Wissenschaftszeitvertragsgesetz: 6 + 6 Jahre berechnen

Paulchen
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Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz: 6 + 6 Jahre berechnen

Beitrag von Paulchen »

Vielleicht wird ja nun alles besser mit einer, von jeglicher vorherigen Einbindung in HS-Betrieb unbelasteten, designierten BMBF-"Vorsitzenden" Anja Karliczek.
Man mag es ihr wünschen. In meinen insgesamt 4,5 Jahren als Student und zehn Jahren als Doktorand, Post-Doc, wissenschaftlicher Mitarbeiter, die ich an verschiedenen Universitäten in NRW verbringen durfte / musste, habe ich immer eine Erfahrung gemacht: Man muss Hochschulen (insbesondere Hochschulrektoren, Verwaltungen, Hochschulräte etc.) wie kleine Kinder behandeln: je mehr Freiheiten man ihnen lässt, desto mehr Mist machen sie. Man hat zum Beispiel die Anwesenheitspflicht abgeschafft. Da hat sich der Rektor meiner damaligen Uni tierisch gefreut, weil man dann ja weniger Personal für die Lehre benötigt. Da wird dann gerne von der Freiheit der Lehre und Forschung gefaselt. Mein Eindruck war immer, dass das eine synonyme Formulierung für sparen ist. Wie dem auch sei: Ich denke da immer, wenn der Staat den ganzen Kram bezahlt, kann er auch die Regeln vorgeben. Aber das führt jetzt natürlich sehr weit weg vom WissZeitVG (oder vielleicht gerade nicht ;-)).
itsme

Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz: 6 + 6 Jahre berechnen

Beitrag von itsme »

Paulchen hat geschrieben: In meinen insgesamt 4,5 Jahren als Student und zehn Jahren als Doktorand, Post-Doc, wissenschaftlicher Mitarbeiter, die ich an verschiedenen Universitäten in NRW verbringen durfte / musste, habe ich immer eine Erfahrung gemacht: Man muss Hochschulen (insbesondere Hochschulrektoren, Verwaltungen, Hochschulräte etc.) wie kleine Kinder behandeln: je mehr Freiheiten man ihnen lässt, desto mehr Mist machen sie.
+1

Ich bin auch immer wieder verblüfft, wie viel Energie sie aufwenden, um anderen eine Grube zu graben. Beispiel WissZeitVG: Ich bin für die Befristungen in der Wissenschaft (und aktuell bei meinem 13. Arbeitsvertrag) und eigentlich finde ich das Gesetz recht sinnvoll: In der Wissenschaft darf länger sachgrundlos befristet werden als in anderen Bereichen, aber wenn jemand 6 Jahre an einer Uni beschäftigt war (also vier Jahre länger befristet als nach TzBfrG), dann übernimmt er wohl Daueraufgaben, ergo sollte er unbefristet beschäftigt werden, weil ein "normaler" Arbeitgeber ja auch nicht jahrzehntelang damit argumentieren kann, dass bei ihm so ganz besondere Bedingungen herrschen. Eigentlich eine plausible Annahme des Gesetzgebers.

Eigentlich.

Bei uns wird mir oft übel, wenn ich "die Verantwortlichen" argumentieren höre. Der Verwaltungsleiter bei uns (ein Verfechter der Befristung bis zum St-Nimmerleinstag und oft regelrecht unverschämt und sehr herablassend in seiner Argumentation) hat in den 1980er Jahren bei uns studiert, promoviert und dann direkt in der Verwaltung angefangen - ich tippe mal darauf, dass er direkt unbefristet angefangen hat. Der wissenschaftliche Leiter hat "irgendwas zwischen 40 und 80 Doktoranden" angenommen (genaue Zahlen kennt man nicht) - und ist der festen, mehrfach öffentlich geäusserten Überzeugung, dass wir keine Ombudsperson für Konflikte während der Promotion oder auch nur ein Konfliktmanagement brauchen, weil "wir lösen so was im persönlichen Gespräch". Und wenn man Pech hat, dann hat es einen in einen der Fachbereiche mit den ganz "aufopferungsvollen" professoralen Kollegen verschlagen: kein kollektiver, systematischer Einsatz um die Probleme auch nur etwas abzumildern, sondern die "Jetzt schuldest Du mir höchstpersönlich was!"-Masche. Klares Signal: Du leistest hier keinen nennenswerten Beitrag zum Gelingen des Uni-Betriebs, sondern gnadenhalber erlaubt man dir im Dunstkreis großer Geister deinen Job zu machen (die bei uns zudem noch oft aus einer Phase ständiger Expansion der Uni stammen, als alles berufen, verbeamtet und entfristet wurde, was nicht bei "drei" die Bürotür zugeschlagen hatte).
caipirinha11085
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Re: Wissenschaftszeitvertragsgesetz: 6 + 6 Jahre berechnen

Beitrag von caipirinha11085 »

Das Problem ist doch, wenn ich die Wahl zwischen keinem Job und einem befristeten Job habe, nehme ich den befristeten Job.

Für eine Promotion sind sechs Jahre ja vielleicht ausreichend, für eine Habil stelle ich mir das schon eher knapp vor.
Gleichzeitig bleibt einem aber für eine Habil mit Aussicht auf eine Karriere als Universitätsprof in D fast ausschließlich die Arbeit an deutschen Hochschulen. Das Gesetz wirkt auf den ersten Blick also laxer als das TzBfG, aber ein normaler Arbeitnehmer kann (im für ihn blödsten Fall) eigentlich ebenso von befristeter Stelle zu befristeter Stelle springen und das sein Leben lang, nämlich bei Wechsel vom Arbeitgeber. Als Habilitant kannst du das nicht (außer man kann mit seiner Fachrichtung ins Ausland "fliehen") und damit wirkt das Gesetz quasi als Karrierekiller, wenn du nicht schnell genug bist.
Und die Anschlussbefristung nach TzBfG muss auf einen Befristungsgrund gestützt werden (die sachgrundlose Befristung nach TVL gilt nur, wenn man den Arbeitgeber wechselt - uU also das Bundesland).

mWn ist der Hauptgrund für die Novellierung nicht Rechtssicherheit zu schaffen, sondern bessere Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler, insbesondere eine raschere Qualifizierung zu ermöglichen. Das sehe ich nicht erfüllt und das ist doch eigentlich das Traurige an dem Gesetz.
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