Kumulative Dissertation (Jura)

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ostsee_jur

Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von ostsee_jur »

Guten Tag und Hallo,

bei den Juristen ist eine kumulative Diss. noch sehr ungewöhnlich und wird nur von wenigen Unis angeboten. Hat jemand, gern deshalb auch aus anderen Fachbereichen, Erfahrungen damit?
Der Zeitaufwand ist ja letztlich sicherlich ähnlich zu einer "üblichen" Diss als Monographie?
Was würdet ihr empfehlen, welche Eindrücke habt ihr?

Wenn hier ein Jurist mitliest: Wie kommt der Wunsch nach einer kumulativen Diss. an der Fakultät an? Wie wird man gesehen, als jemand, der es sich einfacher machen möchte? Diesen Eindruck möchte ich gern vermeiden, ich will nicht nur einen Titel erschlagen, aber auch nicht fürs Archiv schreiben...
nimrud

Re: Kumulative Dissertation

Beitrag von nimrud »

hey ostsee_jur,

ich bin zwar aus einem völlig anderen metier aber ich kenne es eigentlich eher so, dass die diss als schlüssel zum publizieren gedacht is. damit zeigst du, dass du dein handwerk verstehst und danach kannst du zeitschriftenartikel verfassen, bis der arzt kommt. mit einer kumulativen diss zäumst du das pferd ja theoretisch von hinten auf, indem du durch das veröffentlichen promovierst und nicht durch das promovieren veröffentlichst. sicherlich mag das hier und da der etwas angenehmere weg sein (ich persönlich würde mich auch dafür entscheiden, wenn ich die wahl hätte aber ich habe auch die aufmerksamkeitsspanne eines eichhörnchens :D). auch wenn es in anderen ländern so gehandhabt wird, denke ich nicht, dass deutschland diesbezüglich schon so weit ist. du kannst es natürlich auch so machen (jetzt kommt ein sehr einfach gestricktes bsp.): schreib 4 potenzielle dvs an und frag zwei, was sie davon halten. wenn die das nicht wollen, haste bei denen zwar keine guten karten mehr aber es gibt dann ja noch die anderen beiden ;) würde mich übrigens wirklich interessieren, ob das in anderen fächern klappt!
ostsee_jur

Re: Kumulative Dissertation

Beitrag von ostsee_jur »

Nun ja, das hängt nicht von den DV ab, sondern von den Promotionsordnungen. Und die lassen das in Deutschland bereits vielfach zu, sowohl für Juristen, als auch für BWLer (zB Kiel) oder für Naturwissenschaftler.
Mir ging es weniger um die Frage, ob es das gibt (das habe ich vorher recherchiert), sondern, ob Erfahrungswerte vorliegen...
Sebastian
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Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von Sebastian »

Ein paar allgemeine Erfahrungen gibt es in diesem Thread und hier, hier im Forum werden "kumulierte Diss" und "kumulative Diss" gleichermaßen benutzt (für die Suchfunktion).

Mein erster persönlicher Impuls als Jurist ist immer noch der, dass da jemand den leichten Weg nehmen möchte.

Bei genauerer Betrachtung könnte es aber sogar sein, dass eine kumulierte Diss in zeitlicher Hinsicht sowohl vom Gesamtaufwand als auch von der Gesamtdauer her mühsamer ist.
Die zeitliche Dauer der Gesamtaktion scheint mir - ohne nähere Prüfung - problematisch, denn Du bist u.U. gleich mehrmals davon abhängig, dass und wann Deine Artikel auch tatsächlich veröffentlicht werden (falls die PromO nicht "eingereichte" oder "angenommene" Artikel ausreichen lässt). Mein bislang einziger Zeitschriftenartikel z.B. wurde erst über ein Jahr nach der Fertigstellung und Einreichung auch gedruckt - und das noch nicht einmal in einer 1a-Zeitschrift.
Soweit ich weiß, müssen die Artikel zudem in einen inhaltlichen Zusammenhang gestellt werden. Das macht es ja noch einmal schwieriger, denn wenn Du mit Thema 1 bei Zeitschrift A gelandet bist, mußt Du es später auch noch schaffen, die Themen 2 und 3 bei B und C unterzubringen, woran die nach Deinem Artikel 1 evtl. gar kein Interesse mehr haben. Keine Ahnung, ob ein Doktorvater Dir bei dieser Plazierung helfen kann.

Viel Erfolg!

Sebastian
ostsee_jur

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von ostsee_jur »

Das war auch mein erster Eindruck, als ich davon das erste Mal gelesen habe. Eine kleine Abwehrreaktion!
Aber ich teile deine Grundeinstellung, dass es letztlich wohl eher mehr Arbeit ist, gerade, weil die eigenen Artikel gleich mehrfach überprüft werden und man das Veröffentlichungsrisiko trägt.

Ich fand es deshalb auf den zweiten Blick ansprechend, weil dann eben weniger die Gefahr besteht, dass man nur fürs Archiv der jeweiligen Bibliothek schreibt. Das wäre schade...
epikur
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Registriert: 27.03.2011, 12:50
Status: Dr. phil.

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von epikur »

Hallo ostsee_jur,

ich promoviere kumulativ in Psychologie, da ist es inzwischen nichts Ungewöhliches mehr. Mein DV hat es mir sogar "sehr nahegelegt". Generell habe ich nicht den Eindruck, daß kumulative Dissertationen in dem Ruf stehen, "dünne Bretter" zu sein, auch wenn Lieschen Müller denken könnte, es sei einfacher, 2-3 Artikelchen zu schreiben, als eine mehrere hundert Seiten lange Monographie.
Das Gegenteil ist m.E. der Fall! Zunächst einmal ist es grundsätzlich viel schwieriger, seine komplexen und umfangreichen Forschungsergebnisse in kurzen Zeitschriftenartikeln auf wissenschaftlich hohem Niveau gut und verständlich darzustellen, als ausführlich in einer Monographie. Man muß viel fokussierter und struktuerierter schreiben und die Dinge viel besser auf den Punkt bringen können!
Zudem birgt eine kumulative Diss viel mehr Unwägbarkeiten und kann sich auch zeitlich unabsehbar hinziehen. Das ewige Warten und die Ungewissheit, wann die Gutachten kommen und wie sie ausfallen werden, ist auch seelisch eine harte Belastungsprobe. Außerdem begibt man sich in die Abhängigkeit von viel mehr Leuten, die garantiert etwas zu meckern finden. Wer glaubt, daß es dabei ausschließlich um rein wissenschaftliche Qualtiätskriterien geht, glaubt auch an den Osterhasen...!
Insofern ist eine Monographie letztlich nicht nur einfacher zu schreiben, sondern v.a. viel besser planbar, steuerbar und prognostizierbar, als eine kumulative Dissertation.
Das schöne Gefühl, eines Tages die Zeitschrift mit dem eigenen Artikel in den Händen zu halten, der von vielen Kollegen mit Interesse gelesen wird, anstelle einer dicken Schwarte, die höchstwahrscheinlich im Magazin der Uni- Bibliothek vergilbt, ist andererseits unbeschreiblich...!

Überlege Dir also gut, worauft Du Dich einläßt...!

Schönen Gruß

epikur
ostsee_jur

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von ostsee_jur »

Vielen Dank für deine schnelle und ausführliche Antwort! :)

Wie hast du denn die Themen deiner Aufsätze verklammert?
surcam

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von surcam »

ein kleiner Hinweis zu der Praxis bei juristischen Zeitschriften: Im deutschsprachigen Raum gibt es bei den juristischen Fachzeitschriften in der Regel kein peer review. Es gibt auch in der Regel keine Gutachten. Meist schickt man seinen Beitrag an eine Redaktions-E-Mail-Adresse. Wenn man Kontakte zu einem Redakteur einer Zeitschrift hat, auch an ihn persönlich. Vitamin B und so ... Von der Redaktion geht das dann an eine für das Fach- oder Regionalgebiet zuständige Person. Und die entscheidet dann, ob es angenommen wird oder nicht. Evtl. gibt die Person dann noch kleine Hinweise zur Verbesserung. Aber "Gutachten" wie in anderen Wissenschaften gibt es nicht.

Mit der Dauer der Veröffentlichung kann das erheblich variieren. Extreme bei mir waren 7 Monate warten bis zur Veröffentlichung und 1 Monat (wegen Einsendung nach Redaktionsschluss ...). Das kommt allerdings auch sehr auf die Aktualität des Beitrages an. Und -- nicht zu vergessen -- auf die Bekanntheit des Autors.

Beachte auch, dass es grundsätzlich einfacher ist, den Beitrag in eine Zeitschrift zu bekommen, wenn man Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Assistent ist. Als Referendar oder Assessor ist es meines Erachtens etwas schwieriger.
ostsee_jur

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von ostsee_jur »

Ich habe bisher erst einmal etwas in einem Jahrbuch veröffentlich, das dauerte dann natürlich noch länger; war aber dank der besonderen Umstände in einem Jahrbuch auch 50 Seiten lang...

Ich ging bisher daovn aus, dass zumindest die größeren Zeitungen eine Peer Review machen. Danke für den Hinweis!
holladiewaldfee

Re: Kumulative Dissertation (Jura)

Beitrag von holladiewaldfee »

Hallo,

ich promoviere auch kumulativ (in Skandinavien) und gebe gern noch meinen Senf dazu.
Der Zeitaufwand ist ja letztlich sicherlich ähnlich zu einer "üblichen" Diss als Monographie?
Ja, das sehe ich auch so. Hier promovieren in bestimmten Faechern ALLE kumulativ, und die Dauer liegt so bei 4-6 Jahren (offiziell werden oft 3- oder 4-Jahres-Vertraege vergeben, der 4-Jahres-Vertrag beinhaltet Lehre.)
Was würdet ihr empfehlen, welche Eindrücke habt ihr?
Ich finde es super!! Das "zwischendurch Veroeffentlichen" motiviert eben, bei der Stange zu bleiben, ausserdem bekommt man sehr viel Feedback von Leuten, die zu aehnlichen Themen forschen.
Wie wird man gesehen, als jemand, der es sich einfacher machen möchte? Diesen Eindruck möchte ich gern vermeiden, ich will nicht nur einen Titel erschlagen, aber auch nicht fürs Archiv schreiben...
Ich habe den Eindruck, dass (auch hier im Forum) eine kumulative Diss eher bei anderen Doktoranden schlecht angesehen ist als bei Professoren etc. Viele sind eben (zu recht) stolz darauf, > 300 Seiten geschrieben zu haben, vergessen dabei aber, dass es auch gut und gerne mal ein Jahr dauert, bis man ein 6-10-seitiges Paper fuer ein Peer-Review-Journal fertig hat. Und dann schicken es ja die meisten Journals nochmal zurueck, entweder mit der Bitte um Ueberarbeitung (was auch meist mehrere Wochen kostet) - oder sie lehnen es direkt ab.

Alle Kumulativ-Promovierenden, die ich kenne, haben fast zwei Jahre bis zu ihrer ersten Publikation (Einreichung!) gebraucht. [Einige Journals lassen uebrigens parallele Submissions bei mehreren Journals zu.]
Sebastian hat geschrieben:Bei genauerer Betrachtung könnte es aber sogar sein, dass eine kumulierte Diss in zeitlicher Hinsicht sowohl vom Gesamtaufwand als auch von der Gesamtdauer her mühsamer ist.
Die zeitliche Dauer der Gesamtaktion scheint mir - ohne nähere Prüfung - problematisch, denn Du bist u.U. gleich mehrmals davon abhängig, dass und wann Deine Artikel auch tatsächlich veröffentlicht werden (falls die PromO nicht "eingereichte" oder "angenommene" Artikel ausreichen lässt). Mein bislang einziger Zeitschriftenartikel z.B. wurde erst über ein Jahr nach der Fertigstellung und Einreichung auch gedruckt - und das noch nicht einmal in einer 1a-Zeitschrift.
Das kann ich bestaetigen, haengt aber von der Pruefungsordnung ab. Bei uns z.B. reicht es (soviel ich weiss), wenn ein Paper einmal eingereicht wurde, auch wenn es abgelehnt wurde. Allerdings musste ich mich (gluecklicherweise) nie durch einen 5xResubmit-Prozess quaelen, da unsere beiden Papers direkt angenommen werden. Ein Trick, um die Reaktionszeit der Journals ein bisschen zu verkuerzen, ist, bei Konferenzen einzureichen, die alle angenommenen Papers in einer Sonderausgabe eines Journals zu einem festen Termin veroeffentlichen. Weiss aber natuerlich nicht, wie das bei Euch Juristen ist.
Sebastian hat geschrieben:Soweit ich weiß, müssen die Artikel zudem in einen inhaltlichen Zusammenhang gestellt werden. Das macht es ja noch einmal schwieriger, denn wenn Du mit Thema 1 bei Zeitschrift A gelandet bist, mußt Du es später auch noch schaffen, die Themen 2 und 3 bei B und C unterzubringen, woran die nach Deinem Artikel 1 evtl. gar kein Interesse mehr haben. Keine Ahnung, ob ein Doktorvater Dir bei dieser Plazierung helfen kann.
Das gerade finde ich eigentlich ganz sexy, denn man wird quasi durch die aeusseren Umstaende dazu gezwungen, einen knackigen roten Faden in der Diss zu haben. Ausserdem laesst sich die Diss dadurch thematisch besser abgrenzen.

Ich hatte nicht die Wahl, bin aber sehr froh, kumulativ zu schreiben. Dass meine Diss dann hinterher nur 60 Seiten haben wird (meine Masterarbeit hatte 160), werde ich wohl v.a. vor anderen Doktoranden verteidigen muessen (ich weiss nicht mehr, wer es hier im Forum schrieb, da werden Publikationen dann auch mal als "Bildungshaeppchen" bezeichnet :twisted: :twisted: ).

HTH,
holladiewaldfee!

EDIT

Ach ja @nimrud:
Ich fand diesen Gedanken hier
nimrud hat geschrieben: mit einer kumulativen diss zäumst du das pferd ja theoretisch von hinten auf, indem du durch das veröffentlichen promovierst und nicht durch das promovieren veröffentlichst.
recht interessant (er ist ja richtig), nur: Was ist so schlimm daran??
nimrud hat geschrieben:ich bin zwar aus einem völlig anderen metier aber ich kenne es eigentlich eher so, dass die diss als schlüssel zum publizieren gedacht is. damit zeigst du, dass du dein handwerk verstehst und danach kannst du zeitschriftenartikel verfassen, bis der arzt kommt.
Da setzt Du voraus, dass jeder Promotionsstudent eine wissenschaftliche Karriere anstrebt. Dem ist aber nicht so :!: :!: Uebrigens scheint Deine Shift-Taste zu klemmen. ;-)
Zuletzt geändert von holladiewaldfee am 06.03.2012, 11:51, insgesamt 2-mal geändert.
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