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Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 14.12.2014, 01:39
von girassol
Liebes Forum,
während fast der ganzen Zeit meiner Promotion (Geisteswissenschaften) habe ich hier mitgelesen und zahlreiche hilfreiche Anregungen bekommen – jetzt bin ich fast am Ende und stehe vor einem ziemlich großen Problem.

Ich habe meine Arbeit extern geschrieben; mein Betreuer war in einer anderen Stadt und ich habe ihn höchstens zwei mal im Jahr gesehen. Das war für mich immer in Ordnung; ich bin auch ohne umfassenden Austausch gut vorangekommen. Er hat nie Ergebnisse, einen Zwischenstand o.ä. gefordert und umgekehrt habe auch ich seine Betreuung nicht eingefordert, da ich eigentlich nie vor nennenswerten Problemen stand. Einige fertige Kapitel habe ich ihm geschickt – sein Kommentar dazu: Alles sei in Ordnung; er hatte nie eine einzige (!) Anmerkung (was ja eigentlich nicht sein kann). Irgendwann hat er mir dann gesagt, ich könne ihm auch einfach die Endversion schicken und müsse nicht unbedingt vorher Kapitel abliefern. So habe ich die gesamte Arbeit quasi alleine geschrieben.

Inzwischen bin ich fast fertig und nur noch dabei, sprachlich zu feilen und einzelne Passagen zu überarbeiten. Eigentlich habe ich erwartet, dass mein Betreuer wenigstens nochmal einen Blick auf den Text wirft, bevor ich einreiche. Aber er hat mir mehr oder weniger direkt geraten, einfach abzugeben. Als ich insistiert habe, meinte er, er könne sich meinen Text in 3 Monaten anschauen (vorher zu viel zu tun). Das würde natürlich alles in die Länge ziehen und zudem bin ich nicht sicher, ob das Sinn macht, da er sich ja vorher auch nie zu meinen Texten geäußert hat...

Und jetzt? Ich habe ziemliche Angst davor, meine Arbeit einfach einzureichen, denn dann gibt es kein zurück mehr. Ich weiß, ich hätte viel früher mehr Betreuung einfordern müssen. Das kann ich leider nicht mehr zurückdrehen. Was meint Ihr dazu? Habt Ihr Ideen? Ich bin gerade für alle Anregungen dankbar!

Re: Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 14.12.2014, 13:06
von barbara
Gibt es denn keinen Zweitgutachter? Ich habe mich nun um einen Zweitgutachter gekümmert, die Zusage erhalten, allerdings unter der Bedingung, dass er nicht erst die fertige Arbeit bekommt, sondern bereits ca ein Jahr lang auch die wesentlichen Zwischenschritte. Er hat auch klar gestellt, dass er auch Einfluss nehmen will, was ggf noch getan werden muss etc...

--> Gib Deine Arbeit vorab dem Zweitgutachter. Wenn der nicht die Hände überm Kopf zusammenschlägt, wird es so sein: Was Du bisher gemacht hast, war nicht so schlecht, dass Dein DV Handlungsbedarf gesehen hat. Er vertraut Dir oder es ist ihm wurscht. In beiden Fällen gibt es eigentlich keinen Grund, zu zweifeln, wenn Deine Arbeit von anderen Fachkundigen für ok befunden wird.

Re: Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 15.12.2014, 09:48
von HHlerin
Ich kann Deine Situation sehr gut verstehen, denn bei mir war sie absolut identisch. Der einzige Unterschied war, dass ich meinem Doktorvater die Diss auf seinen Vorschlag hin in der finalen Version zum Lesen gegeben habe (vor der Einreichung) mit dem Ergebnis, dass ich 9 Monate auf eine Rückmeldung gewartet habe, die nie kam. Er reagierte weder auf Emails, noch auf Anrufe bei ihm oder seine Sekretärin. Auch persönliches Vorsprechen auf einer Konferenz brachte nichts. Letztendlich habe ich die Diss dann ohne seine Rückmeldung oder "Freigabe" eingereicht. Das ist eine absolut ätzende Situation, aber in Deinem Fall würde ich dazu raten, das Ding einfach abzugeben. Er macht ja sehr deutlich, dass er momentan "keine Zeit" hat, sie sich anzusehen.

Re: Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 15.12.2014, 18:25
von histosowi
Hallo Girassol,

deine Ängste kann ich verstehen. Auch meine DM hat vor der Einreichung nichts von meiner Diss gesehen. Ich habe extern promoviert und eine Betreuung in eigentlichem Sinne fand nicht statt, bis auf einen sehr sporadischen Mailverkehr, wenn ich mal unlösbare Fragen hatte. Sie wollte allerdings nie Kapitel von mir sehen (O-Ton: "Nein, nein, Sie machen das schon..."). Dann hatte ich die Diss komplett fertig und bat sie, vor der offiziellen Einreichung das Ganze durchzuschauen. Diesmal sagte sie "Nein, das darf ich gar nicht!" :shock: Ich kann dir sagen, mir ging der "Po" auf Grundeis. Ich habe dann eben einfach eingereicht und -Gottlob- ist auch alles gut gelaufen. War aber echt ein Risiko und ich bin gefühlte tausend Tode gestorben, bis ich endlich die Gutachten hatte. Meine Empfehlung: lies dir dein Werk ein letztes Mal gründlich durch und dann reich ein.

Alles Gute!

Re: Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 16.12.2014, 22:05
von philippine
Bei mir war es so: Extern, klare Ansage von beiden Gutachtern, dass sie erst nach Einreichen lesen würden. Ich habe meine Anregungen und Diskussionen von woanders geholt und habe dann eingereicht. Große Überraschungen gab es bei den Gutachten nicht, falls überhaupt, eher von der positiven Art. Es wurde von beiden Profs sehr genau gelesen und anerkennend gewürdigt, es kam die Kritik, mit der ich gerechnet hatte (mir bekannte Schwachstellen, die ich nicht mehr ausbügeln wollte, weil die ganze Arbeit schon zu lange dauerte).

Also, es ist nicht die Welt! Wenn Du den Text vertreten kannst, reiche ein. Wenn Du Bedenken hast, dann schau auf Deine Ressourcen und investiere noch etwas Zeit, so möglich. Oder akzeptiere die Möglichkeit einer schlechteren Bewertung.

Re: Einreichen trotz fehlender Rückmeldung des Doktorvaters?

Verfasst: 17.12.2014, 14:45
von itsme
philippine hat geschrieben: Also, es ist nicht die Welt! Wenn Du den Text vertreten kannst, reiche ein. Wenn Du Bedenken hast, dann schau auf Deine Ressourcen und investiere noch etwas Zeit, so möglich. Oder akzeptiere die Möglichkeit einer schlechteren Bewertung.
*zustimm*

Ich weiß, das ist nicht vergleichbar, aber bei meiner Diplomarbeit war es ähnlich: Wegen großer räumlicher Distanz habe ich die Arbeit nahezu komplett ohne Rücksprache mit dem Betreuer geschrieben und musste mir am Ende nur die Frage stellen, ob ich mit der Arbeit so zufrieden bin, dass ich sie zur Bewertung und Diskussion geben kann. Und dabei habe ich mich auch mit der Frage auseinandergesetzt, wie ich damit umgehen würde, wenn die Bewertung nicht meiner Erwartung entspricht. Ergebnis: Damit hätte ich dann halt leben müssen und können, denn ich habe quasi die beste Arbeit geschrieben, die ich schreiben konnte - wenn ich meine Ergebnisse nicht transportieren kann, dann wäre eine schlechtere Bewertung für mich (= die einzige Person, deren Urteil in diesem Zusammenhang überhaupt von Belang ist) akzeptabel. Das war ganz gut für den Seelenfrieden (und die Freude war umso größer, als es gut gegangen ist).

Bei der Diss ist es jetzt anders, weil das Betreuungsverhältnis so konfliktbeladen war. Nach meinem subjektiven Empfinden habe ich eine mangelhafte Arbeit (nicht Schulnoten-"mangelhaft", sondern mit Mängeln belastete) geschrieben, was ich, weil ich ja z.B. nicht Daten ganz neu erheben kann, auch nicht mehr korrigieren kann. Und selbst wenn die Bewertung gut wäre, der Schaden liegt ganz woanders: Ich kann die Bewertung nicht annehmen, weil ich sie nicht als fair empfinde. Es wird nicht die eigentliche Arbeit bewertet, sondern es wird quasi bewertet, wie gut oder schlecht ich mit der ständigen Sabotage durch meinen Doktorvater umgegangen bin (überflüssig zu erwähnen, aber: nicht gut). Eine schlechte Bewertung empfände ich als unfair, weil ich nicht die Gelegenheit hatte, unbelastet mein Bestes zu geben - und eine gute Bewertung empfände ich als unfair, weil ich mit der Arbeit nicht zufrieden bin und den Eindruck hätte, ich sollte mit ein bisschen Köpfchentätscheln abgespeist werden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Bist du stolz und zufrieden mit deiner Arbeit und der Auffassung, dass du im Rahmen deiner Möglichkeiten dein Bestes gegeben hast, dann gib' ab. Zweitgutachter vorher konsultieren schadet trotzdem nicht, denn es kann ja sein, dass der noch ganz brauchbaren Input für dich hat. Alles Gute!