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Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 18.11.2015, 14:23
von KaterAusBrasilien
Vielleicht ist die Sache auch für andere interessant, daher will ich sie hier noch einmal schreiben.

In meiner PO ist geregelt: Einreichung, Gutachten, Auslage, Annahme, Disputation, Publikation.

Im Okt. 2013 habe ich die Diss. eingereicht, im Jan. 2014 lagen zwei Gutachten mit magna cum laude vor. Die Diss. lag mit den Gutachten aus und wurde von der Fakultät angenommen.

Im Februar 2014 habe ich mich total mit meinen Gutachtern zerstritten und daraufhin fand sich erst mal kein Verteidigungstermin mehr.

Im Oktober 2014 wurde ein Mitglied der Promotionskommission ausgetauscht, über die Gründe und die Person wurde ich nicht informiert.

Im April 2015 informierte man mich, dass ein drittes Gutachten in Auftrag gegeben worden ist, weil der Erstgutachter sein Gutachten zurückgezogen habe.

Inhaltliche Auflagen o.ä. gab es in keinem der Gutachten.

So steht dann auch im seit Oktober 2015 vorliegenden Drittgutachten eines mir unbekannten Professors mit cum laude: "Der Erstgutachter zog das Gutachten zurück ... Die Note entsteht in Anlehnung an das Zweitgutachten"

Die Doktorarbeit lag erneut mit dem Drittgutachten aus und wurde vom Fakultätsrat angenommen.

Heute informierte mich die Kommission jedoch: Es sei rechtlich nicht möglich gewesen, dass man das Erstgutachten zurückziehe - daher zählen alle drei Gutachten.

Ich bezweifle, dass das dritte Gutachten nun irgendwie legitim ist. Denn es entstand ja auf der rechtlichen nicht gegebenen Annahme, dass man ein Gutachten zurückziehen und durch ein anderes Gutachten ersetzen könnte.

Nun ist morgen die Disputation.

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 19.11.2015, 08:18
von walliworld
schau doch erstmal was morgen bei der Disputation rauskommt. Wenn Du dein magna bekommst würde ich mich nicht weiter drum kümmern.

Viel Glück!

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 19.11.2015, 08:29
von Traudel
Viel Erfolg, lieber Kater!!! :blume: :dr)

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 20.11.2015, 08:42
von KaterAusBrasilien
Die Disputation lief sehr gut. Die anderen Gutachter und die Kommission insgesamt haben sich auch sehr für mich eingesetzt. Habe das magna cum laude als Gesamtprädikat erhalten.

Aber es war trotzdem interessant: Der Doktorvater und Erstgutachter ließ eine Erklärung vorlesen, dass er aufgrund von Befangenheit nicht an der teilnehme - und die Rechtsabteilung der Universität war auch involviert.

Nun noch die Arbeit publizieren, inhaltliche Auflagen gab es keine.

Jetzt kann ich in Ruhe an meiner zweiten Doktorarbeit weiter arbeiten.

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 20.11.2015, 09:35
von Traudel
SUUUUUPER! Glückwunsch :blume:
LG Traudel

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 21.11.2015, 19:48
von itsme
KaterAusBrasilien hat geschrieben:Die Disputation lief sehr gut. Die anderen Gutachter und die Kommission insgesamt haben sich auch sehr für mich eingesetzt. Habe das magna cum laude als Gesamtprädikat erhalten.
Ich habe mir mit der Suchfunktion deinen ersten Thread rausgesucht und kann nur sagen: RESPEKT! Ich habe natürlich keine Ahnung, was genau vorgefallen ist und wie das zu bewerten ist, aber vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen die Disputation durchzuziehen und dann auch noch mit einem guten Ergebnis rauszugehen, das erfordert gute Nerven. Mir schlackern schon beim Gedanken an eine "normale" Disputation die Knie. Herzlichen Glückwunsch! :prost: /:dr) :blume:

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 22.11.2015, 12:48
von FlimBeam
Auch von mir einen herzlichen Glückwunsch! Freut mich, dass das Ganze positiv ausgegangen ist.

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 22.11.2015, 14:48
von zombie777
Glückwunsch!

Ich habe deine beiden Threads gelesen. Das was Du in deinem vorigen Thread beschreibst klingt schon total abgefahren. Wenn Du sicher bist, dass Du Recht hast, dass das keine Einzelsituation war und dass es bei diesen Projekten große Missstände gibt, würde ich versuchen, das Interesse der Medien oder Geldgeber zu erwecken.

Ja, das ist stressig, kostet Zeit und Nerven. Ich war aber schon mal in einer ähnlichen Situation und glaube stark, man sollte so was nicht akzeptieren.

Verlieren kannst Du nicht mehr: Du bist schon Doktor.

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 22.11.2015, 16:42
von KaterAusBrasilien
Letztendlich muss ich sagen, dass ich durch diese damalige Entwicklung wohl am meisten profitiert habe. Das Gegenteil von dem ist passiert, was mein Doktorvater wohl intendiert hat.

Ich habe in der Zeit des Wartens noch ein Masterstudium absolviert und schreibe nun meine zweite Doktorarbeit. Und ich habe eine unbefristete Stelle mit Leitungsfunktion in einem anderen Fachbereich bekommen. Ich habe mehr denn je gelernt, auch unter schwierigsten Bedingungen durchzuhalten und in die Höhle des Löwen zu gehen. Auch habe ich mehr Freunde, als mir bewusst war.

Aber der Fall demonstriert ganz klar, wie das Machtgefüge an der Universität ist: Ein Professor hat bei der Promotion jede Menge Möglichkeiten - positiv wie negativ und praktisch ohne regelmäßige Kontrolle. Erst nach Einsetzen der Kontrolle durch Anwälte und die Rechtsabteilung hat er einsehen müssen, dass es so nicht geht.

Re: Gutachter zieht Gutachten zurück

Verfasst: 01.05.2016, 16:01
von KaterAusBrasilien
Ein kleiner Nachtrag:

Nach dem ersten halben Jahr im neuen Job habe ich auch die Urkunde nun erhalten. Es hat sich gelohnt und ich führe den Doktor jetzt auch im beruflichen Kontext. Mittlerweile bin ich auch befördert worden und habe eine unbefristete EG14-Stelle und bin Einrichtungsleiter. Das macht sich eigentlich ganz gut zusammen: Dr. und Leiter. Wird aber offenbar auch erwartet, alle meine Vorgänger waren promoviert.

Seit einiger Zeit arbeite ich auch wieder nebenberuflich für eine private Hochschule in meinem Fachbereich, betreue Bachelor- und Masterarbeiten und pflege verschiedene Hochschulkooperationen mit Praxisanwendungen und Studentenseminaren in meiner Einrichtung. Vielleicht fasse ich in einigen Jahren ja mal eine FH-Professur oder wenigstens eine Honorarprofessur ins Auge ...