, aber da kommt natürlich keine Reaktion - die haben ja auch besseres zu tun als sich mit mir kleinem Licht zu beschäftigen... Eine Art Forum der Medienbranche konnte ich ja wie gesagt bisher noch nicht auftun und entsprechende Konferenzen oder Veranstaltungen sind mir bisher verwehrt geblieben.

Ob meine Zeit von künftigen Arbeitgebern positiv gesehen wird - das vermag ich nicht zu sagen. Ich kann nur sagen, dass ich sehr viel praktisch und eigenverantwortlich arbeite und drei Hiwis anweise. Daher würde ich schon denken, dass es mit dem Berufsalltag eines mittelständischen Unternehmens vergleichbar ist, da ich prinzipiell (außer ausgedehnte Kostenrechnung...) die gleichen Aufgaben erfülle. Und ich kann auch sagen, dass ich bereits nach einem halben Jahr viel sicherer geworden bin und viel dazu lerne - Learning by Doing eben.

Bald werde ich mich vom Studentenservice zum Thema Promotion beraten lassen, aber mehr als die allgemeinen Dinge werde ich dort auch nicht klären können. Ich bräuchte wirklich Jemanden, der in der Branche ist um ihn zu befragen wie er die Reaktionen auf seinen Doktortitel. Ich selbst würde den Doktortitel nicht vor mir "hertragen" oder damit rumprahlen, sagt er doch letzten Endes nicht viel über mein tatsächliches Können aus, aber sollte es nicht dennoch etwas sein, auf das man stolz sein kann statt zu versuchen, ihn im Lebenslauf runterzuspielen um keinen abzuschrecken?! Das ist doch irgendwie auch nicht Sinn der Sache :-(
Naemi

Re: Promotion sinnvoll oder eher hinderlich?

Beitrag von Naemi »

Es würde mir auch schon helfen, wenn mir Jemand ein entsprechendes Forum mit Dissertationen oder Konferenzen oder Netzwerke im Medienbereich nennen könnte oder auch nur eine Übersicht oder irgendwas, wo ich etwas weiter recherchieren könnte... Ich weiß nicht so recht, wo ich danach suchen soll - google hat mich noch nicht wesentlich weiter gebracht, wahrscheinlich geb ich einfach falsche Suchbegriffe ein oder in meiner Branche ist promovieren wohl nicht so vertreten... Ich hoffe, auf ein geeignetes Thema zu stoßen oder zumindest erstmal einen Eindruck zu bekommen, was in meiner Branche üblich ist, wie praktisch die Arbeit sein kann etc. Vielleicht treffe ich dort auch auf Jemandem, der vor der gleichen Frage stand und man könnte Erfahrungen und Optionen austauschen... Danke.
Gesperrt
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