Abbruch die Xte...

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saigon1986

Abbruch die Xte...

Beitrag von saigon1986 »

Hallo in die Runde,

kurz zu mir: ich bin Ende 20 und habe letzten Sommer meine Masterarbeit (Geisteswissenschaft) abgegeben. Meine Professorin fragte mich im Anschluss, ob ich Lust hätte, bei ihr zu promovieren. Ich fühlte mich natürlich auch geschmeichelt und hatte auch Interesse (ich war vorher bei ihr als WHK eingestellt). Im darauf folgenden Winter bot sie mir eine Stelle in einem Projekt (das eine Diss. beinhaltet und auf 3 Jahre angelegt ist) an, das mit meinen bisherigen Forschungsgebieten nichts zu tun hatte, aber mit einer halben Stelle verbunden war. Nach sehr langem Überlegen habe ich zugesagt. Die Stelle umfasst Gebiete, mit denen ich vorher nicht gearbeitet hatte und benötigt Skills, die ich mir nach und nach mehr schlecht als recht aufgeschafft habe.

Seit Mai 2016 arbeite ich also dort und ich überlege bereits, zu kündigen und meine Diss abzubrechen. Ich finde es etwas schwierig, die Situation zu beschreiben ohne a) sehr weit auszuholen und b) zu viel über mich zu verraten. Zunächst ist das Verhältnis zu meiner Doktormutter etwas seltsam. Sie hat einen recht kruden Sinn für Humor, allerdings habe ich das Gefühl, dass ich davon mehr abbekomme als meine Kollegen. Sie lässt bspw. ab und zu vor allen anderen Kommentare über mein Äußeres oder meine Religion (ich bin recht gläubige Christin, lasse das meiner Meinung nach aber nicht raushängen, es kam mal in einem Gespräch auf) fallen, die zwar nicht boshaft, aber meiner Meinung nach unangebracht sind. Ich habe sie bereits vorsichtig drauf angesprochen und sie meinte, es wäre ja nur Spaß.
Außerdem fällt es mir sehr schwer, mich für mein Thema zu begeistern, was ein recht schwerwiegender Grund ist. Ich bin eigentlich recht begabt im Schreiben und Seminar-/Abschlussarbeiten waren für mich natürlich auch anstrengend, aber das Schreiben fiel mir stets leicht von der Hand und wenn ich mich für ein Thema interessiere, habe ich auch Spaß daran, Literatur durchzuarbeiten. Im Projekt habe ich jedoch das Gefühl, vor einer riesigen Mauer an Texten, Aufgaben und Grundlagenwissen zu stehen, die ich bewältigen muss.
Schließlich macht mir ein Projektkollege das Leben schwer. Obwohl er mir nicht 'übergeordnet' ist, schickt er mir ständig Mails mit Aufgaben, die ich machen soll und er entscheidet wichtige und grundlegende Dinge im Projekt über meinen Kopf hinweg, häufig finde ich seinen Umgangston grenzwertig mir gegenüber. Ich habe schon zwei Mal versucht, mit ihm darüber zu sprechen, es hat nichts gebracht.
Ihr seht vielleicht, dass ich die Entscheidung, abzubrechen, im Herzen schon getroffen habe. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass ich mit der Stelle extrem Glück gehabt habe und dass einem als Geisteswissenschaftler nicht gerade die Jobs hinterhergeworfen werden. Die Zusatzqualifikationen, die ich mir im Laufe der Diss aneignen kann, werden sich gut im Lebenslauf machen und ich habe ein ganz gutes, regelmäßiges Einkommen. Es klingt blöd, aber ich habe außerdem Angst vor der Reaktion meines Umfeldes, meiner Familie, wenn ich erzähle, dass ich mir eine 'solche Chance' entgehen lasse. Ich weiß auch nicht, ob ich je wieder in meinem Bereich an einer Uni arbeiten kann, wenn sich rumspricht, dass ich das Projekt habe hängen lassen, wohl nicht, oder? Ich denke, den Kontakt zu meiner Professorin kann ich dann vergessen und trotz allem habe ich Angst, sie zu enttäuschen. Ich bin bald 30 und habe quasi noch nie 'richtig' gearbeitet (allerdings seit meinem ersten Tag an der Uni immer, teils mehrere, Nebenjobs gehabt), wer will mich schon einstellen?
Ich merke, dass mir die ganze Sache inzwischen sowohl physisch als auch psychisch ziemlich zusetzt und weiß nicht genau, was ich mir von diesem Beitrag erhoffe. Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, alles zu lesen! Ich freue mich, falls mir jemand Feedback geben will.
(Falls euch Fehler auffallen, sorry! Deutsch ist nicht ganz meine Muttersprache :blume: .)
Johnny

Re: Abbruch die Xte...

Beitrag von Johnny »

Die Frage ist, ob du überhaupt in der Wissenschaft verbleiben möchtest. Wenn nicht, lass es sein, nur die zwei Buchstaben sind es nicht wert. Wenn doch, hast du natürlich die Möglichkeit, die Betreuung zu wechseln (bestenfalls an einer anderen Uni) und somit deine drei Probleme auf einen Schlag zu lösen. Ich würde es mir an deiner Stelle aber wirklich gut überlegen, denn mein Eindruck (der nicht zutreffend sein muss) beim Lesen deines Posts ist, dass du tendenziell eher zart besaitet bist und über wenig Selbstbewusstsein verfügst, denn sonst hättest du versucht, dich zumindest gegenüber deinem dir gleichgestellten Kollegen zu behaupten. Das ist keine gute Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere, ich würde sogar sagen, das ist ein K.O-Kriterium (zumindest nach der Promotion). Mangelndes Selbstvertrauen lese ich zudem heraus, weil du es dir offenbar nicht zutraust, dich in ein dir neues / fremdes Themengebiet alleine, schnell und sicher einzuarbeiten. Das ist jedoch in der Wissenschaft unbedingt und jederzeit erforderlich, eine Kernkompetenz sozusagen. Ich habe es noch nie erlebt, dass sich irgendwer mit mir hingesetzt hätte, um mir Inhalte zu erklären - es wird einfach vorausgesetzt, dass du dir das selbst aneignen kannst, was du nicht eh schon im Studium gelernt haben solltest. Wenn du damit überfordert bist, würde ich lieber früh als spät die Reißleine ziehen, zumal du auch für die Wirtschaft nicht attraktiver wirst, desto älter du an der Uni wirst.
alibaba

Re: Abbruch die Xte...

Beitrag von alibaba »

Ich kann mich Johnny in weiten Teilen anschließen.
Es scheint so, als sind es viele kleine Dinge, die dich stören/zweifeln lassen. Dabei musst du selbst entscheiden, welche störenden Aspekte du ändern kannst (ohne abzubrechen) und welche quasi systemimmanent bzw. unveränderlich sind. Das Verhalten deines Kollegen ist definitiv veränderbar - und würde sich wahrscheinlich auch deutlich auf dein Empfinden für die Situation auswirken. Und auch da hat Johnny Recht: Wenn du es nicht schaffst, dich da abzugrenzen und deinem "Kollegen" deutlich zu machen, dass es so nicht geht, dann sind deine Zukunftsaussichten in der Wissenschaft eher mau bis nicht vorhanden.

Bevor ich an deiner Stelle abbrechen würde, würde ich versuchen, die veränderlichen Störfaktoren bestmöglich anzugehen - solltest du daran scheitern, dann kannst du immer noch abbrechen, musst dir nachher aber nicht vorwerfen, dass du nicht alles versucht hättest. Das beinhaltet auch ein offenes - und nicht "vorsichtiges" Gespräch mit deiner Doktormutter (denk einfach daran, dass du nur gewinnen - und unter für dich besseren Bedingungen - Bleiben kannst - andernfalls gibst du die Stelle auf).

Für mich liest sich das - sorry! - eher nach einem "Luxusproblem", da du die fachlichen Lücken mit Engagement sicher besser (als "mehr schlecht als recht") schließen könntest und die Probleme mit dem Kollegen sind für mich eher "hausgemacht" und nicht unveränderlich (ich würde mir das definitiv nicht gefallen lassen, es gibt genug Aufgaben und getroffene Entscheidungen von Vorgesetzten und/der Betreuern - die nimmt man i.d.R. an und hin; aber was dich zwingt, Aufgaben und Alleinentscheidungen deines Kollegen anzunehmen, ist mir schleierhaft...)

Alles Gute!
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