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Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 11:44
von Ursuppe
Hallo zusammen,

es handelt sich um eine Frage, die nicht nur, aber definitiv auch uns Promovierende betrifft -- und wahrscheinlich ist es gerade in der Rolle als Promovierender, dass einem dies Phänomen zum ersten Mal begegnet (denn vorher ist man ja noch nicht auf diese Weise im Wissenschaftsbetrieb unterwegs).

Folgendes Szenario:

* Eine Universität/ein Lehrstuhl/ein Institut/ein oder mehrere Mitarbeiter (staatliche Uni im deutschsprachigen Raum) versenden einen CfP für eine von ihnen geplante Tagung, Datum Anfang Februar 2017, zwei Tage à ca, 8 Std., mit der Bitte um Abstracts.
* Du reichst ein Abstract ein, über ein Online-Formular.
* Du erhälst nach Ablauf der Deadline Anfang November eine Mail, dass dein Abstract angenommen wurde.

[soweit, so üblich]

* Darin außerdem der Hinweis, dass nun das Online-Tool zur Tagungsanmeldung freigeschaltet sei. Bis zwei Wochen vor der Tagung könne man sich dort anmelden.
* Auf der Website im Umfeld dieses Anmelde-Tools, und auch nur dort, und zum ersten Mal, liest du, dass die Anmeldung das Zahlen einer Tagungsgebühr erfordert, in Höhe von 150 Euro, für »Tagungsunterlagen, Teilnahmegebühr, Mittagessen, Pausensnacks und Umtrunk am Abend.« Die Unterkunft ist ausdrücklich nicht inbegriffen.

Dass die Unterkunft nicht dabei ist, und meinetwegen auch die Anreise nicht: geschenkt, kein Problem. Als jemand, der selbst auch schon Tagungen organisiert hat, kann ich das irgendwo nachvollziehen. Und als jemand, der schon oft auf Tagungen gesprochen hat, weiß ich, dass man in der Rolle froh sein kann, wenn man z.B. einen kleinen Zuschuss zu seinen Reisekosten bekommt. Ich erwarte also nichts großartiges.

Aber: von den Vortragenden dann auch noch das Zahlen einer Gebühr zu verlangen? Das kenne ich aus meinem Feld (Kultur-/Geistes-/Sozialwissenschaften) so überhaupt nicht. Von der Intransparenz hinsichtlich der Konditionen ganz zu schweigen.

Ich will hier niemandem etwas Unlauteres unterstellen. Klar, Geld ist knapp, und ganz sicher sind die Organisatoren auch einfach etwas verpeilt oder überfordert. Sie hatten bereits den CfP "extenden" müssen, wohl weil es nicht gelungen war, genug Interessierte anzusprechen. Sie haben zur mir als Vortragendem bislang noch keinen persönlichen Kontakt aufgenommen; alles läuft über Online-Tool und automatisierte Mails; auch das Tagungsprogramm (aus dem hervorgeht, in welches Panel ich eingeplant bin -- was ja sehr relevant sein kann auch für das Beitragsschreiben) habe ich mehr oder weniger 'by accident' gefunden.

Von daher habe ich also irgendwie auch Mitleid mit ihnen -- dennoch meine Frage: wie üblich ist in euren Augen dieses Vorgehen als Gesamtkonglomerat und insb. eben das Erheben einer Gebühr auch für Vortragende? Mich kommt es irgendwie vor wie ein Konzertveranstalter, der von den Künstlern Geld verlangt, damit sie auftreten dürfen...

Möglicherweise -- und das würde ins Bild des 'Verpeilt/Überfordert' passen -- ist die ganze Sache auch nur schlecht kommuniziert, und die Vortragenden sind von der Tagungsgebühr ausgenommen. Das könnte man erstmal denken, in dubio pro... Dagegen aber spricht halt, dass ja trotz meines eigenen Beitrags eben die besagte Anmeldung explizit erfordert wird (in der genannten Mail). Ich werde natürlich mal bei den Veranstaltern nachfragen, um das zu klären, nehme bis dahin die Sache aber beim 'face value', und da stellt sich eben das Problem wie geschildert :roll:

danke im Voraus & viele Grüße!

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 12:15
von FerdiFuchs
Bei uns in der Informatik absolut übliche Praxis. Tatsächlich habe ich noch keinen Fall erlebt, wo Teilnehmer mit eigenem Beitrag von der Tagungsgebühr ausgenommen waren. Für Doktoranden war das nie ein Problem, weil Tagungsbeiträge grundsätzlich aus Mitteln der Arbeitsgruppe bezahlt werden. Insbesondere ist es in Projektanträgen üblich, Mittel für 2-4 Dienstreisen pro Jahr gleich mit zu beantragen (im Vergleich zu den Personalkosten eher Peanuts).

Der Vergleich zu einem Konzertveranstalter geht nicht auf: Das Verhältnis zwischen Vortragenden und Leuten, die nur zuschauen, geht bei einem Konzert in die Richtung 1:10 bis 1:10000, bei einer Tagung ist es eher so 5:1.

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 12:27
von sozdoc2016
Hi Ursuppe

Also ich kenne es aus dem Bereich Geistes-und Sozialwissenschaften genau und nur so, dass für einen Tagungsbesuch auch eine Gebühr verlangt wird (ja, auch für Vortragende - eingeladene Vorträge wie Keynotes mal ausgenommen) und dass diese bei der Anmeldung fällig wird. In der Regel sind die Sätze für eingeschriebene Doktorierende erheblich günstiger, selbiges gilt oft auch - in geringerem Umfang - für Mitglieder der ausrichtenden Gesellschaft (z.B. DGS). Was ich auch schon gesehen habe ist, dass es bei internationalen Kongressen gestaffelte Gebühren je nach GDP der Herkunftsländer gibt.
Kolloquien, Netzwerktreffen, in-house-Tagungen u.Ä. sind häufiger umsonst bzw. es wird nur ein kleiner Betrag für die Verpflegung fällig. Im Übrigen liegen die Konferenzgebühren in den technischen Fachbereichen teilweise sogar im hohen dreistelligen Bereich. Über Sinn und Unsinn bzw. die Rechtfertigung der Gebühren lässt sich natürlich streiten.

Dass die Konferenzseiten gelegentlich etwas unübersichtlich sind kommt vor, m.E. könnte das vor allem daran liegen, dass viele der OrganisatorInnen das als Laien nebenbei machen und darin weder Erfahrung noch Routine und selten professionelle Unterstützung haben.

So long... sozdoc

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 12:56
von Green Goddess
Ich habe es schon mal gesehen, dass die Gebühr gestaffelt war nach Vortragenden und reinem Publikum, aber frei ist die Konferenzteilnahme in Mathe wohl erst ab Fields-Medaille. ;) 150SF wäre auch eher untere Grenze, aber solche Ausgaben trägt, inkl Reisekosten, die in den meisten Fällen deutlich höher liegen, meist ein Drittmittelprojekt.
@SozDoc Schlechte HP mit "Wir sind Laien." zu erklären, ist im laufenden Jahrzehnt ein Lacherfolg. ;)

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 13:24
von Ursuppe
Danke euch schonmal für die Antworten! Dann kann es sein, dass die Tagungen, auf denen ich bislang das Privileg hatte zu sprechen, einfach recht drittmittelverwöhnt waren, und es daher keine Notwendigkeit für die Veranstalter gab, sich das Geld auf diesem Wege wieder einzuholen.

Der Hinweis darauf, dass die Vortragenden die zu zahlenden Kosten natürlich über die Töpfe ihrer Heimatinstitution (teilweise) wieder einspielen können (wenn sie an eine angebunden sind, was z.B. ich nicht bin), ist natürlich richtig -- und zeigt auf, wie merkwürdig dies Modell doch irgendwie ist. Die ausrichtende, öffentlich finanzierte, Institution hat nicht genug Mittel zur Ausrichtung der Tagung, also lässt sie sich die Mittel häppchenweise von den Teilnehmern mitbringen, aus den Töpfen aller möglichen anderen öffentlich finanzierten Institutionen.
/:dr)

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 13:31
von Maria90
Hallo,
also auf unseren wissenschaftlichen Konferenzen (Management, Marketing, Sportmanagement) ist das auch gängige Praxis, dass man als Vortragender die Gebühr bezahlen muss. Es gibt manchmal Unterschiede zwischen Vortragendem und Leuten, die nur teilnehmen, ab und zu Rabatte für Studenten und bei einer Konferenz war es so, dass das Hotel mal mit in der Konferenzgebühr inbegriffen war (die war dann natürlich auch höher)....

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 13:50
von FerdiFuchs
Ursuppe hat geschrieben: (wenn sie an eine [Heimatinstitution] angebunden sind, was z.B. ich nicht bin)
Das macht die Sache natürlich kompliziert. Möglicherweise gibt es dennoch Optionen für dich, die Tagungsgebühr zumindest teilweise erstattet oder finanziert zu bekommen - du kannst dich sowohl bei deinem Betreuer sowie bei den Tagungsorganisatoren erkundigen.
Ursuppe hat geschrieben:Die ausrichtende, öffentlich finanzierte, Institution hat nicht genug Mittel zur Ausrichtung der Tagung, also lässt sie sich die Mittel häppchenweise von den Teilnehmern mitbringen, aus den Töpfen aller möglichen anderen öffentlich finanzierten Institutionen.
Zumindest im Fall von internationalen Tagungen macht das absolut Sinn insofern als es sich um öffentliche Mittel von verschiedenen Ländern handelt. Bei einer Konferenz in Österreich, die zu 60% von deutschen Teilnehmern besucht wird, wäre schwer zu erklären, warum der österreichische Steuerzahler Wissenschaftler von deutschen Universitäten durchfüttern soll.

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 14:17
von MadAndEvil
Ursuppe hat geschrieben:Die ausrichtende, öffentlich finanzierte, Institution hat nicht genug Mittel zur Ausrichtung der Tagung, also lässt sie sich die Mittel häppchenweise von den Teilnehmern mitbringen
Muss nicht unbedingt sein. In meinem DFG-Projekt veranstalte ich so um die 5 Tagungen pro Jahr. Dabei bin ich an die Vorschriften der DFG gebunden. So darf ich 35 € pro Person für die Bewirtung ausgegeben. Das reicht gerade mal für zwei Kaffeepausen. Möchte ich ein Mittag- und sogar ein Abendessen anbieten, muss ich TN-Gebühr erheben. Werbe- und Büromaterialien (z. B. für die Tagungsmappe) dürfen aus den Projektmitteln nicht bezahlt werden. Diese müssen also auch aus den TN-Gebühren finanziert werden. Und so weiter ...

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 19.12.2016, 14:49
von Vollkornpizza
Hallo Ursuppe,

ich kenne auch beide Varianten. Was mich allerdings stutzig macht, ist das es den Veranstaltern so "früh" einfällt. Vielleicht wäre es gut, wenn du mal Kontakt zu denen aufnehmen könntest, du schreibst ja, dass du bislang noch keinen persönlichen Kontakt zu den Veranstaltern hattest.

Viele Grüsse

VP

Re: Tagungsgebühr trotz eigenem Tagungsbeitrag: übliche Praxis?

Verfasst: 22.12.2016, 08:00
von Etweb
In meinem Bereich (Ing.) ist es absolut üblich das Gebühren anfallen (Kosten hat der Veranstalter ja auf jeden Fall) und normalerweise wird erwartet das sich der Teilnehmer diese "irgendwo" auf der Tagungswebseite raus sucht. Da ich die Webseite nicht kenne kann ich mich zur "Verpeiltheit" des Veranstalters nicht äußern, meiner Erfahrung nach liegt die "Schuld" aber meistens in der Mitte.

150 Euro für 2 Tage ist übrigens extrem günstig und überhaupt nicht verrucht. Warum der TE hier mangelnde Transparenz vorwirft, ist meines Erachtens auch nicht nachvollziehbar.

Zudem ist Kontakt mit dem Vortragenden (von Standard system erstellten emails) auch nicht wesentlich üblicher. Ich hab selbst schon Tagungen organisiert, wenn man da jedem Vortragenden 2-3 emails schicken würde kämen schnell an die 1000 emails zusammen. Warum würde sich das jemand antun????