Geistige Schöpfungshöhe (Literaturwissenschaft)

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konstantin

Geistige Schöpfungshöhe (Literaturwissenschaft)

Beitrag von konstantin »

Hallo an alle,

ich promoviere in Literaturwissenschaft und habe zu einem verschollenen/vergessenen/unbekannten Autor den Nachlass gesichtet.
Nun möchte ich mit einer Biografie über ihn promovieren. Natürlich soll die Bio umfangreich (Zeit, Einordnung in die Epoche, politischer Hintergrund usw.) und sämtliche unveröffentlichten wie auch veröffentlichten Texte in einer Bibliografie aufführen usw.

Nun meine Frage: Reicht das für eine Promotion aus?

Jetzt wurde mir aber gesagt, dass das nicht für eine Doktorarbeit genügen würde. Man müsse eine zentrale Fragestellung entwickeln und die anhand empirischen Materials prüfen/belegen. Man muss Theorien entwickeln. Bei theoretischen Themen ist mir das klar. Aber genügt wirklich nicht eine reine Quellenarbeit/Vervollständigung einer Biografie für eine Diss.? Falls es so sein sollte, muss ich wieder von vorne anfangen.

Ich habe mir zahlreiche andere Exposés angesehen und auch Dissertationen angesehen. Einige beließen es bei einer einfachen, wenn auch umfangreichen Biografie, andere betteten den Autor in seine Epoche/eine bestimmte Strömung (Naturalismus z. B.) ein oder analysierten sein Verhältnis zu anderen Autoren seiner Zeit. Aber nirgendwo konnte ich eine zentrale Fragestellung entdecken, wie z. B.: "Was verrät uns Paul X´ Biografie über seine Zeit und die Epoche der Romantik? (+ Methodik/Forschungsaufbau blabla)"

Grüße K.
Zuletzt geändert von Sebastian am 24.03.2014, 21:43, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreff ergänzt und für die Forensuche formatiert
Scarly

Re: "Geistige Schöpfungshöhe"

Beitrag von Scarly »

Was sagt denn dein/e Betreuer/in dazu? Irgendwer scheint dich ja mit dem Thema angenommen zu haben und es für promotionswürdig zu halten...
Ich finde eine reine Sichtung des Nachlasses sowie die Darstellung der Biografie tatsächlich zu wenig Geistesleistung für eine Dissertation. Wenn man es genau nimmt, hast du ja selbst mit dem Schreiben einer Biographie eine Forschungsfrage ('Wie lebte XY und was hat er/sie geschaffen?') - das Problem, das sich dabei m.E. aber stellt, ist, dass das ein wenig platt ist. Warum du völlig von vorne anfangen müsstest, erschließt sich mir auch nicht. Wenn es ein völlig unbekannter Autor ist, hast du doch die volle Freiheit, dich an seinen Texten analytisch und interpretativ "auszutoben" und damit einen echten eigenen Forschungsbeitrag zu leisten - das ist doch der Traum eines jeden Literaturwissenschaftlers! Und es würde mitnichten die vorherige Aufarbeitung des Nachlasses und der Biographie obsolet werden lassen...
MoniqueS

Re: Geistige Schöpfungshöhe (Literaturwissenschaft)

Beitrag von MoniqueS »

Letztlich ist es doch so: Das Thema ist okay, das ein Betreuender annimmt.... :wink:

Von meinem Fachverständnis aus ist eine "einfache" Biographie zwar eine dankenswerte und oft auch gerngelesene Arbeit, aber eben keine Dissertation (auch wenn sie umfangreich oder vollständig ist). Die Diss ist eine zentrale wissenschaftliche Leistung. Deshalb ist "nur" Biographie sicher bei vielen Betreuenden nicht ausreichend. Anders ist es, wenn du die Biographie des Autors verbindest mit einer wissenschaftlichen Fragestellung z.B. aus den Bereich biographische Werkanalyse, Diskursanalyse etc. Deine fachliche Ausbildung bzw. deine fachlichen Werkzeuge sollten schon eien Rolle spielen, eine Biopgraphie kann auch ein Historiker schreiben.
Aber es gibt Leute, die mit reinen Biographien promoviert wurden. Die Frage ist aber auch, was du anstrebst mit der Diss: Eine wissenschaftliche Laufbahn braucht sicher ein "knackigeres" Thema, das tatsächlich wissenschaftliche Relevanz hat (auf anderer Ebene als eine reine Biographie es haben kann).

Hast du schonmal mit einem potentiellen betreuer gesprochen über deine Ideen?
Zwonk
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Re: Geistige Schöpfungshöhe (Literaturwissenschaft)

Beitrag von Zwonk »

Vielleicht kommt es auch etwas auf den Autor an, über den die Biographie gehen soll. Aus meiner Perspektive als Philosoph: Wenn man über Kant eine Biographie schreibt, dann wird das automatisch ein Buch über die kantische Philosophie und die Biographie wird deshalb ganz von selbst stärker in den Bereich der eigentlichen Fachwissenschaft gehen. Klar, wenn jemand kein Leben hat, dann gibts darüber auch nicht so viel zu schreiben.

Wenn man aber über jemanden wie Marx schreibt, dann sieht das anders aus: Politischer Aktivismus, immer im Visier der politischen Polizei, aus allen möglichen Staaten rausgeschmissen, ein Leben in ständiger Armut, uneheliches Kind, etc. Da muß man selbst schon aktiv dran arbeiten, über den ganzen erzählenswerten Episoden die philosophische Dimension nicht aus dem Blick zu verlieren.

Vermutlich sollte man das analog auch in den Literaturwissenschaften bedenken.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
konstantin

Re: Geistige Schöpfungshöhe (Literaturwissenschaft)

Beitrag von konstantin »

Hallo,

erstmal ein dickes Danke an alle.

Also, ihr werdet es mir nicht glauben, aber das hat mir doch alles weitergeholfen. Ich habe zwischenzeitlich ein sehr umfangreiches Struktogramm zur zentralen Fragestellung ausgearbeitet. Dabei musste ich aber einfach mal alle "wenns" und "abers" ignorieren, die mir von meinem Betreuer in den Kopf gesetzt wurden.

Nun noch flugs einen Text aus dem Struktogramm machen und bis zum Wochenende bin ich fertig. :D

Grüße Konstantin
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