Sebastian hat geschrieben:@Adorno: Lass Dir doch einmal sagen, welches das angeblich neue Urteil sein soll. Mein letzter Stand ist immer noch
der hier zusammengefasste...
Jener Stand scheint nicht mehr ganz up to date zu sei, wie ich jetzt herausgefunden habe:
Das Sozialgericht Aachen (
Urt. 16.08.2011, S 13 KR 137/11, nicht rechtskräftig) hat sich vor ein paar Tagen mit der Thematik befasst und sieht die "neuen" Berechnungsgrundlagen als ordnungsgemäß an und legt auch dar, was sich mit dem Erlass der Beitragsgrundsätze Selbstzahler im Vergleich zu der (für Promotionsstipendiaten günstigen) Entscheidung des SG Hannover verändert habe.
Gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden ab 01.01.2009 geltenden Fassung wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkasse (GKV-Spitzenverband) geregelt. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung hat der GKV-Spitzenverband durch die "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 06.05.2010, Gebrauch gemacht. Nach § 2 Abs. 1 dieser Grundsätze werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen (Satz 1). Die Beitragsbemessung hat die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen (Satz 2). § 3 Abs. 1 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" beschreibt, was beitragspflichtige Einnahmen sind. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (Satz 1). Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten (Satz 2). Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt (Satz 3).
Aus dieser nach Auffassung der Kammer hinreichend bestimmten Definition der beitragspflichtigen Einnahmen ergibt sich, dass auch Promotionsstipendien zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählen. Dies gilt nicht nur für den Stipendiumsgrundbetrag, sondern auch für die Forschungskostenpauschale, den Familienzuschlag und die Kinderbetreuungspauschale. Denn § 3 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" bestimmt klar und eindeutig, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet. Insofern beinhaltet das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 07.10.2010 keine Neuregelung zur Bestimmung von Promotionsstipendien als beitragspflichtige Einnahmen, sondern lediglich eine Klarstellung des § 3 Abs. 1 "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler". Aus dem einleitenden Absatz unter Ziffer 6. dieses Rundschreibens ergibt sich, dass Anlass für die Klarstellung das Urteil des SG Hannover vom 26.10.2009 (S 44 KR 164/09) war, auf das auch der Kläger sich bezieht. Zutreffend weist der GKV-Spitzenverband daraufhin, dass das Urteil des SG Hannover sich auf die bis 31.12.2008 geltende Rechtslage bezog, wonach die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder noch durch die Satzungen der Krankenkassen geregelt wurde. Das SG Hannover hatte, wie sich aus dem Tatbestand seiner Entscheidung ergibt, über eine Satzungsregelung zu befinden, die zwar ähnlich wie § 3 Abs. 1 Satz 1 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" formuliert war, nicht aber eine Bestimmung wie die des § 3 Abs. 1 Satz 3 der Grundsätze enthielt. In der Satzung, über die das SG Hannover – und ähnlich zuvor schon in einem früheren Fall das BSG durch Urteil vom 22.05.2003 (B 12 KR 12/02 R) entschieden hat – gab es also keine Bestimmung, dass eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht stattfindet. Dies ist nunmehr in § 3 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" so geregelt. Deshalb ist nach Auffassung der Kammer weder die frühere zitierte Rechtsprechung des BSG, noch die des SG Hannover auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der GKV-Spitzenverband hat deshalb im Rundschreiben vom 07.10.2010 zu Recht klargestellt, dass Eigenschaften von Promotionsstipendien wie die Zwecksetzung und die Steuerfreiheit für die Zuordnung zu den beitragspflichtigen Einnahmen belanglos ist. Unter den rechtlichen Rahmenbedingungen, die § 3 Abs. 1 der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" setzt, sind Stipendien unabhängig von eventuellen Zwecksetzungen im Zusammenhang mit ihrer Gewährung und unabhängig von eventuell gesondert ausgewiesenen Bestandteilen (z.B. Forschungskosten, Familienzuschlag, Kinderbetreuung) bei der Beitragsbemessung in voller Höhe zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Das sieht m.E. für die gerichtliche Schiene nicht mehr gut für Promotionsstipendiaten aus. Wenn man daran noch etwas ändern will, empfiehlt es sich jetzt allgemein, den politischen Weg zu suchen: Die Betroffenen könnten z.B. mal schriftlich "ihre" Bundestagsabgeordneten fragen.
Sebastian