Aufgaben Doktorvater/mutter

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itsme

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von itsme »

Matth1as hat geschrieben:Vielleicht müsste ich anders fragne: Was erwartet ihr vom DV/DM ?
Interessante Frage und gut, dass du dir diese Frage jetzt schon stellst. Ich hab' erst angefangen, darüber nachzudenken bzw. meine Erwartungen zu adaptieren, als es schon deutlich zu spät war. Jetzt stehen mir langwierige und belastende Auseinandersetzungen mit meinem ehemaligen DV bevor, allerdings habe ich meine Erwartungen in diesem Zusammenhang für mich als hierarchisches Modell mal strukturiert, vielleicht bringt dir das etwas.


DAS GROSSE UND VEREINHEITLICHTE ITSME-NIRVANA-MODELL DER DOKTORANDENBETREUUNG: :mrgreen:

1.) Menschliche Unterstützung: Der DV/die DM* beteiligt sich persönlich durch regelmäßigen Austausch und durch Einbringen der eigenen fachlichen und menschlichen Erfahrungen an der Entstehung der Arbeit und an der weiteren wissenschaftlichen Laufbahn. Darüber hinaus fungiert er oder sie* während des Entstehungsprozesses der Arbeit nicht nur als fachlicher Betreuer, sondern auch als persönlicher Ansprechpartner und fängt den Doktoranden in Motivationstiefs und bei persönlichen Krisen auf. Bei persönlichen Problemen des Doktoranden (z.B. gesundheitlichen Einschränkungen, familiäre Probleme) sucht er aktiv nach Lösungen, die gewährleisten, dass der Doktorand die Arbeit trotz der Belastung in anderen Lebensbereichen abschließen kann.

2.) Aktive Unterstützung: Der DV hat an der Entstehung der Arbeit und der Entwicklung der wissenschaftlichen Laufbahn durch regelmäßigen inhaltlichen Austausch teil. Er gibt seine Erfahrungen in der scientific community weiter, z.B. indem auf einschlägige Konferenzen verweist oder weiterführende Literatur bzw. hilfreiche Ansprechpartner nennt. Er weist den Doktoranden proaktiv auf für die Promotion relevante Themen hin, wie z.B. die Entscheidung zwischen kumulativer Dissertation und Monographie oder die Ausschüttung von VG-Wort. Er vermittelt in strukturierter Weise die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, so dass sichergestellt ist, dass die Arbeiten, die am Lehrstuhl entstehen, ein einheitliches (möglichst hohes) Niveau erreichen. Er behält die berufliche Planung des Doktoranden im Auge und adaptiert die Betreuung danach, ob der Doktorand in der Wissenschaft bleiben möchte oder nicht. Er zeigt Initiative und wendet Zeit auf, mit dem Ziel einen konstruktiven Beitrag zur Entstehung der Arbeit zu leisten. Darunter fällt für mich auch das Schaffen von Strukturen: Selbst wenn der DV nicht im Thema ausgewiesen ist und/oder sich für das Thema nicht interessiert und/oder keine Zeit zur Verfügung hat, so hat er z.B. Brown-Bag-Sessions oder regelmäßige Kolloquien etabliert, in deren Rahmen der Doktorand fachliche Rückmeldung bekommen kann.

Anmerkung: Das schließt auch die Pflege von solchen Kolloquien ein. Bei uns in der Abteilung gab' es zwar ein Kolloquium, aber das war für'n A***, weil die Gruppe zu interdisziplinär war und es keine Bemühungen gab, die Gruppe fachlich und hinsichtlich der wissenschaftlichen Standards auf einen gemeinsamen Nenner zu bekommen.

Ein wesentlicher Punkt der aktiven Unterstützung ist für mich die Übernahme von Verantwortung: Wenn der DV selbst in einem Thema nicht ausgewiesen ist, legt er das frühzeitig offen und benennt einen geeigneten Ansprechpartner (z.B. Post-Doc) als Ko-Betreuerr. Dabei stellt er sicher, dass der Post-Doc tragfähige Anreize hat, sich um die Arbeit zu kümmern und das nicht als lästige, zusätzliche, nicht ausreichend anerkannte Verpflichtung wahrnimmt. Er begrenzt die Anzahl der angenommen Doktoranden auf die Zahl, die er verantwortlich betreuen kann.

3.) Passive Unterstützung: Der DV beteiligt sich zwar nur in begrenztem Umfang aktiv an der Entstehung der Arbeit (z.B. in dem er zwar an dem Kolloquium zur Präsentation der Zwischenfortschritte teilnimmt, sich dort aber eher wie ein Teilnehmer und nicht wie der Organisator/Moderator verhält) und überträgt dem Doktoranden die beschriebene Holschuld, indem er nicht von sich aus die Initiative ergreift und Maßnahmen vorschlägt, die zur Entstehung der Arbeit beitragen (z.B. weiterführende Literatur oder Methoden-Schulungen). Er nimmt als Vorgesetzter (bei internen Promotionen) aber Rücksicht darauf, dass der Doktorand Zeit für die eigene Arbeit benötigt und gibt nützliche Informationen (z.B. zu einschlägigen Konferenzen), die er zufällig erfährt, an den Doktoranden weiter. Bei Fragen oder Gesprächswünschen des Doktoranden steht er in vertretbarem Ausmaß für persönliche Gespräche zur Verfügung (das beinhaltet auch, dass er bei diesen Gesprächen vorbereitet und pünktlich ist).

4.) Minimale Unterstützung: Der DV beteiligt sich nicht aktiv an der Entstehung der Arbeit, sondern lässt die Arbeit neben dem normalen Lehrstuhlbetrieb quasi "nebenher" laufen (z.B. weil die Arbeitsverträge die Gelegenheit zur Promotion vorsehen und die Befristungen des WissZeitVG durch die Gelegenheit zur wissenschaftlichen Weiterqualifikation begründet werden oder weil die Betreuungszusage gegenüber einer externen Promotion unter dieser Bedingung gegeben wurde). Er erfüllt aber die formalen Pflichten im Zusammenhang mit der Annahme als Doktorand an der Hochschule und dem Promotionsverfahren.

5.) Verzicht auf Sabotage: Der DV erkennt das schwierige Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich der Doktorand befindet an und verzichtet darauf, aus diesem materielle und/oder immaterielle Vorteile zu ziehen, z.B. indem er dem Doktoranden keine Aufgaben überträgt, aus denen er einen persönlichen finanziellen Vorteil zieht (GRMPF!!! :twisted: ) oder indem er eigenverantwortlich auf die korrekte Zuordnung wissenschaftlicher Leistung, z.B. in Publikationen oder anderen Ergebnispräsentationen, achtet (keine Aneignung nicht korrekter Erstautorenschaft, speziell nicht im Rahmen einer kumulativen Promotion). Das beinhaltet auch, dass er die inhaltliche Autonomie des Doktoranden respektiert und ihm nicht zu weitgehende inhaltliche Vorgaben, die eher dem eigenen Forschungsinteresse entsprechen, macht. Im Hinblick auf die formalen Pflichten räumt er diesen angemessene Priorität in Relation zu den anderen Lehrstuhlaufgaben ein, d.h. dass er die Promotionsverfahren nicht unangemessen verlängert, weil er lieber Aufgaben übernimmt, die der eigenen Profilierung dienen. Als Vorgesetzter macht er sich bewusst, dass die Befristungs- und Teilzeitmöglichkeiten in der Wissenschaft kein Selbstzweck sind und verzichtet darauf, Befristungen und Stellenausstattungen als Sanktionsinstrumente zu instrumentalisieren oder Stellen betriebswirtschaftliche Fahrlässigkeit zu gefährden.

*Der Einfachheit wegen fortan nur noch DV.

Bei vielen Punkten ist man zu Beginn echt entsetzt, dass solche Selbstverständlichkeiten überhaupt genannt werden müssen. Aber man glaubt es kaum, wie bereitwillig sich manche Professoren wirklich jeder Verantwortung entziehen. So sollte man doch glauben, dass es doch im Interesse jedes rational handelnden Menschen sein müsste, nicht mehr Doktoranden anzunehmen, als man betreuen kann. Aber, falsch gedacht: Wenn man Doktoranden eh' nur als Kanonenfutter, billige Arbeitskräfte und Grundlage für die eigene Profilierung betrachtet, dann gibt man fröhlich rechts und links Betreuungszusagen ab, die den DV ja auch nix kosten (nech, Herr Professor Dr. Rektor einer ungenannten norddeutschen Kaderschmiede :wink: ). Als ich angefangen habe, habe ich eigentlich mit der Stufe 2 gerechnet: Dass mein DV nicht Händchen halten und Köpfchen tätscheln wird, war mir schon klar. Aber ich dachte, er hätte ein echtes Interesse am inhaltlichen/fachlichen Fortschritt in meiner Arbeit und ich könnte als Gegenleistung für meine Arbeit am Lehrstuhl mit aktiver Unterstützung für meine eigene Arbeit rechnen (quasi als immaterielle Vergütung für die Arbeit über die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen hinaus). Tja, blöd, falsch gedacht. Mit Stufe 4 hätte ich noch leben können: Das ist zwar persönlich belastend, weil ich lieber mit motivierten und motivierenden Vorgesetzten zusammenarbeite, aber in Summe hätte ich noch eine - halbwegs - positive Bilanz ziehen können. Ich musste meine Erwartungen aber ständig nach unten korrigieren, bis ich beim "rock bottom" (Stufe 5) angekommen war. Und dann klappte alles zusammen: Ich konnte die Entscheidung für die Promotion vor mir selbst nicht mehr rechtfertigen, denn aus dem Prozess der Erstellung der Dissertation konnte ich nichts ziehen. Und soooo toll ist das Glücksgefühl, eine fertige Arbeit in Händen zu halten, dann nicht mehr, wenn man dafür mehrere Jahre Dreck fressen musste und der eigenen beruflichen Entwicklung irreparablen Schaden zugefügt hat ... . Jetzt hat das Ganze immerhin was Gutes: Nachdem ich jahrelang jedes Doktorvater-Bullshit-Bingo gewonnen habe, kann ich die Erfahrungen wenigstens weitergeben. Und gleich eine Empfehlung dazu: Vertrau' nicht nur auf die Aussagen des jeweiligen DVs, sondern frag' auch mal bei gegenwärtigen und ehemaligen Doktoranden nach - Eigen- und Fremdwahrnehmung können in diesen Fällen auf fast schon tragische Art und Weise auseinanderklaffen.
Matth1as

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von Matth1as »

Hi itsme,
wow, so eine ausführliche Antwort hätte ich nicht erwartet - vielen herzlichen Dank dafür. Hab deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen. Da kann man wirklich nur hoffen nicht die Nr 5 zu bekommen.
itsme

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von itsme »

Matth1as hat geschrieben:Hi itsme,
wow, so eine ausführliche Antwort hätte ich nicht erwartet - vielen herzlichen Dank dafür. Hab deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen. Da kann man wirklich nur hoffen nicht die Nr 5 zu bekommen.
:wink: Hat mir ja auch ein bisschen was gebracht, so in Sachen Struktur und Aufarbeitung. Wegen deiner Befürchtung auf dem "rock bottom" aufzuschlagen: Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, weil ihr das ja jetzt schon thematisiert. Da gibt es dann vielleicht noch kleinere Enttäuschungen, weil es Diskrepanzen in der Interpretation der Absprachen gibt, aber wenn du klar formulierst, dass du dir eine aktive Betreuung wünschst und konkretisieren kannst, auf welche Punkte du Wert legst, dann gibt es - so denn dein DV seine Rolle auch so sehen kann - ja einen gemeinsamen Nenner.
Natika

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von Natika »

@ITSME: Wow....hast du mal überlegt in den Bereich "Bildungswissenschaften"/Lehrerbildung/Studi-engangsmanagement zu gehen, z.B. an ein norddeutsches :) Bildungsministerium? Habe selten ähnlich gut formulierte Kompetenzerwartungen gelesen und für DVs/DMs sowieso noch überhaupt keine.

Bin beeindruckt.
itsme

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von itsme »

@Natika: Danke! :oops:

Tätigkeit in einem Ministerium steht aber leider nicht an - ich wäre schon froh, wenn ich erst mal in meinem eigenen Umfeld was verändern könnte. Das führt zu einer Frage, die mich brennend interessiert, aber die ich nie zufriedenstellend beantworten konnte: Wenn wir davon ausgehen, dass die Betreuungsqualität eher ... ähem ... "mau" ist, wo sind die Ursachen? Hat schon die Wissenschaftler-Generation vor uns keine gute Betreuung erfahren und das einfach verdrängt oder wurden die ganz im Gegenteil aktiv unterstützt und geben sich deswegen der Illusion hin, dass man das "so nebenbei" machen könnte? Haben eure DV/DM irgendwann mal durchblicken lassen, wie sie das mit den gegenseitigen Erwartungen gesehen haben, als sie noch auf der anderen Seite waren?
Simulant

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von Simulant »

Aus meiner Erfahrung heraus, ist das relativ trivial mit dem Wort Kapazität zu beschreiben.
Ich habe im Bereich der Ingenieurwissenschaften promviert und dort ist es üblich, dass der DV sehr breit aufgestellt ist: Lehre, Forschung, Gremien, Normungsgruppen dazu noch das eigene Büro, das im Hintergrund versorgt und betreut werden will. Leider wird nun auch erwartet, dass eine bestimmte Anzahl an Doktoranden am Institut zum Abschluss geführt werden. Man muss ja auch hin und wieder etwas publizieren. Wenn man sich diese Punkte anschaut, dann sind die Doktoranden eines der schwächsten Glieder in der Kette, schließlich wollen sie ja etwas vom DV und haben wenig zu bieten. Das führte in meinem Fall dazu, dass ich meinen DV lediglich zwei oder drei mal getroffen habe (ich hab extern promoviert). Die eigentliche Betreuung, also den direkten Kontakt zwischen mir und UNI, hat er auf eine am Institut fest angestellte Mitarbeiterin übertragen. Diese hatte aber dummerweise auch noch andere Dinge zu tun...Koordination der Studenten, Fördermittelanträge schreiben, Projektberichte für Drittmittel, eigene Forschung...alles wiederum wichtiger als Dokktoranden und keine Möglichkeit Druck zu machen. Wenn eine Korrektur mal drei Monate dauert (oder sechs), dann ist das halt so. Ich würde unterstellen, dass diese MAin durchaus den Willen gehabt hätte, mehr zu machen und tiefer einzusteigen. Ich kann aber auch verstehen, dass eine 60-Stunden-Woche dann mal genug ist.
Jetzt kann man natürlich fragen, warum die dann überhaupt Doktoranden annehmen, wenn die Betreuung dann doch fraglich ist. Ich glaube, dass da Reputation und der Vergleich der Institutsgrößen eine große Rolle spielt.
Aus heutiger Sicht, würde ich mich wohl wahrscheinlich wieder so entscheiden aber mit einer deutlich reduzierten Erwartungshaltung ein solches Projekt angehen.
itsme

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von itsme »

Simulant hat geschrieben:Aus meiner Erfahrung heraus, ist das relativ trivial mit dem Wort Kapazität zu beschreiben.
Hmmmh, ich weiß nicht. Am Ende handelt es sich bei Professuren doch um gut bezahlte Führungspositionen mit großer inhaltlicher Freiheit - müsste man da nicht erwarten können, dass so jemand in der Lage seine Ressourcen sinnvoll alloziieren zu können bzw. gemäß seiner Kapazität zu planen? Soll heißen: Wer "erwartet" denn, dass eine bestimmte Anzahl Doktoranden zum Abschluss geführt werden und was passiert, wenn das nicht geschieht? Niemand und nichts. Es liegt doch in der Verantwortung des DV, keine leichtfertigen Betreuungszusagen zu machen, sondern eine Grenze zu ziehen, wenn die Betreuungsqualität nicht mehr gewährleistet ist. Wenn man der Sache mal den universitären Sternenstaub nimmt und sie ins "echte Leben" überträgt, würde ein solches Verhalten nicht als sozial und/oder wirtschaftlich akzeptabel angesehen: Einem Friseurmeister, der eine zu hohe Anzahl von Auszubildenden annimmt, weil er sich entweder profilieren möchte oder die billige Arbeitskraft für den Geschäftsbetrieb braucht, würde bald die IHK auf's Dach steigen. Wenn sich rumspricht, dass der einzelne Azubi im Betrieb nur fegen und Brötchen holen darf, wird es schwieriger, gute Azubis zu finden. Und wenn die Geschäftsgrundlage nur in der Ausbeutung billiger Arbeit liegt, dann droht die Insolvenz. Das sind so externe Kontrollmechanismen, die an der Uni einfach außer Kraft gesetzt sind - weil man davon ausgeht, dass auf Professuren vorzugsweise Menschen mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein berufen werden, die über tragfähige interne Kontrollmechanismen verfügen (sollten). Zumindestens sollten sie in der Lage sein, die Konsequenzen ihres Handelns einzuschätzen, wenn sie Betreuungszusagen abgeben, die sie schon technisch nicht mehr bewältigen können.
algol
Beiträge: 8761
Registriert: 09.06.2009, 22:15
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Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von algol »

@itsme: naja, das finde ich zu einfach. Beim Friseur und in den anderen Firmen läuft es oft auch nicht anders. Das verhindert keine IHK und kein Markt. Klar sollten viele Profs ihren Job besser machen.
Aber auch außerhalb der Uni gibt es schräge Sachen. Marktwirtschaft hin oder her.
Doc-Wolfi

Re: Aufgaben Doktorvater/mutter

Beitrag von Doc-Wolfi »

itsme hat geschrieben:
Simulant hat geschrieben:Aus meiner Erfahrung heraus, ist das relativ trivial mit dem Wort Kapazität zu beschreiben.
Hmmmh, ich weiß nicht. Am Ende handelt es sich bei Professuren doch um gut bezahlte Führungspositionen mit großer inhaltlicher Freiheit - müsste man da nicht erwarten können, dass so jemand in der Lage seine Ressourcen sinnvoll alloziieren zu können bzw. gemäß seiner Kapazität zu planen? Soll heißen: Wer "erwartet" denn, dass eine bestimmte Anzahl Doktoranden zum Abschluss geführt werden und was passiert, wenn das nicht geschieht? Niemand und nichts. Es liegt doch in der Verantwortung des DV, keine leichtfertigen Betreuungszusagen zu machen, sondern eine Grenze zu ziehen, wenn die Betreuungsqualität nicht mehr gewährleistet ist. Wenn man der Sache mal den universitären Sternenstaub nimmt und sie ins "echte Leben" überträgt, würde ein solches Verhalten nicht als sozial und/oder wirtschaftlich akzeptabel angesehen: Einem Friseurmeister, der eine zu hohe Anzahl von Auszubildenden annimmt, weil er sich entweder profilieren möchte oder die billige Arbeitskraft für den Geschäftsbetrieb braucht, würde bald die IHK auf's Dach steigen. Wenn sich rumspricht, dass der einzelne Azubi im Betrieb nur fegen und Brötchen holen darf, wird es schwieriger, gute Azubis zu finden. Und wenn die Geschäftsgrundlage nur in der Ausbeutung billiger Arbeit liegt, dann droht die Insolvenz. Das sind so externe Kontrollmechanismen, die an der Uni einfach außer Kraft gesetzt sind - weil man davon ausgeht, dass auf Professuren vorzugsweise Menschen mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein berufen werden, die über tragfähige interne Kontrollmechanismen verfügen (sollten). Zumindestens sollten sie in der Lage sein, die Konsequenzen ihres Handelns einzuschätzen, wenn sie Betreuungszusagen abgeben, die sie schon technisch nicht mehr bewältigen können.
Ähm, puh, also... Das Problem liegt, glaube ich, schon darin, dass man, bis man es zur Professur geschafft hat, die totale Selbstausbeutung gewohnt ist. Man raffelt dauernd völlig überhöhten Erwartungen hinterher und arbeitet ständig unter Überlast. Bis es zur Gewohnheit wird.

Wobei "Überlast" natürlich relativ ist. Manche Profs arbeiten 70 Stunden pro Woche, andere gehen pünktlich um 16 Uhr nach Hause. Aber alle nehmen mehr Arbeit an als sie in der Zeit jeweils ordentlich machen könnten. Weil schlechte Arbeit leider auch zur Gewohnheit geworden ist.

Zur Ursprungsfrage: Ich denke, die Erwartungen an den DV hängen auch davon ab, wie sehr er sich bisher mit dem Thema schon beschäftigt hat und welche Rolle es in seiner Strategie spielt. Wenn es sein Lieblingsthema ist, kann er schon ziemlich viel Wissen und Erfahrungn beisteuern. Hat der Doktorand selbst ein Thema vorgeschlagen, das den DV nur am Rande interessiert, dann denkt er sich da inhaltlich auch nicht mehr ein und kann inhaltlich gar nicht helfen.
Ist die Doktorarbeit für den DV strategisch wichtig, dann kümmert er sich darum. Ist sie strategisch unwichtig, ist ihm der Verlauf und Erfolg oder sogar die Frage, ob die Arbeit abgeschlossen wird, völlig egal.
Mein Doktorvater hatte beispielsweise so eine Forschungsvision, und wirklich alle Abschlussarbeiten und Doktorarbeiten an seinem Institut fügten ein Puzzelteil zu seiner großen Vision hinzu. Damit waren auch alle Doktorarbeiten für ihn strategisch wichtig und er wollten von allen den Status wissen. Inhaltlich konnte er bei meiner Arbeit nicht so mit, weil ich so moderne Methoden anwandte. Aber dafür gab es einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, der mich betreute.
Wolfi
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