Ich und meine Problem. Welche Stelle soll ich nehmen?

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oclock
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Ich und meine Problem. Welche Stelle soll ich nehmen?

Beitrag von oclock »

Ich benötige mal wieder einen rat von euch.

In einem anderen Thread habe ich bereits meine Geschichte erzählt:
-bin seit ca. einem Jahr wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Uni
-DV wechselt Uni (500km weiter weg)
-Ich müßte (würde und möchte) am WE immer Pendeln (Freudin, Familie, Freunde), wenn ich mitgehe.
-wenn ich mitgehe will der DV, daß ich zusätzlich zum Lehrstuhlbetrieb an einem Graduiertenkolleg teilnehme (Dreifachbelastung: Lehrstuhl, Graduiertenkolleg, Pendelei)
-...

Ich habe mich dann auf die Suche nach Alternativen gemacht. Langer Rede kurzer Sinn:

An den Universitäten, die in Frage kämen, habe ich leider nichts passendes gefunden, aber ich hatte zwei Vorstellungsgespräche an externen Forschungsinstituten [Name entfernt von Sebastian]. Den Reaktionen und Aussagen der Abteilungsleiter zufolge haben sie einen sehr positiven Eindruck von mir. Allerdings bekomme ich erst in 2 Wochen eine Zu- bzw. Absage (weil die Stellen eine bestimmte zeit ausgeschrieben sein müssen...). Einer (Stelle 2, siehe unten) sagte mir aber "bevor ich mich für was anderes entscheide, soll ich ihn anrufen". Klingt doch gut :-)

Das es an einer Uni nicht klappt, ist für mich nicht soooo schlimm. Ich bin nicht mehr der jüngste und einen Job [an jenem externen Institut [Edit Sebastian], kann man gewinnbringend als "echte" Berufserfahrung verkaufen, während ich an der Uni nur mit Lehrveranstaltungen aufwarten kann.


Okay, aber hier fangen meine Probleme jetzt an.

Hier die Fakten der beiden Stellen:

Stelle 1 (85% Wahrscheinlichkeit, daß ich genommen werde)
-----------
Volle TVÖD Stelle
Abgabe Diss nach 4 Jahren, Promotion in 4,5 Jahren
Projekte != Diss
Eher viele kurze Projekte, als wenige lange (schlecht!)
Möglichkeit öfters zu publizieren (aber eher "national")

Stelle 2 (99.9% Wahrscheinlichkeit, daß ich genommen werde)
-----------
Volle TVÖD Stelle
Abgabe Diss nach 4 Jahren, Promotion in 4,5 Jahren
Projekte = Diss
Eher wenige lange Projekte, als viele kurze (gut!)
2 qualitativ hochwertige Publikationen pro Jahr (aber nicht mehr als 2!) erwartet, international


Prinzipiell spricht erstmal alles für Stelle 2, aber diese Stelle hat sehr wenig mit dem was ich bisher in meinem Lebenslauf stehen habe zu tun (habe bereits Berufserfahrung).
Stelle 2 ist sehr interdisziplinär und fände ich sehr interessant. Ich müsste allerdings viel neues dazulernen und könnte nur sehr wenig von meinem bisherigen Wissen verwenden (kann man als Nachteil oder Vorteil sehen).

Gegen Stelle 1 spricht, daß ich meine Diss mehr oder weniger in meiner Freizeit machen müsste, weil die Projekte sehr wahrscheinlich nicht viel hergeben (Studien erstellen und ähnliches). Ein Diss-Thema habe ich auch noch nicht, so daß hier die Gefahr besteht "zu versumpfen", Diese Stelle passt aber besser zu meinem bisherigen Werdegang.
Für Stelle 1 kann ich vieles, was ich bisher gemacht habe (Uni/Beruf) gebrauchen.


Ich würde gerne euere Antworten auf folgende Fragen lesen:

Nach der Promotion ist man Experte auf einem Gebiet. Wie wichtig schätzt ihr dieses Expertenwissen für die berufliche Laufbahn nach der Promotion ein? Ist es dann sehr schwer in einem anderen Bereich unterzukommen, als in dem man promoviert wurde?

Hat man einen _großen_ Vorteile, wenn das Expertenwissen, daß man sich während der Promotion angeeignet hat zum künftigen Beruf passt (nur Thematisch, die Diss geht ja meistens viel zu sehr in die Tiefe)? Oder haben auch Bewerber ohne Expertenwissen (aber Wissen durchaus vorhanden) eine Chance?

Sollte man bei der Wahl seines Forschungsgebiets die zukünftigen Berufsaussicht überhaupt berücksichtigen, oder lieber seine persönlichen Interessen ("das wollte ich schon immer mal wissen") nachgehen, weil man später dazu evtl. nie wieder Zeit dafür findet?

Sind "Knicks" im Lebenslauf überhaupt so tragisch? Mein Lebenslauf sieht ganz grob so aus:

Universität, Diplom
2,5 Jahre Industrie (bis hier siehts gut aus)
1 Jahr WiMa an Uni (Knick Nummer 1 Uni->Industrie->Uni)
4 Jahre Stelle 1/Stelle 2 (Knick Nummer 2 Uni->Industrie->Uni->Institut)
(Knick Nummer 3: Evtl. komplett anderes Gebiet)

Knick 1 kann ich gut erklären: Interesse an Forschung
Knick 2 geht auch grad so noch: DV hat Uni gewechselt, Habe Gelegenheit genutzt meine Situation zu überdenken, Uni is nix für mich, zu wenig Praxis blabla
Bei Knick 3 käme ich etwas in Erklärungsnot. "Rein aus Interesse" oder "Weil Projekte=Diss" sind meiner Meinung nach schlechte Argumente, die aber wahr wären.

Wie ihr seht, bin ich momentan ziemlich hin- und hergerissen und stehe wieder mal vor (für mich) schweren Entscheidungen. Vielleicht könnt ihr mir mal euere Einstellung/Sichtweise/Meinung zu meinem Problem schreiben. Bin für jeden Tipp/Fingerzeig dankbar.

Gruß,
oC
Edit Sebastian 4.8.: Habe aus Gründen der Diskretion und im wohlverstandenen Interesse von oClock sicherheitshalber mal zwei konkrete Bezeichnungen potentieller Arbeitgeber entfernt.
Melissa64

Beitrag von Melissa64 »

Kann dir keinen Rat geben, nur kurz meinen Gedanken, als ich deinen Beitrag las: Das ist ein Luxusproblem. Ich hätte gern mal an der Uni oder einem Forschungsinstitut gearbeitet, hatte aber nie die Chance, mache meine Diss allein extern ohne Stipendium oder Institutseinbindung. Du bist ein Glückspilz, dass du zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen kannst.

VG
Melissa
thori

Beitrag von thori »

@melissa64
Recht haste!

Grüße von einem extern Promovierten
oclock
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Beitrag von oclock »

@Sebastian:
Vielen Dank für das Editieren!

@Melissa:
Es hängt immer ein wenig vom Standpunkt ab. Ich bin bereits 31 Jahre alt und bin nicht unbedingt der "High Potential", der mit 25 fertig mit dem Studium war, x Jahre im Ausland verbracht hat etc.
Für Dich und andere mag mein Problem "lächerlich" oder wie "Luxus" klingen, für mich ist das Problem sehr gewichtig, weil es meine Zukunft erheblich beeinflussen könnte. Wenn ich fertig bin, werde ich ~35-36 Jahre alt sein. Was hilft mir der Dr. Titel, wenn mich dann niemand mehr will, weil: zu alt, Expertenwissen auf falschem Gebiet, Zick Zack im Lebenslauf etc.
Von meinem Standpunkt geht es nicht um Luxus. Es geht nicht darum wie ich mir die nächsten 4 Jahre am angenehmsten gestalten kann. Mein Problem handelt von der Zeit danach und womit ich mich besser verkaufen kann, bzw. womit ich mich überhaupt verkaufen kann. Es geht im weitesten Sinn ein wenig um meine Existenzängste. Und das als "Luxus" abzustempeln finde ich nicht ganz fair.

Ich weiß nicht von welchem Fach Du bist, aber in meinem Bereich sind WiMa Stellen echt keine Seltenheit. Geh doch mal auf die Seite der Institute und schau Dir die offenen Stellen an und schau mal, wielange die schon ausgeschrieben sind. Die meisten aus meinem Bereich gehen momentan in die Industrie, weil es dort mehr Geld gibt. Die Institute freuen sich, wenn sich mal jemand bei ihnen bewirbt, der nicht nur schreibt "ich interessiere mich ja so sehr für ihr Gebiet", sondern "ich habe schon dies und jenes gemacht und kann sehr gut dies und jenes und bin deshalb wie gemacht für sie".
Ich bin wirklich kein Glückspilz. Fast jedem anderen aus meinem Bereich (mit ein wenig Praxiserfahrung) würden diese Wahlmöglichkeiten ebenfalls offen stehen.

Das ich wählen kann ist aus meiner Sichtweise kein Luxus. Es war kalkulierbar. Aus Deiner Sichtweise mag das wie Luxus aussehen. Aber wie heisst es so schön "Das Gras beim Nachbarn ist immer grüner".

Gruß,
oC

PS: Das wir uns überhaupt erlauben können zu promovieren ist Luxus, nicht die Art und Weise wie man dieses Ziel erreicht.
la_potranca

Beitrag von la_potranca »

So, wie du die Sache beschreibst, glaube ich, dass du mit rationalen Überlegungen nicht weiterkommst. Beide Stellen haben ihre Vor- und Nachteile, und du wirst bei beiden Erfolg haben. Zudem weiß ich nicht, inwiefern sich deine jetzigen Vorüberlegungen dann mit der Realität der Stellen decken.

Lass mal zwei, drei Tage vergehen, und entscheide dann aus dem Bauch raus (notfalls: schmeiß ne Münze). Und dann zieh's so durch. Wenn du wirklich rational nicht weiterkommst, ist ne schnelle Entscheidung Gold wert - totüberlegen bringt dich nicht weiter.
way_up_north

Beitrag von way_up_north »

hello again oclock!

zunaechst @ melissa u. luxusdiskussion: ich denke, das ist (auch) wirklich eine frage des fachbereichs - ich meine mich aus oclocks letztem thread daran erinnern zu koennen, dass er aus einem technischen bereich kommt (?)- da sieht es mit den stellen wirklich anders aus als in den geistes- und sozialwissenschaften; d.h. es gibt mehr stellen und weniger bewerberInnen. das eine solches problem vielen aus den geistes- und sozialwissenschaften als luxusproblem erscheint, finde ich superverstaendlich - nichtsdestrotz ist es fuer betroffene ein ernsthaftes problem (btw ich selbst (sozialwissenschaften) stand auch schonmal vor dem problem einer entscheidung zwischen zwei stellen; und die entscheidung war wirklich sauschwer; egal ob luxus oder nicht ) genug dazu.

@ oclock: hmm, wenn ich das jetzt richtig interpretiere (?), sieht dein problem so aus: stelle zwei ist interessanter und bietet die besseren moeglichkeiten zum promovieren, du befuerchtest aber, "danach" schwierigkeiten mit dem wiedereinstieg in die wirtschaft zu haben; waehrend stelle eins besser in deine cv und deine schwerpunkte passt, aber nicht so interessant ist und schlechtere bedingungen fuers promovieren bedeutet; (ist das ungefaehr richtig?)
hmmm, zuerst mal: wuerde ich in deiner haut stecken, wuerde ich mich wohl fuer stelle zwei entscheiden - dafuer gibt es einige gruende:
1. es ist schwer genug sich ueber die lange diss-zeit zu motivieren, dranzubleiben; dies ist aber leichter, wenn mensch das thema wirklich superspannend und herausfordernd findet; und dies scheint mir (nach deiner beschreibung) bei stelle zwei mehr der fall zu sein.
2. stelle zwei scheint auch mehr neue (fachliche) herausforderungen zu bringen; nach meiner persoenlichen erfahrung bringt dies einen selbst wirklich enorm weiter; und es eroeffnet neue horizonte und moeglichkeiten.

zu deinen fragen: das mit den zukuenftigen berufsaussichten ist natuerlich auch eine sehr wichtige sache; und so wie ich dich verstanden habe, wuerde das eher fuer stelle 1 sprechen; zunaechst: es ist ehrlich gesagt schwierig dies als fachfremde person und ohne genaues wissen der inhalte zu beurteilen. und welches expertenwissen "danach" mehr bringt kann ich auch ueberhaupt nicht beurteilen.

ich moechte nur mal zu bedenken geben, dass kein mensch wissen kann, wie der arbeitsmarkt in 4 jahren aussieht und was dann gefragt ist; aus diesem grund wuerde ich persoenlich bei einer solchen entscheidung (und vor allem, weil die aeusseren bedingungen (bezahlung, vertragslaenge) ungefaehr gleich sind) immer nach interesse gehen.
aber das ist wirklich eine sehr persoenliche einschaetzung; die menschen sind da ja auch verschieden und dir sind vielleicht andere sachen wichtig; also - just my 2 (personal) cents ;)

ich schliesse mich la-potranca an: gruebel dich nicht tot . (insgesamt hoert sich beides doch sehr gut an)
oclock
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Beitrag von oclock »

hello way_up_north (again ;-))

vielen Dank, daß Du Dir so viel Mühe gibst, mein Problem zu verstehen und mir Deine Meinung dazu sagst (jetzt schon zum 2. Mal. Beim 3. mal halte ich um Deine Hand an *fg*).

Ja, Du hast das noch richtig in Erinnerung. Bin aus dem technischen Bereich. Informatik, um genau zu sein. Habe aber bisher immer gerne über den Tellerrand gekuckt. Deswegen hatte ich als Nebenfach Psychologie und meine Berufserfahrung war eher im Bereich Elektrotechnik angesiedelt.
Meine Studienschwerpunkte waren Kryptographie/Technische Informatik. Meine Diplomarbeit war im Bereich IT-Sicherheit/Elektrotechnik angesiedelt.

Stelle 1 wäre im Bereich Kryptographie/Technische Informatik.
Stelle 2 wäre im Bereich Informatik/Medizin.

Stelle 2 ist interdisziplinär, interessant und bietet bessere Promotionsmöglichkeit (weil Projekte=Diss). Hier habe ich aber eine sehr steile Lernkurve.
Stelle 1 ist "typisch Informatik", auch interessant, bietet aber schlechtere Promotionsbedingungen (Projekte!=Diss, Noch kein Thema). Dafür ist hier die Lernkurve flacher. Die Stelle (meine tägliche Arbeit) wäre also "leichter".


Zu Stelle 1 kann ich noch folgendes sagen:
Wenn ich Job-Suchmaschinen abklapper, dann finden sich in diesem Bereich etliche Ausschreibungen. Und ich denke realistisch, daß dieser Bereich auch immer gefragt bleiben wird.
Ausserdem ist ein Freund ebenfalls in diesem Bereich (er promoviert nächstes Jahr) und wir könnten uns durchaus vorstellen gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Auch während meiner Promotionszeit könnten wir zusammen publizieren, diskutieren, Ideen sammeln etc. (ob das alles tatsächlic so kommt, weiß natürlich niemand 100%)

Aus dem Bereich in dem Stelle 2 angesiedelt ist, finde ich so gut wie gar keine Stellenausschreibungen. Ich finde den Bereich in unserer Gesellschaft aber sehr wichtig, aber es ist halt ein Randgebiet. Dafür wissenschaftlich eine Herausforderung, ich würde sehr viel neues lernen und könnte über den Tellerrand blicken (im wahrsten Sinne des Wortes, würde auch bei OPs dabei sein :-)).

Ich denke, daß ich, im Gegensatz zu einer Uni-Stelle, beide Stellen (renomierte Institute) später als Berufserfahrung verkaufen kann. Schliesslich arbeite ich dort tatsächlich "richtig" und auch mit der Industrie zusammen. Es geht um Projekte, Geld, Termindruck, etc. :-) Also wie in einer "echten" Firma, Nur das ich hier auch einen Anteil Forschung habe.
Ich bin also später nicht 35/36 Jahre alt und kann keine Berufserfahrung vorweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Und das ist das, was beide Stellen sehr attraktiv für mich machen.

Das Wissen aus Stelle 1 könnte ich später "gewinnbringend" als Berufserfahrung verkaufen und es deckt sich mit meiner bisherigen Laufbahn.
Das Wissen aus Stelle 2 kann ich einfach "nur" als Berufserfahrung verkaufen und es verursacht einen Knick in meinem Werdegang. Die Berufsaussichten in diesem Bereich sehen eher schlecht aus und ich würde vermutlich nach der Promotion in einem anderen Bereich einen Job suchen (also wieder ein Knick im Lebenslauf).


Ist wirklich nicht leicht für mich momentan. Ich sollte wohl wirklich ein paar Tage verstreichen lassen und nicht weiter darüber nachdenken (ist aber nicht so einfach) und dann nochmal objektiv die Situation beurteilen. (An dieser Stelle auch ein liebes Dankeschön an la_potranca!).


Gruß,
oC
BobJames

Beitrag von BobJames »

Ich würde Stelle 2 nehmen weil du von den dort durchgeführten Projekten mehr Nutzen hast, auch wenn sie möglicherweise ein etwas anderen Forschungsschwerpunkt als dein bisheriger beeinhalten.
Falls Stelle 2 nicht klappt, würde ich Stelle 1 nehmen.
Falls Stelle 1 nicht klappt, würde ich dem Prof. folgen. Ein Graduiertenkolleg hat auch einen nicht zu verachtenden Nutzen.
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