Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

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zombie777
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Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

Beitrag von zombie777 »

Das Thema ist nur indirekt mit der Promotion verbunden, ich hoffe aber viele vor Euch haben das erlebt und können mir ein paar Tipps geben.

Ich habe erfolgreich promoviert, wollte danach nicht an der Uni bleiben, obwohl, ehrlich, selbst wenn ich das gewollt hätte, hätte ich auch keine Möglichkeit gehabt: Ich habe mit einem externen Stipendium promoviert.

Ich arbeite jetzt in der freien Wirtschaft, in einem ziemlich anspruchsvollen Bereich (Unternehmensberatung). Leider musste ich ziemlich unten einsteigen (bin aber keine Praktikantin/ Trainee, habe einen ganz normalen unbefristeten Vertrag) - ich komme aus einer ein bisschen anderen Ecke und man wollte, dass ich langsam einsteige. Die Arbeit bietet aber auf jeden Fall sehr gute Perspektiven. Meine KollegInnen sind auch toll, wir verstehen uns sehr gut.

Das Problem ist: Mir ist die Arbeit zur Zeit zu einfach und zu langsam. Den Bereich finde ich super spannend. Ich will auf jeden Fall in diesem Beruf bleiben.

Aber erst jetzt entdecke ich, wie viel ich während der Promotion gelernt habe. Ich bin es gewohnt, komplexe Probleme zu lösen, Info schnell zu analysieren, ganz schnell zu arbeiten, meine Arbeit gut zu organisieren. Früher, vor der Promotion konnte ich das nicht. Meine Promotion war eigentlich mit dem Thema meiner Arbeit sehr stark verbunden, was auf den ersten Blick nicht so klar war, so dass ich jetzt auf dem Wissen aus der Promotionszeit basieren kann. Ich habe jetzt schon mehrmals von ProjektmanagerInnen und KollegInnen Feedback bekommen, dass ich super schnell arbeite und sehr gute Ideen habe (und nein, das war nicht ironisch gemeint...).

Ich erledige zur Zeit meine Arbeit in 2-3 Stunden... Werde für 8 bezahlt. (Das sind typische Aufgaben auf meinen Niveau, ich mache auf keinen Fall Kaffee).

Dann sitze ich und warte... Warte... Warte... Das macht mich so langsam verrückt.

Ich will auf keinen Fall arrogant wirken und meinen Chefs immer wieder vorschlagen, dass ich neue Aufgaben übernehme. Ich will nicht zu "pushy" wirken. Sie wissen sehr gut, dass ich pro-aktiv bin. Ich habe meiner Chefin schon gesagt, dass ich gerne Neues übernehme, habe aber bisher nichts erhalten.

Ich will auch niemanden einschüchtern - bei einem der Projekte habe ich de facto die Leitung übernommen, obwohl eine viel erfahrenere Kollegin eigentlich dafür verantwortlich ist -, ich frage mich aber immer, ob ich später deswegen nicht verliere (UnternehmensberaterInnen haben in der Regel ein ziemlich großes Ego... ;).

Ideen, wie ich damit umgehen sollte? Die Hierarchien sind hier ziemlich steif und ich werde wahrscheinlich erst in 2 Jahren befördert. Wenn alles gut läuft.

Und bitte, werft mir keine Ãœberheblichkeit vor. Ich beschreibe nur was ich beobachte und ich vergleiche mich mit meinen KollegInnen.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
Green Goddess

Re: Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

Beitrag von Green Goddess »

Generell 2 ergänzende Ansichten meinerseits:
  • 1. Unternehmensberatung ist nicht per se anspruchsvoll! 80% der Tätigkeit besteht darin, Kunden Mittelmaß an "Tätigkeitlern" zu Stundensätzen im 3-stelligen Bereich zu vermitteln, "body leasing" lautet der Begriff, NICHT "brain leasing", zu Recht wie ich finde.
    2. Leistungsorientierte Bezahlung findet NICHT statt, karierte Maiglöckchen Jobs aussen vor gelassen. Der Produktivitätsunterschied (Bsp. Softwareentwicklung) zwischen einem eher durchschnittlichen und einem sehr bis extrem guten SE liegt durchaus bei einem Faktor von 10 (und höher), die Entgeltung der Leistung unterscheidet sich vlt um 30-50% inkl Erfolgsprämien.
Dein AG hat KEINERLEI Interesse, dem Kunden eine Spitzenleistung vorzuführen, weil dieser im Gegenzug, so unverschämt sind Kunden, anschliessend dies als Maßstab ansetzen würde. Von deinem CV her, das wahrscheinlich dem Kunden vorgelegt wurde, dürftest du als Junior Consultant verkauft werden, dein AG -ich weiss, ich wiederhole mich- hat keinerlei Interesse, zu entschleiern, dass Junior bessere Performance bringt als manche Seniors, das würde zu ungewollten Preisdiskussionen resp Verstimmungen führen.

Ich habe einige "zig" Gespräche mit festangestellten Consultants geführt, die fast sämtlich sagten, dass sie ihren AG als Sprungbrett sähen, zu einem Kunden, bei dem es ihnen gefällt. Einen anderen Rat kann ich dir leider nicht geben. "Warten" ist kein Zustand. NIEMAND sieht, dass deine Arbeit in 30% der Zeit schon erledigt ist, ALLE sehen dich nur rumsitzen. ;) Sprich mit den Internen, adde (Notiz am mich: "Denglisch reduzieren! (!!!)" ) sie auf XING, etc. Mach dich bekannt! Netzwerke bei Kunden aufbauen ist ALLES in dem Job, sofern dein Ziel nicht darin besteht, morgen schon den Jahresurlaub für 2018 planen zu können. Nie findet man besser einen neuen Job als aus ungekündigter Stellung, ausserdem gibt es ein weit besseres standing in VGs. ;)

Deine Alternative ist, die Situation auszusitzen, wobei dich die Beförderung nicht grundsätzlich in eine andere Situation bringen wird, lediglich das Schmerzensgeld ist höher angesetzt.

In diesem Sinne
G_G
zombie777
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Status: schon länger fertig

Re: Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

Beitrag von zombie777 »

Danke für deine Antwort.

"Unternehmensberatung ist nicht per se anspruchsvoll!"

Naja, ich hoffe das klingt jetzt nicht arrogant, ich bilde mir nichts ein, bin auch nicht eine von den Leuten, die an den Mythos "Unternehmensberatung" glauben. Aber ich würde schon denken, die Tätigkeit ist anspruchsvoller als viele andere im wirtschaftlichen Bereich. Schon wegen den Anforderungen an die Einsteiger.

Meine Situation hat sich nicht wirklich geändert. Ich muss jetzt zwar 4-5 Stunden pro Tag arbeiten, vor allem aber deswegen, weil ich bei dem neuen Projekt mehr Treffen besuchen muss. Sonst... bin ich unterfordert. Ich warte bis die 8 Stunden Arbeitszeit vorbei sind. Ich glaube immer noch, dass die Tätigkeit als Consultant meiner Persönlichkeit entspricht. Der Bereich, in dem ich aktiv bin, passt aber doch nicht so, ich möchte ihn wechseln. Man ist immerhin mit meiner Arbeit sehr zufrieden, und zwar sowohl der Kunde als auch mein Unternehmen, wobei ich immer noch nicht befördert worden bin.

Ich bin auf xing und linkedin aktiv. Ich besuche aus eigenerer Initiative Konferenzen und ähnliche Veranstaltungen, finde aber, es ist zunehmend schwierig für mich, mich dazu zu motivieren. Ich finde es erschöpfend, stundenlang nichts zu tun, verliere dadurch meine Energie. Und das niedrige Gehalt hilft nicht wirklich.
14. Apr 2017;14. Jul 2017;a;bis ich statistisch gesehen einen neuen Job finde.
algol
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Re: Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

Beitrag von algol »

Wenn Du Unternehmensberatung magst, kannst Du dann zu einer anderen Unternehmensberatung wechseln?
Ich habe auch mal in einer Beratung gearbeitet, wo in einem Bereich die Leute rumsaßen, weil es zu wenig Arbeit gab.
Warum man trotzdem noch weitere Leute für den Bereich eingestellt hat, weiß ich nicht.
Jedenfalls sind die meisten Neueingestellten nach wenigen Monaten weitergezogen, weil sie nicht rumsitzen wollten.
Doc-Wolfi

Re: Unterforderung in der freien Wirtschaft nach der Promotion

Beitrag von Doc-Wolfi »

Puh, also ich würde es für ein Alarmzeichen halten, wenn man mir nicht genügend Arbeit gibt, damit ich den ganzen Tag beschäftigt bin. Unternehmensberatungen haben doch normalerweise Zeitdruck und Fachkräftemangel. Sind die wirklich mit Deiner Arbeit zufrieden? Entspricht die Arbeit wirklich Deinem Niveau? Mir klingt Deine Arbeitstagbeschreibung eher nach "kalt gestellt".
Wolfi
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