Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

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Jane

Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von Jane »

Hallo Leute,

ich bin Absolventin und haben vor kurzem an einem Forschungsinstitut angefangen und hätte die Möglichkeit ein Forschungsprojekt als wiss. Mitarbeiterin in Vollzeit zu übernehmen, mit der Bedingung, dass ich "nebenher" promoviere. Mein Promotionsthema würde sich aus diesem Forschungspojekt ergeben.
Hat zufällig jemand von euch auf die Art und Weise promoviert und kann mir sagen ob da eine 60 Stunden Woche auf mich zukommt und ich für 3 Jahre kein Leben mehr haben werde? Zwar sammel ich alle notwendigen Daten für die Diss. durch das Projekt, aber die Schreibarbeit werde ich ja wahrscheinlich in meiner Freizeit machen müssen. Irgendwelche Erfahrungsberichte?

Danke schonmal.
Jane
Zuletzt geändert von Jane am 15.10.2010, 15:20, insgesamt 1-mal geändert.
AGH

Re: Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von AGH »

Erfahrung 1:

Ich hatte die Variante, ca. 50 Stunden Arbeit plus nebenher Diss, allerdings hatte meine Arbeit nichts mit der Diss zu tun. Also kommt es vielleicht nah an Deine 60 Stunden Arbeit und arbeits-naher Diss.

Was soll ich sagen?

Bei mir hat es funktioniert. Es war hart, keine Frage. Aber ich wollte unbedingt dieses Thema als Diss und konnte es nur extern machen. Aus finanziellen Gründen konnte ich aber auch nicht meine Arbeit reduzieren. Also war für mich klar, dass das mein Weg sein würde.

Ich glaube, andere Leute in meiner Rolle hätten gesagt, dass sie kein Leben mehr haben. Aber das ist Einstellungssache. Ein anspruchsvoller, schöner Job und eine erfüllende Diss - ist das kein Leben?

Ich muss aber auch dazusagen, dass mich mein Partner sehr unterstützt hat. Nie gab es Vorwürfe, dass ich zu viel oder zu lange arbeite oder so! Zu Geburtstagen oder anderen Anlässen bin ich immer gegangen, aber spontan einen Nachmittag lang etwas mit Freunden unternehmen gab es bei mir nicht. Allerdings war ich auch davor nicht die große Weggeherin. Ich habe halt mehr geplant, was Freunde und Familie betrifft, und zwischendurch dann halt lieber telephoniert. Auch das war aber kein Problem, meine Freunde und Familie hatten echt tolles Verständnis!

Wie intensiv es bei Dir wäre, weiß ich natürlich nicht. Ich schätze, bei Deinem Projekt kommst Du auf 40 bis 50 Stunden pro Woche, oder? Je nachdem, wie Diss-nah Deine Arbeit ist, würde ich noch einmal 10 bis 20 Stunden dazurechnen, also sind die 60+ Stunden eine ganz gute Schätzung, glaube ich!

Wenn das Umfeld aber passt, kann das gehen!

Liebe Grüße!
AGH
AGH

Re: Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von AGH »

Erfahrung 2:

Ich hätte bei einem Projekt regelmäßig 50 Stunden pro Woche arbeiten sollen und nebenbei zum gleichen Thema Diss schreiben sollen. Das hat allerdings gar nicht funktioniert. Es wurde immer mehr und mehr Projektarbeit, für die Diss war dann keine Zeit mehr. Vor allem hatte ich ungünstige Arbeitszeiten (auch Wochenendtermine), sodass ich nicht einmal 2 Tage hintereinander komplett frei hatte! Dadurch gab es kaum Erholung und gar keine Diss.

Es kommt halt nicht nur auf die Stunden, sondern einige andere Dinge an, finde ich.

Liebe Grüße!
AGH
bienah
Beiträge: 145
Registriert: 18.12.2009, 15:30
Status: fertig

Re: Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von bienah »

Liebe Jane

Hier noch meine Erfahrung: Ich promoviere seit 1/2 Jahr neben einem anspruchsvollen Vollzeitjob und komme inkl. Diss auf durchschnittlich knapp 70 Stunden/Woche (Erhebungszeitraum letzte 2 Monate). Meine Diss und mein Job hängen thematisch eng zusammen, was mir sehr hilft. Es wäre undenkbar, wenn ich mich in ein neues Gebiet einlesen müsste.
Meine Probleme sind die Folgenden:

- Es ist unglaublich schwierig, Dinge zu koordinieren, die unter der Woche zu Bürozeiten stattfinden müssen (z.B. Treffen mit DV etc.)
- Sowohl mein Arbeitgeber als auch mein DV haben das Gefühl, ich arbeite nur für sie, und ignorieren, dass ich neben ihrem Pensum auch noch ein weiteres Pensum habe. D.h. z.B. am Freitag kommen Anfragen, ob ich Montagmorgen mal eben kurz vorbeikommen kann.
- Beide Teams beschweren sich, dass ich nie da bin bzw. wenig Zeit zum Plaudern habe.
- Ich habe bewusst in Kauf genommen, dass ich an den Wochenenden arbeiten muss. Ferien vom Job nehme ich nur, um mich in Ruhe um die Diss-Dinge kümmern zu können.
- Privatleben gibt es in dem Sinn nicht mehr. Freunde/Familie müssen hinter einem stehen.

Wieso ich das mache:
- Ich liebe die Forschung und meinen Beruf
- Ich habe die Möglichkeit, mich mit unglaublich interessanten Leuten auszutauschen
- Es ist ein Privileg, eine Stelle in meinem Arbeitsbereich zu haben und es ist ein Privileg, promovieren zu dürfen
- Die Doppelbelastung bleibt "nur" noch bis Herbst 2011 bestehen, nachher habe ich "nur" noch Diss und Job wird Hobby
- Durch meine Arbeit und die Diss öffnen sich viele Türen für mein späteres Berufsleben

Ich denke, du musst für dich realistisch abschätzen, ob du der Typ dafür bist. D.h. die Beschäftigung mit deinem Thema muss dich irgendwie glücklich machen, denn sonst hast du immer nur vor Augen, auf was du verzichtest. Wenn Zeit für deine Freizeit/Privatleben/Freunde/Hobbies/Ferien essentiell für deine Lebenszufriedenheit sind, dann würde ich die Finger davon lassen. Und sonst lohnt es sich wirklich!

Viele Grüsse
Speedo

Re: Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von Speedo »

Hallo Jane,

ich habe auch meine Erfahrungen mit Vollzeitstelle und Promotion. Um das gleich vorne weg zu erwähnen: Ich habe es geschafft und habe auch schon meine Urkunde in Händen.

Ich habe eine Vollzeitstelle als Rechtsanwältin bei einem Private Equity Unternehmen, d.h. es ist eine sehr hohe Arbeitsbelastung und vor allem projektbezogen ohnehin schon mit sehr langen Arbeitszeiten verbunden. Dienst nach Vorschrift gibt es hier nicht. Ich habe den Traum der Promotion dennoch angegangen - mein Arbeitgeber wußte davon aber nichts.

Von der Beschreibung der Belastung kann ich mich Bierah nur anschließen. Die Promotion muss einem schon sehr wichtig sein, damit man das durchsteht. Und man muss sehr viel hinten anstellen. Außer ein wenig Sport, um dem Körper auch etwas gutes zu tun, gab es in der Zeit nichts. Da ich eine Wochenend(Pendel)Ehe führe, hatte ich die Woche unter frei zum austoben und mußte auf keinen Partner Rücksicht nehmen. Die letzten Monate habe ich dann die Wochenenden auch durchgearbeitet. Das war hart - aber da hatte ich das Ziel schon vor Augen, insofern hat das große Motivation gegeben.

Mein Thema hatte ich mir selbst ausgesucht und das war thematisch nahe an meiner Berufserfahrung. Ohne ein Thema, das ich praktisch vom Aufbau und dem Ergebnis schon fast im Kopf hatte, wäre es nicht gegangen. Und mein DV hat mir keine Steine in den Weg gelegt. Er war am Anfang sicherlich skeptisch, ob ich das hinkriege, aber er hat dann auch nach meiner Abgabe seinen Teil beigetragen und sehr schnell sein Gutachten geschrieben und den ZweitProf auch dazu angehalten, schnell zu arbeiten. Ohne eine solche mittelbare Unterstützung wäre es schwierig geworden, da der Zeitverzug Überarbeitungen der Diss verursacht hätte.

Quintessenz: alles eine Frage der Disziplin und der Motivation. Es ist sehr anstrengend, aber nicht unmachbar.

Ich drücke Dir die Daumen, dass es klappt.

Gruß
Jane

Re: Vollzeitstelle und nebenher promovieren?

Beitrag von Jane »

Vielen Dank für die Erfahrungsberichte. So in etwa habe ich mir das auch gedacht. Wie gesagt wüde sich das Thema der Diss. inhaltlich aus dem Projekt ergeben. Sonst würde ich es, denke ich, nicht machen. Außerdem ist das Projekt auf 2 Jahre angelegt und die Diss. auf 3 Jahre. Das heißt ich könnte für das 3. Jahr die Arbeitszeit evtl. runterschrauben. Ich hoffe nur, dass mich mein Arbeitgeber dann für das 3. Jahr weiter übernimmt. Mündlich wurde mir das zugesichert. Ich werde es wohl machen. So eine Chance sollte man sich besser nicht entgehen lassen.

Gruß
Jane
Gesperrt
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