Brauche einen Rat wegen Stelle

doktorand

Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von doktorand »

Hallo ihr Lieben,

bisher war ich nur stiller Leser diesen Forums. Ich habe mich aber gerade in eine blöde Situation gebracht und würde gerne ein paar Meinungen hören.

Ich bin fast fertig mit meiner Doktorarbeit. Die Arbeit ist geschrieben und ich mache den Feinschliff. Ich habe mich vor 2 Monaten bei einer Firma beworben, da meine finanzielle Situation schlecht war für mich. Ich habe noch ein paar Verbindlichkeiten und mein Stipendium lief aus und es sah so aus als ob eine Weiterfinanzierung nicht möglich war. In letzter Minute habe ich noch eine Verlängerung bei meinem Institut erhalten. In dieser Zeit habe ich mich mehr aus Spaß bei einem Unternehmen in der freien Marktwirtschaft beworben. Ich sah das eher als Übung an. Die fanden mich anscheinend so toll :lol: und ich habe heute einen Anruf gekriegt mit der Mitteilung, dass sie mich gerne einstellen würden und ich bis Ende der Woche Bedenkzeit habe. Was noch dazu kommt: Letzten Freitag hat mir mein Chef mitgeteilt, dass ein Finanzierungsantrag bewilligt wurde und ich in ein paar Monaten bei ihm normal eingestellt sein könnte und er jetzt den Organsitationskram an die Sekräterin gibt.

Mein Problem ist, ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll. Auf der einen Seite würde ich gerne erst einmal weiterforschen und einen klaren Kopf verschaffen. Ich könnte locker meine Arbeit fertig machen und in Ruhe verteidigen. Langfristig in der Forschung bleiben möchte ich nicht. Nachteil an meinem Institut ist, die Stelle ist nur auf ein Jahr befristet, während ich im Unternehmen einen 2 Jahresvertrag erhalten würde mit ggf. Aussicht auf Übernahme. Auch könnte ich die Stelle im Institut deutlich später antreten, was finanziell nicht ideal wäre. Ich habe mir ehrlich gesagt schon überlegt, ob ich nicht nach einem Nebenjob am Wochenende Ausschau halte.
Das Unternehmen und die Stelle sind schon toll, das Gehalt wäre deutlich besser und ich bräuchte eigentlich dringend das Geld. Nachteil wäre, ich wäre definitiv aus der Forschung raus. Ein anderer Grund ist, ich möchte nicht meinen Betreuer vor dem Kopf stoßen. Selbst wenn ich mich für die neue Stelle entscheide, würde ich erst ihm Bescheid geben, sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Das würde vielleicht Ärger geben, wenn sie umsonst die neue Stelle schaffen für mich. Seht ihr das anders? Meine andere Sorge ist, dass ich die Verteidigung verhaue, weil ich wegen der neuen Aufgabe komplett raus aus meinem Thema wäre.

Mit ist klar, dass ich die Entscheidung selbst treffen muss, vielleicht kann mir aber jemand von euch zu eine Art Erleuchtung verhelfen :wink:
Penguin
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Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von Penguin »

Hallo doktorand!

Wenn du schon schreibst, dass du langfristig nicht in der Forschung bleiben willst, dann spricht doch viel fuer die neue Stelle, oder?
Du musst deshalb aber noch nicht "raus" sein. Es ist bestimmt moeglich (z.b. mit einem eigenen DFG Antrag) wieder in die Forschung zurueckzukommen. Es koennte aber durchaus schwerer sein.
Der Abschluss wird unter dem neuen Job leiden, da die Korrekturen laenger brauchen. Aber wenn du den Dr nicht fuer deine wissenschaftliche Karriere brauchst bzw fuer die naechste Stelle, dann spricht auch hier nichts dagegen.
Dein Doktorvater wird wahrscheinlich nicht begeistert sein, wenn du seine Finanzierung ablehnst. Wenn du ihm aber erklaerst, dass deine Zukunft ausserhalb der Uni liegt (vielleicht weiss er es ja schon?), dann wird er es sicherlich verstehen und kann ggf noch jemand anderen finden.

Gratuliere zum Jobangebot!
Doc-Wolfi

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von Doc-Wolfi »

Eben, für mich klang das auch so als hättest Du für Deine Zukunft sowieso schon entschieden, die Wissenschaft zu verlassen. Viele wechseln gegen Ende der Doktorarbeit schonmal in eine Firma, weil die Förderung ausläuft. Es ist dann nicht ganz einfach, abends und am Wochenende noch die Diss fertig zu schreiben, aber es geht. Man muss halt dran bleiben!
Wolfi
flip
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Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von flip »

Also, dir wird zwei Mal massiv in die Lebensplanung eingriffen, sodass es verständlich ist, dass du dich nach alternativen umsiehst.
Stellen an der Uni fallen nicht von jetzt auf gleich vom Himmel, sodass dein Chef zumindest vorher schon einmal angedeutet haben könnte, dass es für dich weitergehen kann.

Hat er nicht, als musst du auch kein schlechtes Gewissen haben!

Du wirst sowieso nicht langfristig in der Forschung bleiben. Oder was genau hast du nach dem einen Jahr Vertragsverlängerung vor? Wenn du darauf keine Antwort hast, dann wechsle bitte sofort in das Unternehmen.
Green Goddess

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von Green Goddess »

Es gibt Fachrichtungen, deren Absolventschaft es sich leisten kann, ernsthafte Jobangebote aus dem real life auszuschlagen, weil "ich noch Spass am Uni-Leben habe", und es gibt die anderen Fachrichtungen. Stehen für das eine ausgeschlagene Jobangebot in einem Jahr (plus Leerzeit fürs Konto) 2 andere Angebote bereit? Zahlt dein jetziger Chef deine Miete und sonstigen Verbindlichkeiten? Bei zweimal "Nein" als Antwort solltest du deine Frage selbst beantworten können.
Die Alternativen sind:
a) Job jetzt, sofort, bei Bezahlung in konvertierbarer Währung
b) Job nicht jetzt, nicht sofort, evtl. (!!!) in ein paar Monaten, evtl. Bezahlung in Träumen bzw mit Wohlverhaltenspunkten
Mach dir eins klar: "Die Finanzierung ist durch, und die Stelle wird demnächst geschaffen." heisst nicht mehr und nicht weniger, als dass es HIER und JETZT keine Stelle für dich gibt. Läßt du dich auf diese Möglichkeit ein, so hoffe ich für dich, dass es klappt, eigenes Geld würde ich nicht darauf wetten. Oh, wichtig ist noch, einen Punkt im Hinterkopf zu halten: Auch wenn die Stelle geschaffen wird, hast du sie noch nicht. Geredet wird viel und versprochen noch mehr!
Paulchen
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Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von Paulchen »

Ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen. Es gibt natürlich Bereiche, in denen einem Jobs nachgeschmissen werden. Da kann man dann ohne weiteres zum Spaß noch ein bisschen forschen. In anderen Bereichen ist es hingegen so, dass jede Stelle außerhalb der Wissenschaft ein absoluter Glücksfall ist. Grundsätzlich kann man natürlich keinen Rat geben, ohne genaue Hintergründe (z.B. Deinen Fachbereich) zu kennen.
Doktorand, du schreibst selber, dass du eigentlich nicht in der Wissenschaft bleiben willst. Insofern sollte das eigentlich dein wichtiges Kriterium sein.
Ich habe gerade eine ähnliche Entscheidung treffen müssen und ich habe mich gegen die Wissenschaft entschieden. Das hängt hauptsächlich mit dem System Wissenschaft in diesem Land zusammen und mit der Tatsache, dass Tätigkeiten in der Wissenschaft leider häufig nicht als Berufserfahrungen gewertet wird.
DixInfernal

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von DixInfernal »

Man sollte natürlich das tun, was einem selbst am meisten zusagt. Für mich ist gerade der Gedanke, eine Stelle in der Wirtschaft für eine Promotion aufzugeben, auch erstmal seltsam :D Aber: Es steht an vorderster Front, was einen tendenziell glücklicher machen würde. Und wenn man jetzt schon weiß, dass die Wissenschaft wohl nicht das Wahre ist - warum nicht dann gleich eine solche Chance ergreifen?
Es kommt auf den Bereich an - ich weiß z.B. sehr genau, dass ich für meinen jetzigen Job schnell wieder eine neue Stelle finden würde. Das ist ein Bereich, in dem Arbeitgeber verzweifelt nach Mitarbeitern suchen. Mein Partner ist in der gleichen Branche und der bekommt mittlerweile jede Woche Anfragen bei Xing und hat einige Headhunter, die alle paar Wochen anrufen und ihm was anbieten.
Nun bin ich halt aber so verrückt, dass ich gerne was ganz anderes machen will. Aber ein Plan B/C/D ist natürlich nie verkehrt. Und im Notfall arbeite ich auch wieder in meinem jetzigen Bereich.

Wenn es aber in deinem Bereich (bzw. in der Branche des Unternehmens) eher schwierig ist, eine Stelle zu kriegen, dann würde ich sie absolut annehmen. Es mag zwar nett vom Prof sein, dass er sich einsetzt, da ne Stelle zu schaffen - das ändert ja aber nichts dran, dass die Bedingungen eher mau sind. Und da braucht man dann auch kein schlechtes Gewissen haben, denn am Ende des Tages sitzt du vor deinem Konto und musst dein Leben planen und bezahlen.
doktorand

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von doktorand »

Vielen Dank für die vielen Antworten. Ich werde wohl zusagen :)

Ich promoviere in Biochemie und auch eher in so einem Nieschenbereich. Wenn ich in der Forschung bleiben wollen würde, müsste ich viel rumreisen. Ich selbst bin eigentlich sehr heimatverbunden, zum Beispiel bin ich für die Promotion wieder in meine Heimatstadt zurück und will auch nicht mehr weg. Meine halbe Familie und viele meiner Freunde leben hier. :oops:

Meine Sorge ist, dass die Qualität der Dissertation und insbesondere der Disputation leiden wird. Auch habe ich Angst, dass das Ego meines Betreuers gekränkt sein wird und er mir noch Steine in den Weg legen kann. Er hat sich zwar mit eingesetzt, dass ich im Institut bleiben kann, ich habe vieeeeeele ANträge geschrieben, bei vielen Firmen angefragt, aber zu dem Zeitpunkt als ich mich beworben habe, sah es echt blöd aus. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm das so sagen soll? Soll ich gleich morgen zu ihm? Ich fühe mich so unsicher :?
Meggy

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von Meggy »

Ich würde schnellstmöglich das Gespräch suchen - einfach aus dem pragmatischen Grund dass Dein Betreuer dann mehr Zeit hat, einen entsprechenden Nachfolger o.ä zu suchen oder umzuplanen. Je länger er fest mit DIR rechnet und je knapper "vor Tag X" Du ihm Bescheid sagst, desto negativer wird es denke ich aufstoßen. Ich würde ihm ganz sachlich erklären was Sache ist. Mich bedanken, dass er die Stelle ermöglichen würde. Dass es aber nicht "Dein" Weg ist und Du eine tolle chance in der Wirtschaft - wo Du Dich langfristig eh siehst - bekommen hast. Dass Du natürlich die Promotion durchziehen willst und wirst. Sowas halt :) Mein Prof hat mir damals gut ein Jahr (während der Auswertung und Zusammenschreiben) immer wieder in den Ohren gelegen, er würde mich gerne "in der Wissenschaft behalten", würde sich - wenn ich möchte - nach Möglichkeiten/Stellen umtun etc pp. Ich wusste damals aber schon (ähnlich wie Du) dass ich da raus und die Wirtschaft/Industrie will. Ähnliche Rahmenbedingungen auch: Familie/Freunde in der Heimat (die ich an sich eh ungern verlassen hätte), eigene Kleinfamilie mit Mann und 2 Kindern denen ich ein Leben mit Ungewissheit, mehrfachen Umzügen, etc nicht zumuten wollte... Das hab ich auch immer wieder sehr klar vertreten. Und das war dann auch gut so, hat er akzeptiert, negative Konsequenzen gab es nicht (mein Prof war/ist aber menschlich auch top und einfach fair)
DixInfernal

Re: Brauche einen Rat wegen Stelle

Beitrag von DixInfernal »

Ich würde das auch so schnell wie möglich (nach Unterschreiben des Arbeitsvertrages, wenn du wirklich sicher gehen willst!) hinter mich bringen. Sowas hinauszuzögern bringt nichts. Dein Prof hat auf der langen Hand auch nichts von einem Mitarbeiter, der seinen Job eigentlich nicht so gerne macht.
So habt ihr auch genug Zeit für einen individuellen Plan, wie es weiter gehen soll.

Gesprächstipp: Steh klar zu deinen Entscheidungen und argumentier da ganz sachlich. Dem Prof zu sagen, dass alles sehr unsicher war, ist nicht zielführend. Das weiß er ja selbst. Dank ihm für die Unterstützung und den Einsatz, aber dass du dich eben anders entwickeln willst. Lass dich auch nicht in Rechtfertigungen drängen, das ist DEIN Weg. Versucht, professionell einen Plan für das weitere Vorgehen aufzustellen.
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