Ausbildung neben der Promotion?

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Wanderfalke

Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Wanderfalke »

Ich überlege im Moment, ob ich neben der Diss noch eine Ausbildung machen soll. Dazu habe ich natürlich ein paar Fragen, möchte aber erst kurz darstellen, wie ich dazu komme:

Ich habe Anfang letzten Jahres ein geisteswissenschaftliches Studium (noch Magister!) mit einer sehr guten Note abgeschlossen (1,3). Leider habe ich spät mit dem Studium begonnen und auch länger gebraucht, da ich es selbst finanzieren musste und phasenweise mehr gearbeitet als studiert habe (werden einige ja kennen) und bin nun Anfang Dreißig. Mein Prof hat mir aufgrund des guten Abschlusses nahegelegt, eine Promotion anzuschließen. Das hatte ich bereits vorher im Blick, denn ich liebe mein Fach und habe Spaß am Schreiben. Es geht mir wirklich weniger um den Titel (auch wenn das natürlich irgendwie schön ist), als um mich selbst; und spätere Gehälter werden dadurch in meinem Bereich auch nicht größer, soweit bin ich informiert. Ich mache die Promotion auch nicht, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll oder Zeit überbrücken will, sondern schlicht: weil ich es möchte. Es lief auch anfangs alles ziemlich problemlos: Doktorvater finden, Anmeldung, Thema etc. gingen fast geräuschlos vonstatten. Allerdings war von Anfang an klar, dass ich eine externe Promotion werde machen müssen, da das Institut sehr klein ist und es einfach keine Stellen gibt, noch nicht mal mehr Hiwi-Stellen (Stichwort: Orchideenfach). Ich hatte mich darauf schon vorbereitet und bereits während des Studiums damit begonnen, Geld aus meinen Nebenjobs zur Seite zu legen, um finanzielle Durststrecken überbrücken zu können. Ich habe mich direkt nach Beginn der Promotion um Stipendien beworben, allerdings keines bekommen (ich vermute, dass es am Alter liegt). Daher habe ich versucht, Arbeit zu finden (deutschlandweit und auch außerhalb meines eigentlichen Fachbereichs), bin aber bis jetzt erfolglos geblieben. Ich denke, dass das ebenfalls am Alter liegt, da die meisten wohl lieber jüngere und noch formbare Bachelor-Absolventen einstellen, deren Lebenslauf „gerade“ ist. Allzu lange kann ich aber nicht mehr warten, denn langsam geht mir mein sauer verdientes Erspartes aus. Da mein Herz an meiner Diss hängt, überlege ich nun, ob ich statt irgendeinem Job (wie Kellner, Verkäufer oder ähnlichem) eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen soll, vielleicht Bürokaufmann oder Verwaltungfachangestellter, da sich das später noch irgendwie mit einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung vereinen lässt, also: den Lebenslauf nicht noch weiter deformiert. Würde bestimmt besser aussehen als Regalauffüller bei Aldi. Zudem würde ich eine, zwar geringe, aber immerhin überhaupt eine Vergütung bekommen, könnte nebenher an der Diss schreiben und hätte am Ende neben dem Uni-Abschluss noch einen „echten“ Beruf. Und sollte ich auch danach keine Stelle im akademischen Bereich finden, könnte ich zumindest in irgendeinem Büro arbeiten, ich werde ja nicht jünger. Soweit die Idee.
Nun weiß ich aber nicht, wie das rechtlich aussieht? Darf ich das überhaupt? Also einen Lehrberuf und eine Promotion gleichzeitig absolvieren? Und wie stehen die Chancen, dass mich überhaupt ein Ausbildungsbetrieb nimmt? Wie ich höre, ist auch dort die Lage sehr schlecht, wahrscheinlich wollen die Unternehmen ebenfalls lieber jungen Leuten die Chance geben als einem alten Hasen, oder? Und danach? Stehe ich dann tatsächlich besser da?
Ich bin wirklich verzweifelt und weiß nicht mehr, was richtig ist und was falsch. Daher würde ich mich sehr über Antworten freuen, auch da ich zu dem Thema im Netz nichts finden konnte und auch meine Nachfragen im Bekanntenkreis nur Schulterzucken hervor gerufen haben. Aber vielleicht weiß hier im Forum jemand Rat.

Vielen Dank schon mal im Voraus!
Anne123
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Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Anne123 »

Lieber Wanderfalke,

Du hast es richtig angedeutet: Betriebe bilden Realschulabsolventen und Abiturienten aus. Es gibt im handwerklichen Bereich oftmals Ausnahmen, weil da Nachwuchsmangel besteht. Ansonsten stehen die Chancen, mit einem abgeschlossenen Studium einen Ausbildungsplatz zu bekommen, ziemlich schlecht.

In welchen Bereichen hast Du Dich denn um eine normale Stelle beworben? Ich frage das, weil ich mich ein wenig wundere, dass Du nichts bekommen hast. Hast Du während des Studiums mal ein Praktikum absolviert? Irgendwo gejobbt?
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algol
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Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von algol »

Weißt Du, was Du später arbeiten willst?
LaRue

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von LaRue »

Darf ich fragen, wie alt du tatsächlich bist? Deine Denkweise über eine Ausbildung erinnert mich eher an meine Eltern- oder gar Großelterngeneration. Das waren Jahrzehnte, in denen eine Ausbildung eine berufliche Bedeutung hatte und dank der Wohlstandsjahrzehnte auch zu einem enormen finanziellen Wohlstand führten mit eigenem Haus, zwei Autos und drumherum.

In einer Zeit, in der es besser ist, keinen Schulabschluss zu haben, als einen Hauptschulabschluss, und nicht vorhandenen Jobperspektiven mit einer Ausbildung, frage ich mich: warum? Wenn du glaubst, dass du mit einer Ausbildung zur Bürokauffrau eine Stelle als Sachbearbeiterin zu bekommen, träumst du wohl eher vom Sechser im Lotto. Diese Jobs werden von den BWLern aufgesaugt, die keinen guten Abschluss haben, sondern eher so mit 2,0 bis 3,0 abgeschlossen haben und trotzdem einen Job annehmen müssen. Das was vor 10 bis 20 Jahren noch von Ausbildungsplätzen besetzt wurde, ist schon seit Jahren von Akademikern besetzt. Das sind die praktischen Auswirkungen von dem, was im politischen Bereich als extreme Umwälzung im Arbeitsmarktbereich benannt wird. Wenn jemand 2004 Deutschland verlassen hat und heute wiederkommt, der wird dieses Land in kaum einem Aspekt mehr wiedererkennen. Aber das nicht nur im Arbeitsbereich.

Wie du siehst, verstehe ich einfach nicht, warum du eine Ausbildung machen willst.
Anne123
Beiträge: 173
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Status: irgendwo mittendrin

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Anne123 »

Naja,...also, die meisten Bankkaufleute sind gelernte Bankkaufleute. Die, die ins Management wollen, studieren berufsbegleitend oder nach der Ausbildung BWL. Gleiches gilt für den gesamten Dienstleistungsbereich. Im oberen Management sind die BWLer (natürlich auch Absolventen anderer Studiengänge) Weiter unten( also auch Abteilungsleiter und Co) hat man meistens nicht studiert. Die von Dir beschriebene Umwälzung kann ich daher nur zum Teil sehen. Vor 20 Jahren war es in der Tat völlig normal, nach dem Abitur einen Beruf zu erlernen und erst danach zu studieren-wenn überhaupt. Heute studiert jeder Hinz und Kunz (und neuerdings promoviert folglich auch jeder), was den Akademikerstatus entwertet und alle Nicht-Akadamiker zu ungelerntem Fußvolk degradiert. Hier sollte die Politik in der Tat sehr gut aufpassen...
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Wanderfalke

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Wanderfalke »

Also: ich bin mittlerweile 33 Jahre und Historiker. Ich wollte gerne Richtung Museum gehen, was fast immer eine Promotion erfordert. Ich habe mich auf alle möglichen Volontariate beworben, da diese ebenfalls für diese Sparte Voraussetzung sind. Dabei habe ich mich nicht nur für museumsrelevante Volontariate beworben, sondern auch für welche im Bereich Kulturamt, Verwaltung (Uni), Zeitung (Journalismus) oder auch für PR. Daneben habe ich Bewerbungen für pädagogische Stellen (Nachhilfe gegeben/ Tutor gewesen), medizinische Stellen (auch in der Altenpflege gearbeitet) und halt Bürostellen (auch im Handelsbereich, weil ich auch u.a. einen Nebenjob im Handel/Vertrieb hatte) abgeschickt. Die letztgenannten Stellen haben alle abgesagt, wahrscheinlich bin ich dazu entweder überqualifiziert wegen akademischem Abschluss, den man dafür ja eigentlich nicht braucht, bzw. umgekehrt: ich bin eben nicht qualifiziert genug, da sie z.B. im medizinischen Bereich immer Leute mit Ausbildung suchen. Ich hatte auch ein paar Vorstellungsgespräche und das Glück, dass aufgrund meiner hartnäckigen Nachfrage zwei Mal auch erklärt wurde, warum ich die Stelle nicht bekommen habe. Als Grund wurde einmal angegeben, dass ich eine Promotion machen würde und sie das nicht befürworten, da sie den Eindruck hatten, dass ich wohl der Diss zuliebe weniger Energie in den Job stecken würde. Ich habe mich natürlich geärgert, dass ich im Gespräch ehrlich war und auf die Frage, ob ich beabsichtige, die Diss neben dem Beruf weiter zu machen, mit einem klaren "Ja" geantwortet hatte. Die andere Personalerin, die so freundlich war mir den Grund zu nennen, sagte, es läge an meinem Alter und nicht etwas daran, dass ich wenige Praktika gemacht habe (dafür habe ich ja so einige verschiedene Nebentätigkeiten ausgeführt und davon auch gute Zeugnisse). Ich habe natürlich gefragt, warum sie mich dann überhaupt eingeladen hätte, und sie meinte, ich hätte halt schon einen interessanten Lebenslauf und da wollte sie halt mal gucken. Hä?! Das hatte mich sehr verstört und eben auch entmutigt. Sie hatte mir zwar gesagt, ich sei ein echt toller und interessanter Mensch, aber sie wollte eben einem jüngeren die Chance geben. Mhm.....das lässt mich halt ratlos zurück. Daher hatte ich eben überlegt, eine Ausbildung Richtung Büro zu machen. Ich hatte gehofft, vielleicht dadurch für Stellen in der Verwaltung interessanter zu sein.....und Museum als Traum abzustempeln.
So...ich hoffe, dass bringt noch etwas mehr Licht ins Dunkel. Ach ja, von wegen ältere Generationen denken so......ich bin die erste in meiner Familie, die studiert hat. Das berühmte Arbeiterkind......ich ernte bis heute von allen nur Kopfschütteln und Sprüche à la: "Mach gleich den Taxischein mit"......das frisst an einem und Ja! auch aus der Richtung kommt die Idee mit der Lehre......
DoneXY

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von DoneXY »

Wir hatten kürzlich einen Thread, in dem eine Hochschulabsolventin davon schrieb, keinen Ausbildungsabschluss zu haben. Das ist natürlich Unsinn, ein Hochschulabschluss ist ein 'berufsqualifizierender' allerdings theoretischer Abschluss. Ebenso qualifiziert natürlich auch eine Promotion. Mit dieser kommt aber ganz deutlich das Problem der 'Überqualifikation'.

Bei einer klassischen Berufsausbildung sehe ich tatsächlich das Alter als Problem, wenn der 'Stift' im Alter oder älter ist als die Ausbilder, kann das vom potenziellen Arbeitgeber als Problem gesehen werden.

Mein hoffentlich konstruktiver Beitrag:

- Du hast Dich offenbar schon erfolgreich beworben (= Vorstellungsgespräch). Mache damit weiter und verschweige zukünftig Deine Diss. Wenn Du nicht lügen magst, ehrt Dich das, bist Du dazu in der Lage und Willens, erzähle beim nächsten Vorstellungsgespräch, dass Dein Studium zwar eine ganz tolle Zeit war, aber Du lieber praktisch als wissenschaftlich-theoretisch arbeiten willst. Streiche hier die Vorzüge der Stelle heraus, auf die Du Dich bewirbst.

- Ganz allgemein: Aufgrund des niedrigen Entgelts werden Ausbildungen oft als Ausbeutung durch den Ausbilder gesehen, für den nahezu umsonst gearbeitet wird. Tatsächlich sehen Ausbilder in einer Ausbildung auch viel investierte Mühen und Zeit. Das bringt man nicht für einen auf, dem begründet unterstellt wird, dass er eigentlich etwas ganz anderes will.

- Ich kenne viele, die nach einem Orchideenfach noch ein SozPäd-Studium gehängt haben, in dem Bereich gibt es ja eine Berufsgarantie. Allerdings wird das Feld schwieriger und auch hier mag Dir Dein Alter auf die Füße fallen. Dennoch würde ich mich an Deiner Stelle fragen, ob eine weitere akademische Ausbildung nicht vielleicht besser ist als eine berufliche Ausbildung.

- Aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es zunehmend im Bereich der Versorgung alter Menschen eine Vielzahl neuer Berufsfelder und spezailisierte wissenschaftliche Zugänge wie die Gerontologie. Eine Freundin von mir hat in Deinem Alter in diesem Bereich eine verschulte (?) Ausbildung gemacht und sofort eine Feststellung bekommen.

So und jetzt kommt der Hit:

- Du hast während Deines Studiums Qualifikationen erworben. Das mag sein: Sitzfleisch, Abstraktionsvermögen, Präsentationserfahrung usw. usf. Mach Dir diese bewusst und überlege, wie Du sie bei Bewerbungen mit dem Stellenprofil verbinden kannst. Hilfreich ist dabei vielleicht, erstmal bei dem anzufangen, was die von Dir genannte Gesprächspartnerin mit "interessanten Lebenslauf" meint. Ganz sicher ist aus Deinem Lebenslauf noch mehr rauszuholen als Du gerade denkst.
Amalia

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Amalia »

Lieber Wanderfalke,
ich finde es ausgesprochen weitsichtig, dass Du Dir die Promotion nicht mit Hilfstätigkeiten in der Gastronomie finanzieren willst, sondern Dich schon jetzt fragst, wie Du am besten im Arbeitsmarkt Fußfassen kannst. Allerdings erscheint mir wie meine Vorredner Dein Vorhaben einer betrieblichen Ausbildung nicht überzeugend. Stattdessen würde ich mich nach einer Weiterbildung umschauen. Es gibt eine Menge Fortbildungen gerade im Kaufmännischen Bereich für Akademiker, die 3-6 Monate dauern. Am Ende bekommst Du ein (anerkanntes!) Zertifikat und unterscheidest deutlich Dich von all den anderen Magistranten, die nicht so recht wissen, was Sie mit ihrem Hochschulabschluss machen sollen. Mir hatte das Arbeitsamt nach dem Studienabschluss sogar freiwillig angeboten eine solche Fortbildung zu bezahlen.
Hast Du Dich mal im Careere Center Deiner Uni oder beim Arbeitsamt (Akademikerberatung) betraten lassen?
Alles Gute!
A.
Wanderfalke

Re: Ausbildung neben der Promotion?

Beitrag von Wanderfalke »

Vielen lieben Dank für die schnellen, hilfreichen und vor allem ermutigenden Antworten!

Ich habe am Wochenende nochmal meinen Lebenslauf modifiziert und nach anderen Fortbildungsmaßnahmen gesucht. Einige Bewerbungen sind ja noch unterwegs und ich werde mich auch weiterhin bewerben. Ist ahlt komisch, wie man manchmal in eine gedankliche Abwärtsspirale gerät! Daher bin ich froh, dass ich dieses Forum gefunden habe.

Ich halte Euch auf dem Laufenden....... :D
Gesperrt
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