Was zählt als peer-review?

JohnvanConnor

Was zählt als peer-review?

Beitrag von JohnvanConnor »

Bei der Auflistung von eigenen Publikationen – etwa in Anträgen oder auf Profilseiten – wird immer öfter auf "peer review" hingewiesen. Wenn man einen Beitrag in einem Journal mit double-blind-peer-review-Verfahren untergebracht hat, am besten noch über ein online-System, ist die Sache eindeutig. Was aber ist mit Journals (besonders deutschsprachigen ohne Infrastruktur oder großen Verlag im Rücken), die einerseits renommiert und exklusiv sind, die aber kein strukturiertes peer-review-Verfahren durchführen (können oder wollen)?

Beispiele für meine Grenzfälle:

1) Kleine, traditionsreiche (Ursprünge zu Beginn des 20. Jhd.) Zeitschrift, die für ein bestimmtes Segment das wichtigste Publikationsorgan darstellt. Einreichen kann man nur nach vorheriger Einladung durch einen der Hrsg., dem geht i. d. R. ein längerer Kontakt voran. Das paper wurde offenbar von allen Hrsg. gelesen, ich bekam namentlich gezeichnete Rückmeldungen von ihnen mit konkreten Überarbeitungswünschen, die wiederum überprüft wurden usw.

2) Rezension in o. g. Zeitschrift, ebenfalls mit Überarbeitungswünschen, aber nur vom Kontakt-Hrsg.

3) Interdisziplinäre Zeitschrift, auf deren website von einer "Begutachtung" der eingereichten Beiträge die Rede ist. Details über das Verfahren erfährt man jedoch nicht, auch wurden zumindest mir keine reviews vorgelegt. Da mein Manuskript nach langer Wartezeit (5 Monate) ohne Änderungswünsche akzeptiert wurde, wollte ich auch nicht nachbohren (besser keine schlafenden Hunde wecken).

Wie haltet Ihr das? Habt Ihr schon mal mitbekommen, dass solche Angaben in irgendeiner Form problematisiert worden sind? Inwieweit ist "peer review" ein geschützter Begriff?
Bin für jede Einschätzung / Anregung dankbar!
Doc-Wolfi

Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von Doc-Wolfi »

Hallo John,
peer-review-Publikationen sind wirklich die Krönung der wissenschaftlichen Publikation. Irgendein Review durch einen Herausgeber genügt da nicht. Ich habe in meiner Publikationsliste zwei Unterkapitel für Zeitschriftenveröffentlichungen: "Wissenschaftliche Publikationen mit Peer Review" (wenige, ca. eine bis zwei pro Jahr wegen dem riesigen Aufwand) und "Sonstige Publiationen". Dasselbe auch bei den Konferenzvorträgen. Auch hier gibt es peer reviews bei wissenschaftlichen Konferenzen und dann eben sonstige Vorträge.
Wenn Du Dich auf eine Professur bewirbst, zählt nur peer review, den Rest streicht Dir die Berufungskommission gnadenlos zusammen.
Viele Grüße, Wolfi
mantor
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Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von mantor »

Doc-Wolfi hat geschrieben: Wenn Du Dich auf eine Professur bewirbst, zählt nur peer review, den Rest streicht Dir die Berufungskommission gnadenlos zusammen.
Viele Grüße, Wolfi
Diese Aussage würde ich nicht verallgemeinern. In meinem Fach sind etwa die wichtigsten Zeitschriften ohne peer review.

Was die eigentliche Frage angeht: Ich verstehe unter "peer review" aber tatsächlich auch etwas anderes als das, was Du oben beschreibst: Unter anderem zählt für mich dazu, dass das gesamte Verfahren anonym vonstatten geht. Das von Dir beschriebene Verfahren fällt für mich unter normales Lektorat. Und gerade wenn es eine renommierte Zeitschrift ist, wissen vielleicht auch andere im Fach, dass es dort eben kein peer-review-Verfahren gibt. In diesem Fall würde Dein kleiner 'Schwindel‘ sofort auffallen. Ich würd's also lassen. Wenn die Zeitschrift einen großen Namen hat, ist das doch auch super.

Und eine Rezension mit peer review? Das kommt mir ganz seltsam vor …
Doc-Wolfi

Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von Doc-Wolfi »

mantor hat geschrieben:
Doc-Wolfi hat geschrieben: Wenn Du Dich auf eine Professur bewirbst, zählt nur peer review, den Rest streicht Dir die Berufungskommission gnadenlos zusammen.
Viele Grüße, Wolfi
Diese Aussage würde ich nicht verallgemeinern. In meinem Fach sind etwa die wichtigsten Zeitschriften ohne peer review.
OK, gut, das kann fachspezifisch sein. Bei uns ist Double Blind Peer Review immer noch Standard bei den wichtigsten Zeitschriften.

Ich stimme Dir zu: Die Kommissionsmitglieder wissen ganz gut, welche der Zeitschriften in ihrem Bereich welches Begutachtungsverfahren verwenden. Ein versuchter Schwindel fällt auf und wirft ein schlechtes Licht auf die Glaubwürdigkeit.

Viele Grüße, Wolfi
flip
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Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von flip »

WIe kann denn, unabhängig der Fachrichtung, eine Zeitschrift ohne Peer-Review wichtig sein? :shock:
Wie kann vor allem eine deutsche Zeitschrift wichtig sein? Da grenze ich ja schon 90% der Forscher von vornherein aus!
mantor
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Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von mantor »

flip hat geschrieben:WIe kann denn, unabhängig der Fachrichtung, eine Zeitschrift ohne Peer-Review wichtig sein? :shock:
Wie kann vor allem eine deutsche Zeitschrift wichtig sein? Da grenze ich ja schon 90% der Forscher von vornherein aus!
Es gibt Fächertraditionen, die eben anders ticken als die angelsächsische und die Qualität ihrer Beiträge sichern, ohne auf ein Peer-Review-Verfahren zu setzen. Das sollte man vielleicht einfach zur Kenntnis nehmen, ohne zu urteilen. Dass auch Peer-Review-Verfahren ihre blinden Flecken haben, ist ja hinlänglich bekannt.

Und natürlich kann eine deutsche Zeitschrift wichtig sein, wenn die Fachsprache nahezu ausschließlich Deutsch ist. Es soll ja Fächer geben, die sich der deutschen Sprache und Literatur widmen … :D
JohnvanConnor

Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von JohnvanConnor »

Danke für die interessanten Rückmeldungen!

Ich habe bisher noch nie meine Publikationen entsprechend aufgeteilt (obwohl eine davon in einem englischsprachigen Journal erschienen ist, das zweifelsfrei die Bedingungen erfüllt). Das spielte einfach in meinem Fachgebiet keine Rolle. Nun muss ich es aber aufgrund von internationaler und fachfremder Einbindung doch tun. Ich stieß auf eine Richtlinie eines großen Forschungsverbundes. Dort ist angemerkt, dass "das sogenannte Peer Reviewing – oft fälschlicherweise synonym mit dem double-blind Verfahren gebraucht –, (...) als eine Form von Bewertung durch anerkannte Autoritäten im Fach verstanden wird." Es werden 5 mögliche Unterformen definiert: "Editorial Pre-Review", "Single-Blind", "Double-Blind", "Triple-Blind" und "Open Peer Review". Daher meine Verwirrung, die zur Frage führte. Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass sich da gerade einiges bewegt. Ich werde es weiter beobachten.
JohnvanConnor

Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von JohnvanConnor »

Noch eine Anmerkung, da hier Peer-Review z. T. so etwas auf ein Podest gestellt wurde: ich lese regelmäßig solche Aufsätze und wundere mich immer wieder, wie homogen es meist innerhalb eines Journals zugeht. Die Herausgeber und Associate Editors werden permanent zitiert, und zwar ausschließlich zustimmend/positiv. Viele der Artikel sind erschreckend belanglos. Kürzlich las ich einen, in dem einfach als Ergebnis präsentiert wurde: die vorherrschende Forschungsmeinung hat sich bestätigt (wieder mal!). Das ist halt auch irgendwie eine sich selbst erhaltende und bestätigende Maschinerie. Sicher nicht ausschließlich und vielleicht nicht einmal wesentlich, aber eine Fetischisierung von "peer review" sollte man sich halt auch zwei mal überlegen.
flip
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Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von flip »

Naja, es sollte klar sein, dass Disziplinen wie die deutsche Literaturgeschichte Ausnahmen sind. Mit "angelsächsisch" hat das auch nichts zu tun. Die wegweisenden Publikationen des MINT-Bereichts des halben Jahrhunderts wurden wohl kaum in der Landessprache verfasst.

Ansonsten ist der einzige, meiner Ansicht nach relevante Unterschied zwischen, dass bei einem Peer-reviewed Journal der Editor mehr Meinungen bekommt. Mit anderen Worten, es lesen mehrere Augen über den Beitrag. Mit anderen Worten: Fehlerquellen werden minimiert, Anmerkungen heben die Qualität. Natürlich gibt es auch Schattenseiten.

Ich für meinen Teil beschränke mich ausschließlich auf jene Artikel. Alles andere ist nicht zitationswürdig (mit ganz wenigen Ausnahmen). Aber ja... anscheinend anderer Fachbereich.
Was jetzt die Qualität der einzelnen Beiträge angeht ist dies subjektiv. Da wird es immer Beispiele geben, die nicht ins Bild passen.
myfunnyvalentine

Re: Was zählt als peer-review?

Beitrag von myfunnyvalentine »

mantor hat geschrieben:Und eine Rezension mit peer review? Das kommt mir ganz seltsam vor …
Nur der Vollständigkeit halber: Ich kenne aus Erahrung im Bereich der Literaturwissenschaften durchaus Zeitschriften, bei denen auch Rezensionen vor der Veröffentlichung noch einmal reviewed werden: Die European Romantic Review etwa, oder das deutsche Journal for Literary Theory :)
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