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Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 09:43
von caipirinha11085
Ich poste mal hier rein, um nicht ein neues Thema zu eröffnen. Ich hoffe, das passt hier rein:

Was hat es mit der Beteiligung der Verlage auf sich?

"Die Beteiligung von Verlagen an gesetzlichen Vergütungsansprüchen im Rahmen der Hauptausschüttung 2017 ist im sog. Übergangs- und Ergänzungsverteilungsplan der VG WORT vom 20. Mai 2017 geregelt. Nach diesem Regelungswerk erhalten Autoren zunächst eine Abschlagszahlung, die noch auf der Grundlage der bisherigen Aufteilungsquoten des „alten“ Verteilungsplans (Fassung vom 4. Juni 2016) berechnet wurde. Im Anschluss daran können die Ausschüttungsempfänger bis zum 30. September 2017 entscheiden, ob sie ihren jeweiligen Verlag an den betreffenden Vergütungen beteiligen wollen und eine entsprechende Zustimmung gegenüber der VG WORT erklären. Wird eine Zustimmung erteilt, wird der entsprechende Betrag dem Verlag gutgeschrieben. Bei dieser Berechnung finden bereits die Aufteilungsquoten des „neuen“ Verteilungsplans (Fassung vom 20. Mai 2017) Anwendung, so dass ggf. auch der eine Zustimmung erteilende Autor noch eine weitere Zahlung erhalten würde, soweit Aufteilungsquoten im neuen Verteilungsplan gegenüber dem bisherigen Verteilungsplan zu Gunsten der Urheber verändert worden sind. In jedem Fall behält der Autor die bereits erhaltene Auszahlung. Erfolgt dagegen keine Zustimmungserklärung, wird der noch zu 100% der insgesamt möglichen Ausschüttung fehlende Anteil an den Autor ausbezahlt."

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 11:23
von JohnvanConnor
Ja, da hat die VG Wort ein kaum noch zu durchblickendes Chaos angerichtet. Im Bereich Wissenschaft sind die Verlage ja immer zu 50% beteiligt gewesen, d. h. die Autoren haben nur die Hälfte bekommen. Dagegen wurde geklagt und die VG Wort hat es durch alle Instanzen gehen lassen, aber eben immer wieder verloren. Daher steht den Autoren jetzt 100% der Urhebervergütung für ein Werk zu. Rückwirkend bis 2012 muss das alles nachgezahlt werden. Aber man bekommt die Nachzahlungen bzw. die „zweite Hälfte“ für 2012-2017 wohl erst im Sommer 2018, bei der nächsten regulären Ausschüttung. Nun will aber die VG Wort das BGH-Urteil immer noch nicht hinnehmen: Autoren können jetzt neu freiwillig auf 50% der ihnen zustehenden Tantiemen verzichten, die dann den Verlagen zugute kommen. Also wer sein Geld loswerden will, findet auf der VG-Wort-website ein Formular, womit das beantragt werden kann. Im Prinzip also eine Spende, die aber von der aus öffentlichen Mitteln finanzierten VG Wort verwaltet wird, obwohl sie für die Empfänger der Spenden nach höchstrichterlicher Entscheidung nicht zuständig ist. Könnte also auch sein, dass auch dieses Verfahren wieder gekippt wird.

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 12:25
von Traudel
Oh je, Entschuldigung, aber könnt Ihr mir das noch einmal ein bisserl erläutern, bitte?

Ich habe die jüngsten Diskussionen rund um gerichtliche Urteile im Kontext VG Wort laienhaft mit verfolgt, aber mich dabei auf die möglichen Konsequenzen für meine Lehre konzentriert (also Arbeitsblätter, zu lesende Seminartexte, E-Learning-Gedöns...). Dass noch einmal Tantiemen von meiner Diss (erschienen 2014, Ausschüttung also 2015) zur Debatte stehen könnten, hielt ich nicht für möglich... Oder habe ich Johns und Caipirinhas Beiträge falsch verstanden?

Konkret: Was macht Ihr jetzt? Gar nichts, oder? Außer abwarten... Und was wäre der Vorteil, den Verlag zu beteiligen? Gutes Gewissen?

Pardon, wenn ich Banales nachfrage, aber irgendwie bin ich sowohl verwirrt als auch freudig erregt, sollte im Sommer 2018 ein weiterer Scheck ins Haus flattern :D

Ich danke Euch!
Traudel

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 13:25
von JohnvanConnor
Traudel hat geschrieben:Konkret: Was macht Ihr jetzt? Gar nichts, oder? Außer abwarten... Und was wäre der Vorteil, den Verlag zu beteiligen? Gutes Gewissen?
Also die Sache mit dem E-Learning hat nicht direkt etwas mit der Autoren/Verlagsbeteiligung zu tun, so wie ich es verstanden habe. Von diesen freiwilligen Verzichtsverfahren gibt es sogar zwei: ein bereits beendetes für den Zeitraum zwischen Klageerhebung und BGH-Urteil und eines für die aktuelle Situation. Also wer nicht 2016 etwas publiziert hat, kann seinen Verlag höchstens noch individuell mit Spenden unterstützen.
Genau, eigentlich kann aber jetzt nichts mehr daran geändert werden, dass alle, die seit 2012 und bis jetzt (Zukunft ist ungewiss, da die Verlage massiv Lobbyarbeit betreiben) VG-Wort-Tantiemen erhalten haben, irgendwann demnächst ungefähr den gleichen Gesamtbetrag noch einmal erhalten.

Mir ist nie in den Sinn gekommen, "meine" Verlage freiwillig zu unterstützen. Ich habe nie einen Cent Honorar bekommen, musste die Druckkosten oft mühsam selbst einwerben oder sogar draufzahlen, ein Lektorat habe ich z. B. bei meiner Diss selbst extern in Auftrag gegeben und bezahlt (obwohl es eigentlich ein recht renommierter Verlag war). Die Tantiemen der VG Wort heißen ja "Urheberpauschale". Und Urheber ist, wer den Text geschrieben hat, nicht, wer den Druckauftrag an eine Druckerei übermittelt hat.

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 13:39
von Green Goddess
JohnvanConnor hat geschrieben:...Rückwirkend bis 2012 muss das alles nachgezahlt werden. Aber man bekommt die Nachzahlungen bzw. die „zweite Hälfte“ für 2012-2017 wohl erst im Sommer 2018, bei der nächsten regulären Ausschüttung. ...
Diese (mögliche) Vorgehensweise dürfte auf tönernen Füssen stehen, sobald jmd dagegen klagt. Sich bei gerichtlich angeordneten Entschädigungen/Nachzahlungen aus einem Rechtsbruch auf eigene Auszahlungsriten zu berufen, dürfte bei einem in Frage stehenden Zeitraum von fast 1 Jahr sehr schwach begründet sein. Betrifft mich insofern nicht, dass ich "2017erin" für VG Wort bin, also in '18 "fakturiert" werde.
Bzgl der freiwilligen Verlagsabgabe bin ich nahe bei dir. Ich zahle ja auch dem Heizungsinstallateur nichts anteilig von meinen Tantiemen, weil er für durchgehend angenehme Raumtemperatur gesorgt hat. Generell sehe ich auch dieses crowd funding für notleidende Verlage als wenig erfolgversprechend an, nicht einmal im Falle einer Kopplung an ein Gewinnspiel. ;)

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 15:00
von caipirinha11085
Vielen Dank für die schnellen Antworten!
So hatte ich das auch verstanden.

Ich habe nun in einen Autorenvertrag aus 2015 mit einem Verlag herausgekramt und dort heißt es: "Ebenso übertrage ich dem Verlag die gesetzlichen Vergütungsansprüche aus allen Publikationsformen des Werkes; der Verlag lässt die gesetzlichen Vergütungsansprüche durch die Verwertungsgesellschaft VG Wort wahrnehmen (....)".
Mit einer FN, dass man als Autor sich weiterhin selbst bei VG Wort anmelden muss, jedoch diese Klausel als Klarstellung aufgenommen wurde, da in einem Rechtsstreit die Beteiligung der Verlage in Frage gestellt wurde.

Kann sich jemand einen Reim auf diese Klausel machen? Denn wenn es keine gesetzlichen Vergütungsansprüche laut BGH gibt, muss ich gar nichts, oder? :roll:

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 15:51
von Green Goddess
Der Reim ist schnell gefunden, denn ungeachtet kleinlicher Einwände der Linguistenfraktion und der Phonetikgläubigen reimt sich "Geld" auf ziemlich alles. ;)
Ob die angeführte Klausel den Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt und dadurch unwirksam wird, müssten letztendlich Gerichte entscheiden, ebenso wie über etwaige quasi-automatische Rechteaufgabe mittels nicht verhandelbarer Verträge (tangiert wohl auch bereits Sittenwidrigkeit). Ein weiterer Punkt dürfte eine "grobe vorsätzliche Täuschung" (Versuch selbiger) sein, wenn von "Infragestellung" geredet wird, nachdem der BGH ein letztinstanzliches Urteil dazu erlassen hat. Was du übertragen wollen solltest, wird schwierig zu begründen sein, denn wieso sollte eine freiwillige Abtretung in deinem Interesse sein? Mag sich die anwesende juristische Fachkompetenz zu den Punkt äussern? ;)
Bis dahin ist wohl alles als Grauzone der Geldbeschaffung zu werten, wobei ich mich hüte, von mafiösen Strukturen der Verlagskartelle zu reden. ;) Aber wenn es nicht ausdrücklich Vertragsgegenstand ist, kann dich mMn niemand zwingen, dich wg 1€50cnt pro Seite bei VG Wort zu melden, denn das "weiterhin" lässt sich so interpretieren, dass man sich ja bisher lediglich anmelden musste, wenn man sich anmelden wollte. :lol:.

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 16:12
von caipirinha11085
Hm ja.
Ich habe folgende These: Da die Klausel noch vor dem BGH-Urteil aufgenommen wurde und noch bevor die VG Wort die freiwillige Abgabefunktion eingeführt hat, sollte sie mE einfach dazu dienen, die damalige noch praktizierte, aber schon juristisch angegriffene Praxis zu legitimieren.

Vielleicht kennt ja jemand die Klausel aus eigener Erfahrung und hat noch ne Meinung dazu.

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 08.09.2017, 16:13
von JohnvanConnor
Es gibt mit Sicherheit mehrere Gründe gleichzeitig, aus denen diese Klausel unwirksam ist; ich meine, das ganze Dilemma der VG Wort gründete sich zumindest teilweise auch darauf, dass genau solche "Rechteabtretungen" an Verlage nach Europäischem Recht nicht möglich sind. Da gab es schon vorher ein Urteil vom Europ. Gerichtshof... deshalb mussten die Verlage bei jener Pauschalregelung bleiben... aber genau weiß ich das alles auch nicht, ist wohl selbst für Experten kaum zu verstehen. Da kann dir sicher nichts passieren! Allein schon deshalb, weil das Abtretungs-Verfahren der VG Wort ja darauf basiert, dass die Verlage gar nicht erfahren dürfen, welche Autoren die Erklärung abgegeben haben. Man könnte es sich wirklich kaum komplizierter ausdenken.
Wenn es dich wirklich beschäftigt und interessiert, empfehle ich das Kontaktformular auf der VG-Wort-Website. Frag die ruhig mal, was die von der Klausel halten!

Re: VG Wort Ausschüttung 2017

Verfasst: 09.09.2017, 09:30
von Traudel
Ich danke Euch, liebe Forenkolleginnen und -kollegen! Ich halte jetzt einfach mal die Füße still und mache gar nichts. Am besten auch nicht vorfreuen, denn sonst gebe ich den Scheck möglicherweise schon aus :lol:

Trotz der offenbar noch nicht ganz entschiedenen Sachlage würde mich Sebastians weise Einschätzung brennend interessieren. :D Also: Nix unternehmen, keine moralischen Bedenken wegen unterlassener Verlagsbeteiligung entwickeln und abwarten, ohne mit dem Geld fest zu rechnen -- ist das richtig, Sebastian? Oder was sind Eure Pläne, liebe Gemeinde?

LG Traudel