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Bewerbungen: Fertige Promotion verschweigen?

Verfasst: 02.12.2014, 20:50
von zombie777
Ich habe vor Kurzem meine sozialwissenschaftliche Promotion sehr gut abgeschlossen. Ich habe auch mehrere tolle Praktika absolviert und spreche mehrere Sprachen, habe in mehreren Ländern gelebt. Meine Bewerbungsunterlagen wurden von Experten geprüft. Man meinte, sie seien "perfekt" und "beeindruckend".

Ich bewerbe mich seit ca. 3-4 Monaten um Stellen in der freien Wirtschaft. (Auch bei Stiftungen, Vereinen, polit. Organisationen, aber hier ist die Konkurrenz sehr groß und es werden wenige Stellen ausgeschrieben...). Ich habe insgesamt ca. 70 Bewerbungen abgeschickt. Sowohl Expertenstellen, Stellen für Menschen mit 1-3 Jahren Erfahrung, als auch Trainee-Stellen (= Verzweiflung).

Ich kriege kaum Antworten. Ich wurde bisher nur zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Zwei Stellen habe ich abgelehnt, weil das Gehalt einfach schrecklich war. Positives Feedback im Fall von Initiativbewerbungen, aber: "zurzeit keine offenen Stellen". Sonst Absagen.

Ich überlege ob ich im Lebenslauf meine Promotion verschweigen sollte. Vielleicht bin ich überqualifiziert. Was sind eure Erfahrungen? Wenn es so weitergeht, werde ich in wenigen Wochen einen Antrag auf Hartz IV stellen müssen...

Re: Promotion verschweigen?

Verfasst: 03.12.2014, 00:10
von Matilda
Hallo Zombie777,

Ich kann Dein Problem momentan sehr gut nachvollziehen, da ich genau in der gleichen Situation stecke. Ich bewerbe mich seit Mai, habe mittlerweile etwa 30 Bewerbungen geschrieben und bekomme ebenfalls nur Absagen. Das Problem ist generell sicher vielschichtig. Ob es tatsächlich an der Promotion liegt könnten Dir nur die Personalverantwortlichen sagen, aber in den meisten Fällen ist es sicher eine Mischung aus vielen Faktoren. Es gibt auf jeden Fall Chefs, die niemanden unter sich haben wollen, der höher qualifiziert ist, als sie selbst. ich kannte da so ein Exemplar, bei dem ich während der Diss gearbeitet habe und der nicht einen Tag ohne einen diesbezüglichen bissigen Kommentar auskommen konnte. Zusätzlich werden auch viele Stellen nur pro forma ausgeschrieben. Ich habe mir von Freunden aus dem unbestreitbar Berichten lassen, dass es bei ihnen oft Stellenausschreibungen gibt, für die eigentlich schon eine Person ausgewählt ist. Die Stelle muss aber ausgeschrieben werden (öffentlicher Dienst). Ich vermute mal, dass sind dann die Ausschreibungen, in denen von teilweise recht gegensätzlichen Qualifikationen die Rede ist, also ein Geisteswissenschaftler mir ausgeprägten juristischen Kenntnissen (ich persönlich kenne keinen). Bei mir kommt sicher noch hinzu, dass ich zwei Kinder habe und man (die Arbeitgeber) damit offensichtlich jedes Vertrauen in Kompetenz und Zuverlässigkeit verliert. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Du die Diss weglassen kannst, hast Du in der Zeit an der Uni oder in der Wirtschaft gearbeitet, so dass keine Lücke im Lebenslauf entstehen würde?
Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Kraft, bei Deinen Fähigkeiten muss es einfach klappen.
Liebe Grüße, Matilda

Re: Promotion verschweigen?

Verfasst: 03.12.2014, 00:13
von Matilda
Das unbestreitbar musst du mit Unibereich ersetzen, offenbar kennt mein Gerät den Begriff nicht. :) Auch bezeichnend, oder?

Re: Promotion verschweigen?

Verfasst: 12.12.2014, 14:00
von traumkrokodil
Bei mir ist die Situation ähnlich. Ich bekomme schon seit über einem halben Jahr ALG 2 (u.a. weil die Situation an der Uni mit WHK-Veträgen, die jeweils um einen Monat verlängert wurden und parallel der Aufgabe, Anträge für Post-Doc-Stips zu schreiben die sowieso immer abgelehnt wurden, irgendwie nicht mehr akzeptabel war), und kann dich nur insofern beruhigen, als dass das jetzt auch nicht der Weltuntergang ist.

Die Promotion zu verschweigen halte ich definitiv für den falschen Weg. Das ist doch die Qualifikation, mit der du im Vergleich zu anderen Bewerbern punkten kannst. Du musst - auch wenn es länger dauert - jemanden finden, der die Kompetenzen, die du im Rahmen der Promotion unter Beweis gestellt hast, zu schätzen weiß, und das wirst du sicher auch noch.
Je nach Stelle rücke ich die Promotion mal eher in den Vorder- und mal eher in den Hintergrund. Im letztgenannten Fall ist die Stelle, auf die ich mich bewerbe, aber auch eher für den Übergang geeignet.

Ich vermute, es ist einfach normal, dass es eine Weile, vielleicht ein Jahr oder etwas mehr, dauert, was zu finden. Ich versuche, so viele Bewerbungen wie möglich zu schreiben, natürlich auch in den Bereichen, in denen es bisher nicht geklappt hat - und vetraue auf den Zufall und das Glück und meine überzeugenden Unterlagen. Das wird schon!

Re: Promotion verschweigen?

Verfasst: 12.12.2014, 15:49
von Koenigsportal
Vielleicht lohnt es sich, Alternativen der Jobsuche ins Auge zu fassen. Ich habe mal ein Eintagesseminar von Julia Glöer besucht, die ein eigenes Konzept zur Jobsuche entwickelt hat. Was auch immer man von solchen - amerikanisch inspirierten - Coaches halten mag, waren eigentlich alle Teilnehmer positiv angetan. Ein Bekannter hat auch einen Vierwochen-Kurs besucht (finanziert von der Arbeitsagentur als Weiterbildung or whatever). Er sprach ganz positiv davon. Anders als der untere Link den Eindruck erweckt, geht es nicht nur um Wiedereinstieg für Frauen.
Als Schwäche bei dem Seminartag, an dem ich teilgenommen habe, sah ich und sahen ein paar andere, dass die Methode dann an ihre Grenzen gerät, wenn man sich in einem Bereich mit extrem wenig beruflichen Möglichkeiten und großer Konkurrenz sowohl unter Kollegen auf gleicher Ebene als auch auf höheren Ebenen bewegt. In dem Fall ging es um bildende und darstellende Künstler, Musiker, Schriftsteller sowie Geisteswissenschaftler (und _innen :wink: ). Nichtsdestotrotz kann man von den vermittelten Strategien und Gruppenarbeiten/-austausch profitieren, und sei es nur, dass man einen weiteren Blick für Optionen bekommt.

http://www.plb-institut.de/plb-institut ... loeer.html

http://www.perspektive-wiedereinstieg.d ... platz.html