Jobsuche während der Promotion

abgemeldet

Re: Jobsuche während der Promotion

Beitrag von abgemeldet »

Ein Promotionsvorhaben als "Lückenfüller" zu beginnen ist für mich ganz persönlich der zweit-schlechteste Grund, um so etwas zu starten (an Platz 1 ist für mich nach wie vor der unbedingte Titelwunsch).

Warum ist dem so?

1. Sie "klauen" jemandem die Promotionsstelle, der tatsächlich promovieren möchte.
2. Grund für eine Promotion sollte in erster Linie sein, dass man wissenschaftlich arbeiten und Erkenntnisse generieren möchte.

Ich kenne durchaus Promovierende - und auch bei mir war das ein Thema - die eine Promotion mit dem Wunsch zum wissenschaftlichen Arbeiten begonnen und diesbezüglich(!) auch abgeschlossen haben, bei denen sich während der Promotion aber die Karriere- und Lebensplanung derartig stark verändert hat, dass ein Dr.-Titel mehr Hindernis als Nutzen gewesen wäre. Vor allem im Hinblick auf gesellschaftliche Vorurteile. In solchen Fällen kann ich eine Pausierung oder gar einen Abbruch nachvollziehen. Wenn man nämlich merkt, dass man im Leben doch kein Ressortleiter werden möchte, wie vielleicht noch zu Beginn der Promotion, sondern lieber Sachbearbeiter (z.B. aufgrund der Work-Life-Balance), dann wäre ein Dr.-Titel eine deutliche Überqualifikation und somit potenziell ein Hindernis, je nachdem wie man damit umgeht.

Wenn jemand allerdings von Anfang an nur mit dem Vorhaben startet, um es irgendwann wieder abzubrechen, dann hält sich mein Verständnis doch sehr stark in Grenzen.

Ansonsten ist schon viel Richtiges gesagt worden und ich als Personaler greife das gerne noch einmal auf:
Als Ingenieur mit sehr gutem Abschluss und multikulturellem Hintergrund (das lese ich zumindest heraus), sollte es eigentlich ein Leichtes sein, eine gute Anstellung zu finden. Gerade in Deutschland. Eventuell sollten Sie Ihren Bewerbungsprozess optimieren.
Doc-Wolfi

Re: Jobsuche während der Promotion

Beitrag von Doc-Wolfi »

Also, als Doktorvater würde ich mich auch sehr ärgern, wenn bei mir jemand anfängt, dann immer nur halbherzig herumwurschtelt und letztlich nach ein paar Monaten wieder verschwindet. Dann hat er Geld gekostet aber erstmal nichts geleistet. Die ersten Monate sind ja sowieso nur Einarbeitung. Das Gesamtprojekt ist in Verzug und man fängt nochmal neu mit der Doktorandensuche an, was locker 3 Monate dauert.

Ich würde aber widersprechen, dass ein multikultureller Hintergrund hilfreich ist. Es gibt in Deutschland durchaus auch Diskriminierung. Das sollte aber nur dazu führen, dass die Erfolgsquote bei den Bewerbungen geringer ist, null sollte sie eher nicht sein. Eine Überprüfung der Bewerbungsunterlagen ist eine gute Idee. In manchen Ländern sind die Sitten bei Bewerbungen anders, z.B. ist es in manchen Ländern üblich, kein Foto beizulegen und auch Geschlecht und Familienstand zu verschweigen, um sich vor Diskriminierung zu schützen. In Deutschland ja eher nicht, da ist man eher irritiert, wenn man nicht weiß, ob die Bewerbung von einem Mann oder einer Frau stammt. Man will sich ja schon ein konkretes Bild machen.

Neulich hatte ich ein interessantes Bewerbungsgespräch mit einem Studenten, der zuerst etwas zögerte, was Vorerfahrungen in Projektmanagement anging, bis er dann ins Sprudeln kam und begeistert von einem recht aufwändigen Projekt erzählte, wo er eine ganze Menge Erfahrungen gemacht hat. Manchmal wissen junge Leute ihre Erfahrungen nicht gut einzuordnen und anzugeben!

Wolfi
itsme

Re: Jobsuche während der Promotion

Beitrag von itsme »

Also, als Doktorvater würde ich mich auch sehr ärgern, wenn bei mir jemand anfängt, dann immer nur halbherzig herumwurschtelt und letztlich nach ein paar Monaten wieder verschwindet. Dann hat er Geld gekostet aber erstmal nichts geleistet. Die ersten Monate sind ja sowieso nur Einarbeitung. Das Gesamtprojekt ist in Verzug und man fängt nochmal neu mit der Doktorandensuche an, was locker 3 Monate dauert.
Stimmt, aber muss das den TE belasten? Er steht aktuell vor zwei Alternativen:

1.) Promotionsprojekt beginnen, Bewerbungsunterlagen überarbeiten, mit der Promotionsstelle im Hintergrund eine geeignetere/passendere Stelle für sich suchen
2.) Promotionsprojekt nicht beginnen, Bewerbungsunterlagen überarbeiten, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine geeignete/passende Stelle für sich suchen.

Wenn man die moralische Frage außen vor lässt, dann ist der Ratschlag eigentlich einfach: Er sollte sich für die Lösung entscheiden, die für ihn die Beste ist. Ich persönlich glaube, dass - gerade wenn sich die Bewerbungen jetzt schon etwas zäh gestalten - es in jedem Fall besser ist, die Promotionsstelle zu nehmen, um die Ausgangsposition für weitere Bewerbungen zu verbessern. Dass das aus Sicht des DV nicht optimal ist, kann nicht das Problem des Doktoranden/Mitarbeiters sein, genauso wenig wie die moralischen Bauchschmerzen wegen des "Klauens" einer Promotionsstelle. Am Ende sind auch Promotionsstellen "nur" Arbeitsplätze und es ist die Aufgabe der Vorgesetzten, sie so zu gestalten, dass sie geeignete Mitarbeiter gewinnen und auch halten können. Dazu kommt dann noch eine Budgetrestriktion: Der TE muss jetzt erstmal Geld verdienen. Soll sich der Doktorvater halt ärgern, aber jeder hat hier das Recht seine Arbeitskraft so einzusetzen, dass sie ihm erlaubt, die eigenen Lebenspläne zu verwirklichen.
Doc-Wolfi

Re: Jobsuche während der Promotion

Beitrag von Doc-Wolfi »

Nunja, die Welt ist klein und man weiß nicht, ob der Dotorvater doch eine Möglichkeit findet, sich zu rächen.
Aber jeder darf natürlich so rücksichtslos sein wie er will und muss dann die Folgen tragen.
Kann natürlich auch gut sein, dass dem Doktorvater des Desinteresse seines Doktoranden schnell auffällt und er die Probezeit dann nicht überlebt.

Ich sehe übrigens noch eine dritte Möglichkeit: sich selbständig machen. Eventuell wird das sogar vom Arbeitsamt unterstützt. Ich über die aktuelle Lage nicht informiert.
Viele Grüße,
Wolfi
alibaba

Re: Jobsuche während der Promotion

Beitrag von alibaba »

Hallo,
also ich sehe das wie Doc-Wolfi. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich diese Rücksichtslosigkeit mal rechen wird.

Und außerdem: So viele hier beklagen sich - ganz zu Recht - über schlechte Betreuungen, unfaire DV/DM etc. Das wird nicht besser, wenn DV/DM Doktoranden annehmen (und einstellen!), die dann geplant die Lückenfüller-Stelle wieder verlassen. Das Wesen meines DV/meiner DM kann ich nicht ändern, aber ich glaube schon, dass man Fairness auch von Seiten der Doktoranden erwarten darf.

Ich habe es bisher zweimal erlebt, dass Doktoranden Stellen aus ebensolchen Gründen in meinem Umfeld angenommen und dann wieder aufgegeben haben - die Situation für die "hinterbliebenen" Doktoranden war dann nicht einfach, denn gleich welchen Charakter die Betreuer haben, das lässt die wenigsten kalt und sie überdenken dann naturgemäß ihren Betreuungsstil. Die Folgen können dann nur kurz- oder auch langfristig sein, aber um ehrlich zu sein: Moralische Überlegungen sind m.E.n. nicht unbedingt weniger wichtig als pragmatische Überlegungen.

Aber gut, in den Spiegel schauen muss ja bekanntlich jeder selbst.

Einen schönen Tag, alibaba
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