"Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Ben

Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Ben »

flip hat geschrieben: Ich kann nur für mich selbst sprechen. Ich habe kumuliert promoviert und auch in sehr guten Journals publiziert (und zwar ohne Betreuer). Aber, die Betreuung auf dem Weg dahin war sehr intensiv und die Beträge wären ohne diese Betreuungszeit nicht möglich gewesen. Wir reden hier von ca. zwei Jahren Vollzeit (naja, abzüglich Lehre) inklusive einer gewissen Vorbelastung (methodisch bzw. technisch) im Master.
Hallo Flip,

mein Bruder hat versucht in der Zeit als er noch auf DV Suche war alleine ohne eine Unterstützung CfP zu schreiben. Er hat glaube ich "nur" Absagen erhalten und das hat ziemlich getroffen. Er konnte die Begründungen nicht verstehen. Da ich auch kumulierte Promotion anstrebe würde ich gerne wissen, warum das so schwer ist CfP zu schreiben ohne Unterstützung vom DV oder dem wissenschaftlichen Team/Projekt wofür man eingeteilt ist als angehender Promovend. Mein Bruder zumindest hat kein einziges CfP angenommen bekommen.

Was meinst Du genau mit ... war sehr intensiv und die Beiträge wären ohne diese Betreuungszeit nicht möglich gewesen?

Heisst das nun, dass wenn jemand keinen DV hat, ist das veröffentlichen von CfP nicht möglich?

Danke schonmal im Voraus für eure Antworten.
Ben
Agriwis

Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Agriwis »

@Ben: Was heißt "CfP"?
In welchem Fachbereich ist dein Bruder bzw. du unterwegs?
Ich denke in den Naturwissenschaften ist es schon ungleich schwieriger als Einzelperson etwas publizieren zu wollen... schon allein deswegen, weil es eigentlich schon fast unmöglich ist, eine naturwissenschaftliche Publikation komplett alleine zu machen.
Aber gänzlich unmöglich ist es sicher nicht. Ich würde im Fall deines Bruders darauf tippen, dass sein "CfP" (=paper?) vielleicht einfach nicht ausreichend war. Vielleicht hat er mehr Erfolg in Journals mit geringerem Impactfaktor?
Vielleicht findet er ein Doubleblind Journal irgendwo? Wenn er da auch abgelehnt wird, dann kann er sich ziemlich sicher sein, dass sein Manuskript alt einfach nicht ausreichend gut genug war, für dieses Journal und wahrscheinlich auch für viele andere.
Mit Betreuer ist es einfach deutlich einfacher zu erfahren, ob es "gut genug" ist und in welchem Journal man realistische Chancen hat. Ein Betreuer sollte genug Erfahrung haben um das einigermaßen abschätzen zu können.

Als "unmöglich" würde ich fast nichts bezeichnen, aber ich jedenfalls bin froh meine Betreuer zu haben, ohne sie hätte ich es wohl kaum geschafft. Ich hätte wohl schon ein krasser Überflieger sein müssen, um all die Hinweise die man mir gab (von Verbesserungen des Manuskripts bis hin zur Journalauswahl, aber selbstverständlich v.a. zur Forschung selber) alleine zu lösen.
Vielleicht ist dein Bruder ein solcher Ãœberflieger, aber die Journals publizieren lieber mit irgedwelchen bekannten Leuten drauf? Keine Ahnung.
Zuletzt geändert von Agriwis am 10.12.2017, 18:33, insgesamt 1-mal geändert.
Sarnelia

Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Sarnelia »

Meiner Meinung nach ist der erste und wichtigste Sinn der Wissenschaft (und zwar aller Wissenschaft) der Erkenntnisgewinn, und nicht ob mit diesen Erkenntnissen dann Geld gemacht werden kann oder nicht. Diese kommerzialisierung aller Lebensbereiche finde ich absolut fürchterlich und kontraproduktiv, denn im Leben ist weder alles was Wert hat quantifizierbar, noch macht Geld allein glücklich...
Ich finde entsprechend auch diese ganzen Stammtischparolen von wegen und "Geisteswissenschaften liefern ja nichts, alle dicht machen" absolut bescheuert. Wer in einer Welt ohne Kultur, ohne Verständnis für soziale Prozesse und ohne Kunst und Genuss einfach nur überleben möchte, der kann das gerne tun, aber der soll doch bitte seinen beschränkten Horizont nicht allen anderen auch aufdrücken.
Geisteswissenschaftler sind wohl überwiegend keine Geisteswissenschaftler geworden, weil sie das große Geld machen möchten, sondern aus Idealismus und einem Interesse an Wissen. Und nein, auch nicht weil sie sonst nichts anderes können. Dieses Schlechtgerede einer gesamten Disziplin stammt, wie so häufig, aus purer Ignoranz und hat mMn wie aller Populismus gerade in der Wissenschaft überhaupt nichts zu suchen (und es tut mir leid, aber die Geschichte der Naturwissenschaft ist nicht dasselbe wie Geschichtswissenschaft...).
Wierus
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Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Wierus »

Agriwis hat geschrieben:@Ben: Was heißt "CfP"?

Ich denke es steht für "Call-for-Paper".

@Sarnelia und Agriwis:
Ja, aber man kann ignorante Meinungen und Überzeugungen eben nicht einfach ausblenden, denn sie haben - wie Märchen und Mythen - oft einen wahren Kern. Ganz funktionslos kann Wissenschaft auf Dauer nicht betrieben werden, zumindest nicht, solange nicht Roboter, sondern Menschen das dafür nötige Steuergeld erwirtschaften, das dann die Universitäten, Bibliotheken, Labore und Institute finanziert. Man sollte sich also nicht scheuen, sein Tun (in welcher Disziplin auch immer) hin und wieder auch rein funktional zu begründen, denn jede Wissenschaft ist nunmal funktional für die Gesamtgesellschaft. Das wissen die antiintellektuellen Ignoranten meistens nicht, oder wollen es nicht wissen. Solchen Menschen ist mit Verweisen auf reine Erkenntnis leider nicht beizukommen.
Green Goddess

Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Green Goddess »

Wie weit ist es von "Förderung ausschliesslich kurz- bis mittelfristig wirtschaftlich verwertbarer Forschung" zu "Medizinische Versorgung nur im Rahmen der Sicherstellung der weiteren 'wirtschaftlichen' Einsetzbarkeit der Patienten?" Denn wenn wir schon die wirtschaftliche Verwertbarkeit als Maßstab heranziehen, sollten wir keine Grenzen ziehen, die nicht unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten formuliert wurden. Ethik? Moral? Ach was, alles nur geisteswissenschaftliches Gebrabbel resp Teil der zionistisch-feministischen Weltverschwörung (falls ich Danisch richtig interpretiert habe).

BTW was soll zu den weiterhin förderungstauglichen Nichtgeisteswissenschaften zählen? Ich zähle mein Fach Mathematik durchaus zu den GWs und sehe mich in dieser Meinung in guter Gesellschaft.
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Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Wierus »

Green Goddess hat geschrieben:BTW was soll zu den weiterhin förderungstauglichen Nichtgeisteswissenschaften zählen? Ich zähle mein Fach Mathematik durchaus zu den GWs und sehe mich in dieser Meinung in guter Gesellschaft.
Hast du im Studium philosophische Seminare/Vorlesungen zu "formaler Logik" besuchen dürfen/müssen? Das wäre so die einzige Schnittstelle zw. Mathe und GeWiss, die mir auf Anhieb einfällt. Wobei, mein GK-Lehrer in Mathe sagte damals immer: "Merkt euch eins: Mathematik ist eine Sprache!" Und dann ging's mit Integralen weiter... :tomate:
Green Goddess

Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Green Goddess »

Dürfen ja, selbst post-Bologna ist das ja nicht verboten, müssen nicht, aber ich finde, "wir" haben ausreichend Lehrveranstaltungen zu Logik. Ich habe aber "privat" Frege gelesen, wenngleich beim ihm eine strikte Zuordnung Philosophie oder Mathematik schwierig ist. Eine Zuordnung sollte aber mMn nicht über zufällige Schnittmengen bzgl einiger Gegenstände/Gebiete des jeweiligen Interesses stattfinden, sondern in erster Linie über Vergleich der Methoden, da sehe ich weder mit NatWis noch gar mit HumanWis relevante Schnittmengen, mit insb. Philosophie dagegen schon.
Theoretische Chemiker sind Physiker, und sie wissen es.
Theoretische Physiker sind Mathematiker, und sie wissen es.
Theoretische Mathematiker sind Philosophen, und sie ahnen es. :lol:
HDCraftY
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Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von HDCraftY »

Mir ist es doch auch egal, ob etwas "wirtschaftlich" verwertbar ist. Aber man soll sich nicht einbilden für irgendetwas mit Geldern zugeschüttet zu werden oder mit einer unbefristeten Stelle bis zum Ende des Lebens vom Steuerzahler versorgt zu werden.
Jeder hält das was er tut für wichtig und unersetzlich. Fakt ist, das Meiste verschwindet auf dem Müllhaufen der Geschichte. Es ist eine Haltungsfrage. Und ich finde die Haltung symphatischer, wenn sich auch ein GeWi Gedanken darüber macht, wie er sein Thema so ausrichtet, dass es am Ende auch irgendwas liefert (nicht unbedingt wirtschaftlich).

Aber als ich an unserem Institut (auch in den Ingenieurwissenschaften !) die Arbeiten mal gesichtet und durchgelesen habe, gab es in einem Jahrzehnt eine handvoll Dissertationen, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient hatten. Die wirklich was Neues gebracht haben. Der Rest diente wohl nur dem Zweck den Dr. zu bekommen.

Es stimmt einen schon nachdenklich, wenn man Jahrzehnte alte Dissertationen rauskramt und sehen kann, dass das Ding noch nie aufgeschlagen wurde. Und da helfen mir hehre wissenschaftliche Ideale nichts. Das ist einfach massives Versagen.

In der Wissenschaft wird dauernd recycled. In meinem Fachfeld (Compiler bzw. Programmiersprachen) passiert seit Jahrzehnten nichts anderes. Jeder ändert 0.1% von irgendwas und verpasst dem nen neuen Namen und ZACK ein Publikationspunkt mehr auf der Liste. Am Besten dann noch gestaffelt veröffentlichen und ZACK 5 Publikationspunkte mehr auf der Liste. Und das Tolle ist: Liest niemand. Keine Lust, zu anstrengend, niemand will das genau überprüfen, weil jeder selbst damit beschäftigt ist das Gleiche zu tun.
Dann gibt es die ganzen akademischen Selbstbeweihräucherungsveranstaltungen, wo man sich dann gegenseitig dafür lobt und auf die Schulter klopft, irgendwelche selbsternannten und selbstdefinierten Preise bekommt, Awards, was weiß ich was noch..... Die alle einen Zentimeter außerhalb des Elfenbeinturms nichts bedeuten und die man auch als Klopapier benutzen könnte. Fast alles nur heißes Geblubber.

Man sollte die GeWis da nicht beschimpfen. Die ganze Wissenschaft tickt so.

Noch eine Anmerkung zu Herrn Danisch: Er geht ja nicht nur gegen GeWis vor, sondern auch gegen die Leute seiner eigenen Zunft.
Wierus
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Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von Wierus »

HDCraftY hat geschrieben:Aber als ich an unserem Institut (auch in den Ingenieurwissenschaften !) die Arbeiten mal gesichtet und durchgelesen habe, gab es in einem Jahrzehnt eine handvoll Dissertationen, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient hatten. Die wirklich was Neues gebracht haben. Der Rest diente wohl nur dem Zweck den Dr. zu bekommen.

Es stimmt einen schon nachdenklich, wenn man Jahrzehnte alte Dissertationen rauskramt und sehen kann, dass das Ding noch nie aufgeschlagen wurde. Und da helfen mir hehre wissenschaftliche Ideale nichts. Das ist einfach massives Versagen.
Warum das denn so eng sehen? Wer liest denn schon Diplomarbeiten? Oder gar Bachelorarbeiten? Sie und auch die Dissertation sind erstmal nur wissenschaftliche Abschlussarbeiten, mit denen man dem Fach, nicht aber der Öffentlichkeit seine Fähigkeit zu eigenständiger wiss. Forschung beweisen soll. Ich glaube, dass es kein Fach gibt, in dem mehr als 2% aller Dissertationen zu Publikumsmagneten werden. Fälle wie der des Soziologen/Politologen Daniel Jonah Goldhagen, der mit seiner Dissertation internationale Bekanntheit erreichte, können nicht als Maßstab dienen, das sind absolute Ausnahmeerscheinungen.

Lange Rede kurzer Sinn: warum etwas zwanghaft schlecht reden? Ich weiß, das können wir Deutschen ganz besonders gut, aber es muss nicht sein.
HDCraftY
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Re: "Ein Doktortitel fürs Wiederkäuen"... ?

Beitrag von HDCraftY »

Die Dissertation ist eine Prüfungsleistung und soll eigenständige wissenschaftliche Arbeit nachweisen ? Finde den Fehler.
Zuletzt geändert von HDCraftY am 11.12.2017, 14:14, insgesamt 1-mal geändert.
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