31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

mschfr

31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von mschfr »

Hallo miteinander!

Ich bin 31 Jahre alt und arbeite seit dreieinhalb Jahren in einer IT-Beratung. Den Job habe ich direkt nach meinem Diplom als Wirtschaftsingenieur angenommen, mag ihn sehr gerne, konnte mich aber in all dieser Zeit nicht von der Idee verabschieden, noch in der (Wirtschafts-)Informatik zu promovieren.

Mein damaliger Prof hat es mir angeboten; dieses Angebot habe ich abgelehnt, ich wollte unbedingt in die freie Wirtschaft und in der Firma weiterarbeiten, in der ich lange Zeit auch Werkstudent war. Jetzt beschäftigt mich der Gedanke, es nun doch noch zu versuchen, mehr und mehr.

Zwei Optionen schweben mir derzeit vor:

Berufsbegleitende Promotion: Mein damaliger Prof hatte mir das vor einem Jahr angeboten, und mein Arbeitgeber ermöglicht mir ein Teilzeitmodell, bspw. 60 oder 80 Prozent.

Vollzeitpromotion: Die Stelle, die ich im Auge habe, zeichnet sich durch starke Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft aus und beinhaltet auch Beratungstätigkeiten bei den Kooperationspartnern - hat also Praxisanteil.

Die Frage, die ich mir dabei allerdings stelle: Bin ich mit 31 zu alt für eine Promotion, d. h. stelle ich mir damit beruflich ein Bein? Ich habe bereits ein paar Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, und natürlich wäre eine Promotion, vor allem Vollzeit, ein ziemlicher Cut. Wäre es aber auch eine schlechte Idee?

Ich möchte die Promotion nicht als riesigen Karrierebooster. Aber ich würde auch ungerne mit 35 oder 36 Jahren feststellen, den falschen Schritt gemacht zu haben, zu alt zu sein, um beruflich voranzukommen, weil ich zu lange "draußen" war.

Habt ihr Erfahrungen hierzu? Könnt ihr mir weiterhelfen?
Johnny

Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von Johnny »

Zu 'alt' bist du keinesfalls - mannoman, du bist 31 und hast Berufserfahrung, arbeitest wahrscheinlich, bis du 70 bist. Ich würde nichtmal ein Problem sehen, wenn du Mitte oder Ende 30 wärst. Sofern du allerdings einen unbefristeten Vertrag hast und keine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen willst (hierfür ist das Alter tatsächlich relevant), würde ich mich an deiner Stelle für die berufsbegleitende Promotion entscheiden. Da du deine Arbeitszeit reduzieren kannst, sehe ich für dich keinen Vorteil darin, aus dem Unternehmen auszusteigen und zur Uni zurückzukehren. Du etwa?
Seb13
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Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von Seb13 »

Auf jeden Fall kannst du das und 31 ist ein schönes Alter dafür (ich habe mit 30 angefangen auch extern und ich nenne es in Teilzeit ) und dadurch dass du schon Berufserfahrung hast, hast du eine ganz andere Ausgangsposition. Ich würde dir auch die berufsbegleitete Promotion raten einfach weil du dann weiter im Beruf bleibst , finanziell weiterhin gesichert bist und es dir vielleicht auch hiflt die wenige Zeit effektiv zu nutzen. Gibt es die Möglichkeit einer kummulativen Promotion? Das ist noch eine Stufe sicherer, denn ein Aussteigen nach einer Veröffentlichung ist einfacher als in der Mitte einer nicht-publizierten Monographie ( falls das Leben anders läuft als du jetzt denkst). Viel Erfolg !
mschfr

Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von mschfr »

Vielen Dank für eure Antworten!

Für eine Promotion am Institut würde m. E. n. sprechen, dass ich diese vermutlich deutlich schneller, mit besserer Betreuung und intensiverem Austausch mit anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern am Lehrstuhl durchführen könnte.

Ich dachte eigentlich, dass das ganz große Pluspunkte wären, die eindeutig für eine Vollzeitpromotion sprechen, komme aber nun etwas ins Zweifeln :)
praktikum
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Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von praktikum »

mschfr hat geschrieben: Für eine Promotion am Institut würde m. E. n. sprechen, dass ich diese vermutlich deutlich schneller, mit besserer Betreuung und intensiverem Austausch mit anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern am Lehrstuhl durchführen könnte.

..., komme aber nun etwas ins Zweifeln :)
Deine Zweifel sind berechtigt. Bei voller Stelle an einem Lehrstuhl wirst Du die vermeidlich gewonnene Zeit schnell wieder für promotionsfremde Aufgaben verlieren. Die Situation am Lehrstuhl vor Ort kennst Du selbst am besten bzw. kannst dafür recherchieren.
Johnny

Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von Johnny »

Du kannst es letztlich so sehen: Dein Geld wirst du, abgesehen von wenigen Ausnahmen (Stipendium, Industriepromotion), nicht mit dem Schreiben deiner Diss verdienen. Die läuft eigentlich immer nebenbei, egal ob man intern oder extern promoviert. Und ob z.B. die Betreuung wirklich besser ist, wenn dein DV gleichzeitig dein Chef ist, ist auch keineswegs gesichert. Du hast sicherlich mehr Kontakt zu ihm, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es bei der Kommunikation eher selten um deine Diss und weitaus häufiger um deine dienstlichen Pflichten gehen wird.
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Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von FerdiFuchs »

Johnny hat geschrieben:Du kannst es letztlich so sehen: Dein Geld wirst du, abgesehen von wenigen Ausnahmen (Stipendium, Industriepromotion), nicht mit dem Schreiben deiner Diss verdienen. Die läuft eigentlich immer nebenbei, egal ob man intern oder extern promoviert.
Konkret bezogen auf die Informatik kann ich das so nicht unterschreiben. Mitarbeiterstellen werden hier meistens durch Forschungsdrittmittel finanziert. Daher sind Doktoranden oft in der Position, "zwei Fliegen mit einer Klappe" schlagen zu können, da sie durch die Arbeit im Drittelmittelprojekt auch direkt die eigene Diss voranbringen - natürlich vorausgesetzt, sie sind bereit, die Diss inhaltlich am jeweiligen Forschungsprojekt auszurichten.

In der Praxis mag es dabei nicht die Regel sein, dass ein Mitarbeiter 100% der bezahlten Zeit am Projektthema arbeitet - die eine oder andere organisatorische Aufgabe stellt sich schon manchmal in den Weg. Aber 50-80% halte ich für realistisch in durchschnittlichen Fällen.
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Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von praktikum »

FerdiFuchs hat geschrieben:
Johnny hat geschrieben:...durch die Arbeit im Drittelmittelprojekt auch direkt die eigene Diss voranbringen - natürlich vorausgesetzt, sie sind bereit, die Diss inhaltlich am jeweiligen Forschungsprojekt auszurichten.

... die eine oder andere organisatorische Aufgabe stellt sich schon manchmal in den Weg. Aber 50-80% halte ich für realistisch in durchschnittlichen Fällen.
Eine Diss komplett an einem Drittmittelprojekt auszurichten spricht aber eher für Pragmatismus zugunsten des Arbeitsaufwands. Anders wird man 80% niemals erreichen können. Die Beschreibung für ein Drittmittelprojekt soll zur Eingrenzung des Projekts dienen, nicht aber als Vorgabe zu einer oder mehreren Doktorarbeiten. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Doktoranden keinen Schritt außerhalb dieses Korsetts machen möchten, weil das zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. :(
JohnvanConnor

Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von JohnvanConnor »

praktikum hat geschrieben:
Eine Diss komplett an einem Drittmittelprojekt auszurichten spricht aber eher für Pragmatismus zugunsten des Arbeitsaufwands. Anders wird man 80% niemals erreichen können. Die Beschreibung für ein Drittmittelprojekt soll zur Eingrenzung des Projekts dienen, nicht aber als Vorgabe zu einer oder mehreren Doktorarbeiten. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Doktoranden keinen Schritt außerhalb dieses Korsetts machen möchten, weil das zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. :(
Also ich kenne das ganz anders, nämlich so, dass ein Drittmittelprojekt im Prinzip nichts anderes ist als die Summe der in seinem Rahmen angefertigten Dissertationen. Regelmäßig werden doch potentielle Doktoranden sogar dazu aufgefordert, zunächst unbezahlt Konzepte/Exposés zu verfassen, aus dem der Prof. dann einen Antrag schmiedet und diesen in seinem Namen einreicht. So ist es zumindest in den prekären Fächern. Ich könnte mir vorstellen, dass in Wirtschaftsinformatik grundsätzlich die Situation für Doktoranden viel besser ist, da sie, anders als Historiker oder Germanisten, doch im Grunde jederzeit wieder in der Wirtschaft tätig werden könnten. Ich hätte daher ganz intuitiv gesagt eher weniger Bedenken bei der Vollzeitpromotion (egal ob aus Drittmitteln oder nicht). Zumal wenn diese auch noch erklärtermaßen eine Beratungstätigkeit einschließt! Dann ist man doch gar nicht wirklich "draußen" aus der beruflichen Praxis. Und es müsste doch im Interesse des Profs. sein, dass diese Dissertation erfolgreich abgeschlossen wird. Eher könnte ich mir vorstellen, dass es zu Schwierigkeiten kommt bei der anderen Variante (denn was hat ein nicht- universitärer Arbeitgeber davon, wenn ein Mitarbeiter nebenbei einen akademischen Grad erwirbt? Er hat vllt. nichts dagegen, aber es dürfte auch nicht gerade eine Priorität darstellen).
praktikum
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Re: 31 Jahre alt mit Berufserfahrung - jetzt noch promovieren?

Beitrag von praktikum »

Das variiert alles, bedingt durch unterschiedliche Fachrichtungen, Lehrstühle und Projekte. Dennoch halte ich 80% der Arbeitszeit für die Thesis im Allgemeinen für ein Gerücht.
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