Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

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Robby

Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Robby »

Mein Problem ist schnell zusammengefasst: Ich habe während der Promotion meinen Prüfer wechseln müssen. Er sagte ganz zu Beginn ohne jemals eine Seite gelesen zu haben bereits, auch gegenüber anderen: Es geht bei der weiteren Betreuung der Arbeit um Bestehen oder Nicht-Bestehen, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Und so ist es auch gekommen. Ich bin mit Rite im Gutachten bewertet worden, die mündliche Verteidigung konnte die Gesamtnote nicht mehr ändern. Ich habe anschließend aber das Gutachten eingesehen und bin fast vom Stuhl gefallen, welche Gründe für diese Bewertung herangezogen werden.

Ein paar Beispiele (Ich nenne keine Details, um keine Rückschlüsse zuzulassen, sollte der Prüfer ggf. auch dieses Forum finden): -Es werden Quellen von mir angezweifelt ("Es ist unklar, ob es diesen Effekt überhaupt gibt"), obwohl darin nur der grundsätzliche Zusammenhang beschrieben wird, der täglich Grundlage für Geschäftsabschlüsse ist. Der Effekt wird also vom Prüfer aus seiner eigenen Unkenntniss abgestritten.
- So geht es weiter, die Arbeit ist auf Englisch verfasst, und der Prüfer schreibt, ein von mir häufig verwendetes Wort würde nicht exisitieren. Das Wort selbst ist aber in meinem Themengebiet Namensgeber für ein Prinzip, das "Wort"-Theorie heißt.
- Schließlich bemängelt der Prüfer das Fehlen einer wenig wissenschaftlichen Quelle, die in der jüngsten Zeit zwar populär geworden ist, jedoch nichts anderes aussagt als eine alte Quelle, die über 150 Jahre alt ist und allgemein anerkannt wird. Er führt dann sein Gutachten so fort, als hätte ich im Text diesen Zusammenhang überhaupt nicht erwähnt und wäre ohne Kenntnis des Zusammenhangs, der aber nachweisbar in meinem Text erläutert wird.

Nun ist die Frage, ob ich einen Widerspruch auf Notenverbesserung einlegen kann und welche Folgen dies hat. So etwas scheint ja sehr selten zu sein und für mich ist vor allem der Ablauf solch eines Verfahrens interessant und ob eine Folge ggf. auch das Nitbestehen und somit Entzug des Doktortitels bedeuten könnte. Ich habe bereits in Erfahrung gebracht, dass generell im Prüfungsrecht eigentlich der o.g. Antrag auf "Notenverbesserung" statt eines allgemeinen Widerspruchs davor schützen sollte.

Hat jemand da eine Idee?
flip
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Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von flip »

Was ist mit den anderen Gutachtern?
Hast der Prüfer jemals die Arbeit vor Einreichung gesehen?
Hast du jemals mit ihrem "richtigen" Kontakt gehabt?
Robby

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Robby »

Das zweite Gutachten wiederholt das erste Gutachten, ohne aber auf Details einzugehen, es ist deutlich kürzer und allgemeiner.
Die Arbeit lag dem Gutachter bereits vor Einreichung vor, ist aber niemals komplett gelesen worden.
Die Betreuung war sehr knapp und auf das nötigste beschränkt.
JohnvanConnor

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von JohnvanConnor »

Ich habe ein solches Widerspruchsverfahren mal bei einem Bekannten mitbekommen. Da wurde von der Uni ein weiterer Prof. um ein zusätzliches Gutachten gebeten. Der hat dann allerdings die Note bestätigt. Der Bekannte hat Note und Titel behalten, kam auf eine inoffizielle Schwarze Liste und gilt jetzt in der Fachszene als radioaktiv.
Natürlich ist das im Zweifelsfall an jeder Fakultät anders. Aber ich würde mal Folgendes bedenken: es ist sicher ziemlich unwahrscheinlich, dass Du eine Verbesserung erreichst. Die genannten Punkte könnte man im Prinzip ja auch anerkennen und dann sagen: die Gesamtbewertung stimmt trotzdem noch. Da es sich nicht um einen Test handelt, bei dem Antworten als eindeutig richtig/falsch gewertet werden können, ist es immer eine Frage der Einschätzung. Und welche Krähe hackt der anderen ein Auge aus?
Und: selbst im Erfolgsfall wird die Note doch wahrscheinlich nur auf "cum laude" hochgestuft. Davon kann man sich i. d. R. auch nichts kaufen! Im Gegenteil würde ich ganz intuitiv sagen, dass "rite" eher noch besser ist! Weil die Note so selten vorkommt, da denkt man gleich, dass da vermutlich ein Zerwürfnis mit den Betreuern hintersteht. Also: die Vermutung, dass eine Arbeit besser ist als ihre Note, sehe ich bei "rite" eher noch gegeben als bei dem lauwarmen "cum laude". Aber solche Sprekulationen stehen mir nicht zu, ich kenne ja die Gesamtsituation gar nicht. Alles Gute!
Doc-Wolfi

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Doc-Wolfi »

Hallo Robby,
es nutzt Dir jetzt natürlich auch nichts mehr, wenn ich Dir rate, grundsätzlich nicht mit einem Chef zu arbeiten, der von Anfang solche Sachen sagt. Aber ich musste das auch auf die harte Tour lernen.
Ich sehe Deine Chancen auch als schlecht an. "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" sagt man. Mit Deinem Betreuer ist ja offensichtlich nicht gut Kirschen essen. Vermutlich will es sich auch kein Prof mit ihm verscherzen. In der Wissenschaft geht es streng hierarchisch zu und das macht Deine Chancen nicht so richtig rosig. Selbst wenn Deine Note verbessert werden würde, würde die Note kaum jemanden interessieren, aber was an Dir kleben würde wie Dunggeruch wäre das Gerücht, dass Du mit Deinem Doktorvater Ärger hattest und die Sache sogar vor Gericht ging. Da das kein anderer riskieren will und auch nicht weiß, wer nun in der Geschichte der Böse war, würde man dich meiden. Tatsächlich interessiert die Note der Diss sowieso keinen, außer innerhalb der Wissenschaft. Es fragen einen die Leute immer nur 1.) nach dem Thema, 2.) nach dem Institut, wo man sie geschrieben hat und 3.) vielleicht noch nach den Ergebnissen. Die Frage nach der Note kommt in der Hitliste der Nachfragen ganz weit hinten.
Manchmal muss man seine Niederlagen tapfer tragen, auch wenn sie ungerecht sind. :-(
Wolfi
Robby

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Robby »

Die Interpretation von rite finde ich interessant - und gar nicht so übel. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich momentan in der Hochschuladministration arbeite und nicht vor hatte, jemals in die Wissenschaft zurückzukehren. Daher denke ich schon, dass eine bessere Note sich auch besser macht? Die bei einem Widerspruch zu erwartende Auseinandersetzung erfährt dann ja keiner in der Privatwirtschaft.
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Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Zwonk »

@Robby: Nach meiner Erfahrung in der Privatwirtschaft interessiert die Note dort keinen Menschen. Ich jedenfalls bin niemals danach gefragt worden. Der Doktorgrad hat in vielen Branchen eine nicht zu unterschätzende repräsentative Funktion; und die erfüllt er ganz unabhängig davon, was auf dem Zeugnis steht. Auf der Visitenkarte steht ja unabhängig davon sowieso nur "Dr. Robby".
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Robby

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von Robby »

Alles wirklich interessante Gedanken. Aber für den Fall der Fälle: wie läuft das technisch mit Widerspruch? Gehe ich nur gegen das Gutachten vor oder wird alles in Frage gestellt?
JohnvanConnor

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von JohnvanConnor »

Es lässt sich m. E. kaum vorhersehen, ob in einem solchen Fall "nur" die Gutachten in Frage gestellt werden oder ob das ganze Promotionsverfahren irgendwie revidiert wird. Bei dem mir bekannten Fall ging es nur um die Note, das Verfahren als Ganzes stand nicht zur Debatte. Aber da das Anfechten der Note kaum in der Promotionsordnung als reguläre Option vorgesehen sein dürfte, kann da sicher vieles passieren, was sich nicht einschätzen lässt. Wie heißt es: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand...
Ohne Anwalt wird es sicher ohnehin nicht gehen, und der kann auch die Risiken einschätzen
itsme

Re: Widerspruch gegen Gutachten - wie geht das?

Beitrag von itsme »

Abgesehen von den formalen und rechtlichen Fragen, die dir vermutlich nur ein ortsansässiger Anwalt beantworten kann, dem die Promotionsordnung vorliegt: Ich würde mich vorher nach dem "standing" des Betreuers in der "scientific community" umhören. Wenn du das mit der Anfechtung wirklich durchziehen willst, dann richte dich darauf ein, dass es hart wird. Deine Arbeit und vielleicht auch deine Person werden ziemlich runtergemacht werden. Allerdings gibt es Fälle, in denen sich Hochschullehrer selbst so diskreditiert haben, dass die werten Kollegen froh sind, wenn sie ein Zeichen setzen können. In dem Fall könntest du Glück mit dem Drittgutachter haben. Falls dein DV aber tatsächlich so ein Schandfleck ist, dann ist es vllt. klüger das "rite" stehen zu lassen - als Auszeichnung dafür, dass du den Typen mit seinen eigenen Mängeln konfrontiert hast.

Vielleicht gibt es auch alternative, weniger belastende Wege der Rehabilitation. Wenn du gerade in der Hochschuladministration tätig bist, hast du ja eine institutionelle Anbindung an eine Hochschule. Kannst du vielleicht Ergebnisse aus deiner Arbeit hochrangig publizieren? Wenn dir die Publikation in einem hochrangigen Journal gelingt, dann ist das für dich viel nützlicher als das Anrennen gegen die Mauer eines bereits abgeschlossenen Promotionsverfahrens.

In jedem Fall: Alles Gute! :blume: Venceremos! :wink:
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