Ratlos - Promotion ja oder nein?

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Hannes1981

Ratlos - Promotion ja oder nein?

Beitrag von Hannes1981 »

Liebes Forum,

in Hoffnung auf ein paar Ratschläge erzähle ich Euch kurz, was mich beschäftigt. Ich bin 29, habe ein geowissenschaftliches Studium an einer großen deutschen Universität 2008 sehr erfolgreich abgeschlossen und arbeite nun schon seit 2 Jahren im Risk Management eines großen renommierten Versicherungsunternehmens.
Trotz eines überdurchschnittlichen Gehalts und einer sicherlich tollen Position als Analyst spiele ich schon länger mit dem Gedanken, meinem Leben eine Kertwende zu verpassen und zu promovieren. Mich reizt einerseits der Gedanke, mich nochmals vertieft wissenschaftlich zu beschäftigen, später noch besser qualifiziert zu sein (was in einer Mischung aus Forschung und Business, in dem ich mich bewege sicher nicht schlecht ist) und natürlich auch der Titel. Ich weiss nicht, ob ich mein Leben lang im Versicherungsgeschäft bleiben will und viele Stellen, die mich auch interessieren würden (NGO's, Consultants etc.) verlangen oft nach einem Doktor. Ausserdem denke ich mir immer wieder, dass ich mir selbst auch etwas beweisen möchte, da ich mich als fähig für eine Promotion ansehe. Ich möchte nach einer Promotion aber sicherlich nicht in die reine Grundlagenforschung gehen.
Meine Firma unterstützt Promotionsvorhaben nicht und Industriepromotionen erweisen sich als wesentlich schwieriger zu bekommen, als ich Anfangs dachte. Die Firmen in meiner Branche sehen oft keinen wirklichen Nutzen für das Tagesgeschäft. Und die Frage ist, ob eine Firma, die womöglich auf konkreten kommerziellen Output pocht, wirklich immer die beste Konstellation ist.
Ich habe mich nun an einer sehr renommierten Forschungseinrichtung für ein internatioinales Graduiertenkolleg beworben und die Chance scheinen sehr gut zu sein, dass ich eine Stelle bekommen kann. Sie wäre 3 Jahre befristet und mit einem Stipendium ausgestattet.
Zusammengefasst sind meine Motivationen folgende:
- ich möchte noch viel für den wissenschaftlichen Teil meines Jobs lernen, das Tagesgeschäft interessiert mich momentan weniger und "einfach arbeiten" kann ich auch noch mit 35
- ich möchte mir durch den Doktor zusätzliche Optionen verschaffen für danach (andere Jobs, noch interessantere Jobs etc.)
- ich möchte in zehn Jahren nicht sagen, dass ich es einfach hätte tun sollen
- ich habe noch keine familiären Verpflichtungen und hohen Ansprüche, d.h. ich kann auch mit wenig Geld klarkommen

Was denkt ihr? Meint ihr, dass es Schwachsinn ist und ich mich anderweitig fortbilden sollte? Habt ihr Erfahrung mit späten Promotionen nach bereits gewonnener Berufserfahrung?

Für Tipps wäre ich Euch sehr dankbar!
Beste Grüße
Eva
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Re: Ratlos - Promotion ja oder nein?

Beitrag von Eva »

Hallo Hannes!

Für mich klingt es so, als hättest du deine Situation gut analysiert und als wären deine Motive tragfähig genug, um dich durch die Diss-Phase zu bringen. Was sind denn konkret deine Befürchtungen, wenn du diesen Weg einschlägst? Was wären die Alternativen? Mit dem Status quo scheinst du ja in jedem Fall unzufrieden, da könnte es also nur um sowas einen MBA o.ä. gehen? Oder eine Job-Verlagerung ins Ausland? Eine neue Herausforderung aber wohl? Ein bisschen lachen musste ich allerdings, als du von einer "späten Promotion" schriebst, aber erst 29 bist... :wink: Da hätte ich doch eher an jemanden jenseits der 40 gedacht.

Eva
Jaja

Re: Ratlos - Promotion ja oder nein?

Beitrag von Jaja »

Hallo Hannes,

Da Du nach Erfahrungen mit später Promotion gefragt hast, melde ich mich mal zu Wort (wobei ich wie @eva bei Deinem Alter da auch etwas schmunzeln musste und meines auch noch nicht alttestamentarisch ist :wink: ):
ich glaube, ich habe meine Promotion in einer ähnlichen Gemütsverfassung begonnen wie Du, nur nach sieben Jahren Berufserfahrung und zunächst ohne den Job aufzugeben, was 'ne zeitlang ging, weil meine Firma schon promotionsfreundlich ist - im Prinzip, meine Funktion da eher weniger.
Ich verstehe Deine Zweifel so, dass Du ja natürlich erstmal auch deinen rein beruflichen Werdegang unterbrichst, obwohl du da gerade einen guten Fuss drin hast. Das waren so meine Bedenken und ich habe auch nach einem Geisteswissenschaftler-kompatiblen MBA als Alternative gelinst.
Ich kenne mich mit dem Arbeitsmarkt in Deiner Branche nicht so aus und kann daher nicht einschätzen, wie leicht Du nachher wieder reinkommst, allerdings wirst Du im Gegensatz zu anderen Doktoranden schon Berufserfahrung aufweisen können, auch ein Pluspunkt. Ich kann nur für mich sprechen und es ist schon so, dass das Risiko, dass man eingeht, wenn man rausgeht für die Diss (war bei mir letztlich auch nötig, weil ich sonst eine zehn-Jahres-Promotion gemacht hätte :roll: ) immer wieder an einem nagt, aber für mich war diese Herausforderung, eine Diss zu schreiben, mich nochmal anders, auch inhaltlich, zu profilieren wichtiger. Ich denke, wenn man die Tuchfühlung nicht verliert und ein Ziel vor Augen hat, kommt man auch irgendwie wieder rein und ich würde heute bestimmt mehr daran knabbern, ES nicht versucht/ gemacht zu haben, als eventuell jetzt wieder Anlaufschwierigkeiten zu haben einen einigermaßen adäquaten Job zu finden.
Für mich klingt Dein Vorhaben gut. :) Ob Du davon ausgehen kannst direkt einen entsprechenden Job wiederzufinden, ist vielleicht nicht gesagt, aber Du bist ja jetzt auch schnell gut reingekommen, warum nicht auch nach der Diss. Solange Du bereit bist auf die Nachher-Besser-Job-Garantie zu verzichten und es Dich schon in den Fingern kribbelst, wenn Du an die mögliche Zusage des GK denkst - würde ich sagen willkommen im Club! Einen gewissen Idealismus sollte man schon zur Promotion mitbringen :wink:

LG, Jaja
Schumpeterchen

Re: Ratlos - Promotion ja oder nein?

Beitrag von Schumpeterchen »

Hallo Hannes,
für mich hört sich das nach einem gut durchdachten Plan an. Du weißt, was Du Durch Deine Diss erreichen möchtest und was Du dafür aufgeben musst bzw. was die Risiken eines solchen Vorhabens sind.
Ich war in einer ähnlichen Situation (Promotion neben den Job nicht möglich, 3 Jahre "richtig" gearbeitet und dann als Assistent wieder an die Uni gegangen) und bin nach nun knapp 2 Jahren immer noch froh, dass ich mich für die Diss und "gegen den Job" entschieden habe (damals war ich übrigens auch 29). Sicherlich muss man sich am Anfang etwas umstellen - der Unibetrieb ist doch schon Unterschiedlich zur "normalen" Berufswelt.
Ich würde es machen, gerade ein Graduiertenkolleg verspricht doch ein relativ zügiges und strukturiertes Durchkommen. Und außerdem macht Forschen Spass!
Viel Erolg!
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