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Vorstellungsgespräch: Promotion am Fraunhofer-Institut (Chemie)

Verfasst: 01.04.2018, 17:31
von firstsummerrain
Hallo liebe Leute,

ich suche derzeit eine Promotionsstelle in der Chemie und habe demnächst ein Vorstellungsgespräch im Fraunhofer. Ich kenne mich nur mit der Arbeit in Universitäten aus. Ich stelle es mir beim Fraunhofer, im Vergleich zur Uni, eher streng und sehr stressig vor. Vor allem, weil dort handfeste Ergebnisse wichtiger sind als "interessante Forschung". Mir ist es wichtig noch ein Privatleben zu besitzen und am Ende meine Promotion erfolgreich abschließen zu können. Mein Bedenken ist, dass ich mich unter Druck und Stress setzen werde um Projekte erfolgreich abzuschließen und dann noch Zeitdruck empfinden werde, weil ich mich nebenbei um meine Promotion kümmern muss (falls die Projekte nichts damit zu tun haben). In der Uni kann es auch mal stressig werden, aber ich empfand es immer als machbar und oft als relativ entspannt und spaßig. Mir wird halt geraten, zum Fraunhofer zu gehen, weil ich später in die Indstrie will. Aber in meinen Augen kann ich das auch nach einer Promotion an der Uni, wobei die berufsnahen Erfahrungen am Franhofer natürlich kein Vergleich wären.

- Könntet ihr mir von euren Erfahrungen am Fraunhofer erzählen? Wie läuft dort eine Promotion (für Chemiker) ab? Was sind die Unterschiede zwischen einer Promotion an einer Uni und einer Promotion am Fraunhofer?

In der Uni müsste ich Praktika betreuen, Übungen leiten, Studenten betreuen etc. Da weiß ich, wieviel Zeit ich für meine Promotion übrig habe und habe mehr Freiraum wie ich etwas mache (hängt natürlich auch vom Prof ab). Ich nehme an am Fraunhofer müsste ich mich auf bestimmte Projekte konzentrieren.
- Wie viel darf ich selber entscheiden? Kann ich arbeiten, wie ich will?
- Haben alle Projekte etwas mit der Promotion zu tun oder muss ich tun, was gerade ansteht und meine eigentliche Arbeit zur Seite legen?
- Wieviel Zeit kriegt man da noch für die eigentliche Promotion; kommt sie da zu kurz, sodass man weit über 50h die Woche und auch am Wochenende arbeiten muss?
- Es werden 3 Jahre angegeben. Ist das realistisch oder wird der Vertrag oft verlängert? Was passiert, wenn die 3 Jahre nicht ausreichen?
- Betreut man dort als Doktorand auch Master/Bachelorstudenten?

Vielen Dank im Voraus!

Re: Vorstellungsgespräch: Promotion am Fraunhofer-Institut (Chemie)

Verfasst: 03.04.2018, 13:16
von oclock
- Wie viel darf ich selber entscheiden? Kann ich arbeiten, wie ich will?
Du darfst nix entscheiden. Dafür gibt es die Abteilungsleiter :) Du darfst entscheiden, wie Du Deine Aufgaben löst. Diesbezgl. wird Selbstständigkeit erwartet.
Nein, Du kannst nicht arbeiten wie Du willst. Stell Dir Fraunhofer als eine "Firma" vor, deren Produkt Forschung ist. in einer Firma kannst Du nicht kommen und gehen, wann Du willst. Manche Abteilungsleiter erlauben hin und wieder Home Office, aber in erster Linie bist Du Angestellte und hast jeden Tag im Büro zu sein.
- Haben alle Projekte etwas mit der Promotion zu tun oder muss ich tun, was gerade ansteht und meine eigentliche Arbeit zur Seite legen?
Du wirst bei Fraunhofer nicht für die Promotion bezahlt. Du hast lediglich die Möglichkeit zu promovieren, falls Du das möchtest (und fachlich dazu in der Lage bist). D.h. Projekte müssen prinzipiell rein gar nix mit Deiner Promotion zu tun haben. Du mußt die Aufgaben bewältigen, die anfallen. Wenn es der Abteilung gut geht und viele Forschungsprojekte laufen, dann kannst Du Glück haben und Promotionsthema=Projektthema, aber Du kannst auch Pech haben, wenn Du Industrieprojekte erledigen musst, die nicht viel Forschung zum Inhalt haben, oder wo die Firmen Publikationen untersagen. Eine Pauschale Antwort ist nicht möglich. Auch ein Abteilungsleiter kann nicht in die Zukunft sehen und wissen, welche Projekte in 3 Jahren am Start sind und wie es der Abteilung finanziell gehen wird.
- Wieviel Zeit kriegt man da noch für die eigentliche Promotion; kommt sie da zu kurz, sodass man weit über 50h die Woche und auch am Wochenende arbeiten muss?
Explizit bekommt Du gar keine Zeit für die Promotion. Dafür wirst Du bei Fraunhofer nicht bezahlt. Wie geben geschrieben: Wenn Du Glück hast, dann ergibt sich Dein Promotionsthema aus den Projekten, die Du bearbeitet, oder halt nicht. Dann musst Du Dir etwas aus den Fingern saugen und nebenberuflich promovieren. Ich kenne viele, die bei Fraunhofer waren und ohne Promotion gegangen sind, obwohl sie promovieren wollten. Ich kenne aber genauso viele, die mit Dr.-Titel den Verein verlassen haben. Alles ist möglich.

Nicht zuletzt hängt es auch von Dir und Deiner Motivation ab. Gehts Dir nur darum so schnell wie möglich zu promovieren, dann ist Fraunhofer vielleicht nix für Dich. Geht es Dir um spannende anwendungsorientierte Projekte und darum viel neues zu Lernen mit der Möglichkeit zur Promotion, dann bist Du bei Fraunhofer richtig.
- Es werden 3 Jahre angegeben. Ist das realistisch oder wird der Vertrag oft verlängert? Was passiert, wenn die 3 Jahre nicht ausreichen?
Ob Du in 3 Jahren fertig bist, kann Dir niemand garantieren. Das hängt auch von den Projekten, Deadlines, Stress etc., ab.
Normalerweise (das ist Institutsabhängig) bekommt Du 3+2 Jahre. Je nach Projektlage können es auch 3+1+1 sein etc. Manache werden dann nochmal verlängert, andere wiederum nicht. Nach durchschnittlich 5-6 Jahren darfst Du den Verein verlassen. Mit oder ohne Promotion.
- Betreut man dort als Doktorand auch Master/Bachelorstudenten?
Ja, aber je nach Institut rennen Dir die Studenten nicht gerade die Bude ein und weil Du selber Projektstress hast, ist es Dir evtl. lieber Dinge selbst zu machen, als sie auf Studenten auszulagern und Zeit in die Betreuung zu investieren.

Re: Vorstellungsgespräch: Promotion am Fraunhofer-Institut (Chemie)

Verfasst: 04.04.2018, 19:54
von Dell
Geh hin und spreche mit so vielen Leuten in der AG wie möglich über eben deine Fragen. Das kann sehr individuell sein und falls es ein DFG Drittmittelprojekt ist, ist dein Projekt gleichzeitig dein Diss Projekt und du arbeitest im Prinzip Vollzeit an der Diss.