Abbruch ja oder nein? Wenn ja, wie ansprechen?

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tribble248

Abbruch ja oder nein? Wenn ja, wie ansprechen?

Beitrag von tribble248 »

Hallo Forum,

ich bin relativ neu hier (erst seit Kurzem angemeldet und bisher nur passives Mitglied), daher tut es mir sehr leid, dass ich mich gleich mit einem solchen Thema zu Wort melde. Aber es ist für mich gerade ein ziemliches Dilemma (so wie für jeden, der sich diese Frage stellt), und ich wäre für Rat und Einschätzungen wirklich sehr dankbar.

Es geht um die Frage, ob ich das Arbeiten an meiner Doktorarbeit abbrechen soll – weil ich momentan nicht sehe, wie ich es schaffen soll,
bzw. sehr darunter leide. Gleichzeitig komme ich mir dabei aufgrund meiner speziellen Situation sehr undankbar vor, und frage mich natürlich auch, ob ich es nicht doch später bereuen werde.

Ich versuche einigermaßen kurz meine spezifische Situation zu schildern – obwohl es leider ganz kurz nicht geht: Ich habe nicht sofort nach meinem geisteswissenschaftlichen Studium mit der Promotion begonnen, sondern bin erst einmal in die außeruniversitäre Berufswelt gegangen. Der Grund dafür war, dass ich ursprünglich keine Promotion geplant hatte und ich dachte dass es schwieriger wird in mein angestrebtes Berufsfeld („irgendwas mit Medien“) nach einer Promotion und mit über 30 reinzukommen als umgekehrt vielleicht nach einigen Jahren noch einmal eine Möglichkeit zu finden, zu promovieren.

Der Gedanke an eine Promotion hat mich aber die ganze Zeit nicht wirklich losgelassen – obwohl ich es wie gesagt ursprünglich, also vor meinem Studienabschluss, nicht vorhatte. Ich habe aber so viel, rational gesehen unnötigen, Aufwand und Energie in meine damalige Abschlussarbeit gesteckt (einige meinen, es wäre quasi schon eine halbe Doktorarbeit gewesen), dass ich irgendwie immer das Gefühl hatte, hier noch etwas zu Ende bringen zu müssen. Die Arbeit ist damals auch extrem gut angekommen (Bestnote), und meine damalige Dozentin hat auch den Kontakt gehalten und über die letzten Jahre hinweg immer mal wieder gefragt, wie es denn mit meinen Promotionsplänen aussieht.

Nach zunächst erfolglosen Bewerbungen auf ein Stipendium und zwei Mitarbeiterstellen habe ich dann vor etwas über einem Jahr den Entschluss gefasst, meine Arbeitszeit einfach auf 70 Prozent zu reduzieren, mich so zu finanzieren und extern zu promovieren. Genau in diesem Moment wurde ich jedoch über meine ehemalige Dozentin auf eine Promotionsstelle aufmerksam gemacht, die ich dann, auch aufgrund ihrer Fürsprache, auch wirklich bekommen habe. Es ist eine 50-Prozent-Stelle die die meisten wohl als außerordentlich gut beschreiben würden, auch wenn sie nur für zwei Jahre gilt (was natürlich nicht für die Arbeit reicht): Angesehene Universität, reine Forschungsstelle, keine Lehre.

Da ich mir aber da schon nicht sicher war, ob ich danach Richtung Wissenschaft weiter machen soll (die Jobchancen in meinem Fach sind mehr als schlecht) und die Medienlandschaft ja auch ein höchst unsicheres Terrain ist, wollte ich meine immerhin unbefristete Medienstelle nicht aufgeben – auch wenn sie auf Dauer leider auch keine wirkliche Perspektive bietet, was Entwicklungschancen und finanzielle Situation angeht.

Ich habe also jetzt derzeit zwei 50-Prozent-Stellen, mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt. Und ich merke, dass ich das einfach unterschätzt habe. Ich fühle mich extrem überfordert und erschöpft, nahe an etwas von dem ich denke, dass sich so ein beginnender Burnout anfühlen muss. Ich habe das Gefühl, dass für das Minimum an Freizeit/Erholung das man braucht kein Platz ist, vom Aufrechterhalten sozialer Kontakte ganz zu schweigen. Gleichzeitig komme ich aber auch mit der Arbeit nicht weiter, weil ich demotiviert bin, bzw. es sich so unrealistisch anfühlt, das irgendwie zu schaffen. Ähnliche Probleme, die vermutlich ja viele kennen, hatte ich bei meiner Abschlussarbeit auch. Während ich mich da aber – zugegebenermaßen unter Schmerzen – durchkämpfen konnte, habe ich jetzt nicht das Gefühl, dass ich die Kraft dafür aufbringen kann.

Das liegt auch daran, dass die Atmosphäre bei der Stelle einem meiner Probleme – ausgeprägter Perfektionismus, Problem damit, eigene Ansprüche auf ein realistisches, zu bewältigendes Maß zu reduzieren, siehe Aufwand für Abschlussarbeit – nicht gerade zuträglich ist. Und ich mich jetzt in der Auswahl meines Themas (wollte ursprünglich meine damalige Abschlussarbeit ausweiten) natürlich auf das Forschungsprojekt hin orientieren musste und mir nicht sicher bin, ob dieser Ansatz/ diese Arbeitsweise, die für mich neu ist, wirklich das ist was ich machen will, woran ich Spaß habe, zu forschen. So richtig ist das fürchte ich glaube ich nicht der Fall.

Wenn das nicht so komplett gegeben ist – die Freude daran, genau das zu erforschen – stellt sich mir natürlich die Frage, ob das Fertigstellen der Arbeit die Schmerzen, die für mich damit unweigerlich verbunden sind – und vielleicht sogar gesundheitlichen Risiken, jedenfalls befürchte ich diese so, wie es gerade läuft- wert sind. In die Wissenschaft will ich – das weiß ich jetzt, nachdem ich noch einmal Einblick bekommen habe – nicht. Ob der Titel für den außeruniversitären Arbeitsmarkt etwas bringt, ist fraglich. Auf meinem spezifischen Feld könnte das, wenn ich mich so umschaue und mir die Stellenanzeigen ansehe, schon durchaus sein. Kann aber auch sein das nicht.

Kurz: So wie es momentan läuft kann es, sowohl was meine psychische als auch physische Gesundheit angeht (letztere vernachlässige ich durch den Stress auch arg) nicht weitergehen. Meine ursprüngliche Arbeitsstelle aufzugeben kommt für mich nicht in Frage (Gründe siehe weiter oben, außerdem läuft Promotionsstelle nicht mehr lange). Also kann ich eigentlich nur die Promotionsstelle kündigen. Sie läuft zwar wie gesagt nicht mehr lange, aber zum einen brauche ich bald eine Lösung, zum anderen finde ich es nicht fair, Gelder zu beanspruchen, wenn ich absehen kann, dass ich die Arbeit voraussichtlich nicht fertigstellen werde können. Noch dazu stehen in den nächsten Monaten einige Konferenzen an, bei denen ich nicht weiß, wie ich es schaffen soll, mich darauf vorzubereiten.

Auf eine gewisse Art ist der Fall also natürlich sehr klar. Ich kann und will einfach nicht mehr. Mein Problem ist allerdings zum einen, dass ich mir extrem undankbar vorkomme – mit Blick auf die Fürsprache meiner ehemaligen Dozentin und weil die Stelle die ich habe, obwohl mit kurzer Laufzeit, bestimmt für viele andere sehr attraktiv wäre. Zum anderen wirkt es aus einem bestimmten Blickwinkel auch irrsinnig, das Ganze abzubrechen – weil ich eigentlich glaube ich schon sehr gut darin bin, wissenschaftlich zu arbeiten. Also zumindest was das Endprodukt angeht – habe nach der Bestnote für meine Abschlussarbeit damals jetzt auch während der Arbeit im Rahmen der Stelle auf einen Vortrag von vielen Kollegen extrem gutes Feedback bekommen (Allerdings vor allem von externen, weniger von meinem Doktorvater, der sich aus welchem Grund auch immer ziemlich distanziert verhält. Ich glaube die Tatsache, dass ich mich nicht vollkommen der wissenschaftlichen Arbeit verschrieben habe sorgt, obwohl es natürlich vor Beginn der Stelle so abgesprochen war, für Irritation). Aber auch wenn das Endprodukt dann meistens sehr gut wird – es kostet mich einfach so unglaublich viel. Eigentlich zu viel…

So oder so – ich werde das alles hier sehr bald ansprechen müssen, einfach weil es so nicht weitergehen kann. Ich möchte dazu für sehr bald einen Gesprächstermin ausmachen. Das Ganze wird wahrscheinlich ziemlich aus dem Nichts kommen – von außen gibt es glaube ich für meinen wissenschaftlichen Arbeitgeber bisher nicht viel, das auf mein Dilemma hindeutet. Ich wäre daher für Ratschläge sehr dankbar – zum einen zu der grundsätzlichen Situation, aber auch dazu, wie ich das Gespräch vielleicht am besten angehe.

Auf jeden Fall schon einmal vielen Dank an das Forum!
Eva
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Re: Abbruch ja oder nein? Wenn ja, wie ansprechen?

Beitrag von Eva »

Hallo tribble,

was ich mich frage: Welche Lösung schwebt dir denn selbst momentan vor? Es klingt ja schon ziemlich nach Abbruch, oder lese ich das falsch heraus? Aber würde das bedeuten, Schluss mit der Diss, oder nur Schluss mit diesem Thema und/oder diesen Rahmenbedingungen? Wie wichtig ist dir heute die ursprüngliche Motivation, nach der Abschlussarbeit noch was zu Ende bringen zu wollen? Deinen Plan, mit einem Bein auf jeden Fall im Berufsleben zu bleiben, finde ich sehr klug, alles andere ist Harakiri, zumal in deinem Alter und wenn du gar nicht an der Uni bleiben willst. Sei froh, dass du das zweite Standbein hast und erhalt es dir!

Wenn dein Herz immer noch an der Promotion hängt: Wie stünden die Chancen, das Thema zu wechseln und die Unistelle aufzugeben? Könntest du dir vorstellen, zum ursprünglichen Plan zurückzukehren, also Abschlussarbeitsthema ausweiten und die Diss neben der halben Stelle (oder 70%-Stelle) in den Medien quasi als privates Hobby durchzuziehen? Klingt für mich nicht schlecht, wenn das finanziell für dich okay ist.

Auf keinen Fall sehe ich eine Verpflichtung von deiner Seite, die Unistelle weiterzumachen, wenn das einfach nicht das ist, was du machen willst! Klar wird man sagen, warum kommt er/sie erst jetzt damit an, hättest du das nicht vorher wissen können - aber manche Dinge muss man halt erst ausprobieren, bevor man sie einschätzen kann. Jetzt weißt du es, und ziehst deine Konsequenzen, für dich persönlich und ohne Anlass, dich schuldig zu fühlen! Ein Jahr ist ja nun auch nicht soo lang, da kann man gut nochmal umschwenken.
Amalia

Re: Abbruch ja oder nein? Wenn ja, wie ansprechen?

Beitrag von Amalia »

Hallo Tribble,
ich kann’s ja wirklich gut verstehen, dass man als Geisteswissenschaftler versucht, sich alle Türen offen zu halten. ABER man kann nicht alles haben und schon gar nicht alles gleichzeitig. Du musst Dich entscheiden: Wissenschaft oder Medien. Eins von beidem, sonst klappt am Ende keins und Du hast nur noch ein Burnout in der Hand. Du musst das andere nicht vollständig aufgeben, aber die Prioritäten müssen klar sein. Beispielsweise:
Wissenschaft: Uni-Stelle und Promotion, Medien nur sehr, sehr reduziert als freier Mitarbeiter nebenher, wenn es an der Uni mal ruhiger sein sollte.
Oder
Medien: Zurück auf die alte Stellen und nebenher eine Promotion in der Freizeit, die wirklich nur nebenher läuft und ggf. auch gar nicht fertig wird.

Und denk bitte daran, es ist Dein Leben und Deine Zukunft. Loyalitäten und Dankbarkeit gegenüber Dritten sind da keine hilfreichen Ratgeber.

Alles Gute!
A.
tribble248

Re: Abbruch ja oder nein? Wenn ja, wie ansprechen?

Beitrag von tribble248 »

Hallo Eva, hallo Amalia,

vielen Dank! Eure Einschätzung hilft mir auf jeden Fall schon einmal sehr... Auch die klare Ansicht, dass es einfach nicht geht, sich beide Türen auf diese Art offenzuhalten... Es ist gut, das von außen so deutlich zu hören, weil ich fürchte ich einfach die Neigung dazu habe, mich zu überschätzen - und wenn es dann nicht funktioniert, mache ich tendenziell eben doch mir Vorwürfe deshalb. Beziehungsweise ich schwanke eben immer mal wieder zwischen dem klaren Gefühl, dass es so einfach nicht geht, und Momenten der Selbstvorwürfe, in denen ich mich dann doch frage, ob ich mich nicht zu sehr anstelle und "einfach" noch mehr zusammenreißen müsste - was aber ja doch eigentlich heißt, sehr rücksichtslos und hart gegen sich selbst zu sein... Auch dieses Gefühl, undankbar zu sein wird wahrscheinlich zu einem guten Teil aus diesen Selbstvorwürfen gespeist...

Ich trage mich aber, auch wenn ich heute erst gepostet habe, schon seit einiger Zeit mit diesem Dilemma, und schaffe es so langsam glaube ich immer mehr dahin zu kommen, dass ich mich selbst hier blöd gesagt einfach mal wichtig genug nehmen muss, um zu sagen, dass mich die momentane Situation einfach unglücklich macht - und dass ich wenn das so ist etwas ändern muss.

Was die Frage angeht ob ich es mir vorstellen könnte, zu meinem ursprünglichen Plan zurückzukehren - ich weiß nicht ob das eine Option ist.... Also im Sinne von - bin ich dafür nach einem Abbruch des jetzigen Vorhabens nicht zu sehr "unten durch"? Zumindest dachte ich das bisher - gerade weil es diese Verbindung meiner ehemaligen Dozentin (die beim Ursprungsplan meine Betreuerin sein sollte) zur jetzigen Stelle gibt. Ansonsten wäre das auf jeden Fall eine Option, weil es im Rückblick betrachtet wahrscheinlich von Anfang an der bessere Plan war. Wobei ich so oder so wahrscheinlich erst mal etwas "durchschnaufen" sollte....

Nochmal danke für die Ratschläge!
Gesperrt
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