Völlig ratlos ...

Jahresarchiv
Gesperrt
Nestor83

Völlig ratlos ...

Beitrag von Nestor83 »

Hallo zusammen,

toll, dass es so ein Forum gibt! Hätte ich das mal früher gefunden. Ich bin so ziemlich am Ende meiner Promotion. Die Doppeldeutigkeit ist ernsthaft Programm. Vielleicht zunächst etwas zu mir, damit Ihr euch ein Bild machen könnt.
Ich bin 31 und seit fast 5 Jahren am Promovieren. Studiert habe ich davor Chemie-Bioingenieurswesen, was ich folglich als Dipl.-Ing. abgeschlossen habe. Ich habe mich zu einer Promotion am dem Lehrstuhl hinreisen lassen, an welchem ich auch meine DA schrieb. So eine volle Stelle ist schon verlockend. Allerdings hatte ich die ersten 2 Jahre quasi kein Projekt und somit auch keine wirklichen Verbrauchsmittel. Viel mehr war ich mit Studenten und der Antragstellung beschäftigt und habe so den ein oder anderen DFG Antrag geschrieben. Immerhin ist aus einer von mir betreuten DA ein Projekt und eine Veröffentlichung hervorgegangen.
2011 konnte ich endlich mit einem Drittmittelprojekt durchstarten, dass nun 2013 zu Ende ging. In diesem Projekt war ich auf verschiedene Weise tätig und an 4 Publikationen (kurze Autorenliste, ich Daten-Generierer, die Anderer Daten-Prozessierer) direkt beteiligt. Somit bin ich seit 2014 arbeitslos. Bei uns ist es mehr oder weniger eher die Regel, dass die Dissertation in der Zeit der Arbeitslosigkeit angefertigt wird (wie ist das bei euch?). Daher habe ich gegen Ende der Anstellung mit meinem Doktorvater gesprochen, was er von mir alles erwartet. Wir haben uns Ende 2013 darauf verständigt, dass wegen meiner sonstigen Beteiligungen in weiteren Forschungsprojekten keine Publikation mit einer Erst-Autorenschaft notwendig ist.
Mit dieser Grundlage habe ich mich hingesetzt und die Dissertation geschrieben, so dass diese im Februar quasi nahezu fertig war (dafür, dass ich keinen fachlichen Betreuer habe, finde ich das nicht schlecht...noch länger mit mir selber zu diskutieren, macht mich aber auf Dauer wohl schizophren). Jetzt kommt es aber: Vor drei Wochen lud mein ehemaliger Chef zu einem Strategie-Seminar, um die Zukunft des Lehrstuhls zu diskutieren. Ich sollte - obwohl nicht mehr am Lehrstuhl - auch daran teilnehmen, da ich ja "noch wissenschaftlich interessiert" sei. Das Ende vom Lied war, dass er jetzt von jedem Doktoranden mindestens eine Publikation in Erst-Autorenschaft fordert und ansonsten die Annahme der Doktorarbeit verweigert.
Der erste, an dem er das jetzt durchziehen möchte ... das bin ich. Zwar ist er damit zufrieden, wenn das Paper bei einem Journal eingereicht worden ist, aber woher weiß ich, dass er mich damit nicht nur hinhält. Was ist, wenn das Teil mit Major Revision zurückkommt? Am Ende stehe ich dann zwangsweise doch wieder im Labor und schaffe fehlende Daten heran, damit er die Dissertation doch noch annimmt. Ich könne die Dissertation zwar jeder Zeit am Dekanat abgeben, weil ich gemäß der Promotionsordnung ja alles erfüllt habe, aber "das würde ich dann nicht wollen". Einen Job solle ich jetzt auch erst mal nicht annehmen, da ich je die Vorzüge des Doktor-Daseins nicht auskosten könnte. Irgendwie ist das doch rechter Hohn?!

Was würdet ihr mir raten? Ist das völlig normal und ich nur überempfindlich? Ich überlege mir gerade, die Frist bis wann ich die Arbeit abgebe verstreichen zu lassen. Denn das ist auch so eine Neuerung. Über diese Frist hinaus wird auch keine Dissertation mehr angenommen. Da frage ich mich ehrlich gesagt nach der rechtlichen Grundlage?! Oder wird das dann über die Note quittiert?!

Ratlose Grüße,
Björn :(
xiotres
Beiträge: 86
Registriert: 17.07.2008, 18:33
Status: Prof. Dr.
Danksagung erhalten: 4 Mal

Re: Völlig ratlos ...

Beitrag von xiotres »

Hallo Björn-Nestor,

erstmal meine Anteilnahme, dass du dich nach 5 Jahren Plackerei nun in einer solch misslichen Situation befindest.
Wenn ich dich richtig verstanden habe
a) ist deine Diss abgabereif, aber noch nicht formal eingereicht(?)
b) bist du nicht mehr am Lehrstuhl beschäftigt
c) sollst du deine Diss zu einem bestimmten Termin/innerhalb einer gewissen Frist einreichen.

Zu c) stellt sich mir die Frage: Wer setzt diese Frist, und von wann beginnt sie zu laufen? Kommt sie "nur" vom DV, gilt, was ich gleich unten noch schreiben würde. Ich habe auch schon von Fällen gehört, da hat man nach Abgabe eines Exposés oder einer (an manchen Fachbereichen praktizierten) förmlichen Annahme als Promovend eine gewisse Spanne (meist 5 oder 6 Jahre), innerhalb der man dann die Diss abgeben sollte. Meines Wissens wird das aber lax gehandhabt oder formlos verlängert. Rechtlich und formal würde ich also erstmal sagen: alles halb so schlimm.

Allerdings, und das liest du wahrscheinlich nicht so gern, ist im Promotionsumfeld so einiges "üblich", was formal nicht festgeschrieben ist, und DV haben je nach den Zukunftsplänen des Doktoranden auch so einige Macht, ihren Willen durchzudrücken. Daher nur ein paar Anregungen:

Wie ist dein Verhältnis zum DV? Gibt es eine Möglichkeit, nochmal mit ihm zu sprechen, und in bspw. auf das bereits eingereichte Co-Autor-Paper oder die DA mit aus ihr folgender Veröffentlichung anzusprechen?
Wenn du deinen DV nicht selbst ansprechen möchtest, gibt es jemand anderen, einen (älteren, möglichst fest angestellten!) Kollegen (Oberingenieur oder sowas), der vermitteln könnte? Gibt es einen Zweitgutachter, der das übernehmen könnte?
Wer bewertet die Diss nach welchem Verfahrensablauf? Vielleicht macht es bei 3 Mitgliedern einer Kommission, einfach einzureichen, wenn die beiden anderen halbwegs vernünftig sind und dich "durchwinken".

Alles in allem kommt es auch sehr darauf an, was du nach der Diss willst: Kommt es dir nur auf den Titel an, ist einfach abgeben und eine schlechtere Note (und einen kleinen Eklat) auf sich nehmen, eine ernsthafte Option. Wenn du an der (oder einer anderen) Uni bleiben willst, eher nicht...

Ich wünsche dir in jedem Fall gute Unterstützung vor Ort und eine deiner Situation angemessene Entscheidung.

Xiotres
"Denken ist schwerer, als man denkt." (duplo)
Nestor83

Re: Völlig ratlos ...

Beitrag von Nestor83 »

Hallo Xiotres,

danke für deine Antwort. Die Situation am Lehrstuhl ist etwas verzwickt. Eigentlich habe ich einen guten Draht zum DV. Das verhalten macht mich aber misstrauisch. Für mich kommen hier viele Faktoren zusammen. Es entwickelt sich für mich ein Umfeld der unbestimmten Zwänge mit erpresserischem Charakter und das kann ich gar nicht ab. :?

Kurz zu den Anmerkungen. Die Diss ist nahezu fertig. Das sind vielleicht noch 2-3 Wochen Arbeit. Dann kann ich vermutlich drucken, wenn nicht wieder Citavi spinnt! ;)
Diese Frist ist eine verzwickte Sache, da ich diese selber setzen muss und sie in einem realistischen Zeitraum liegen soll. Irgendwie sinnbefreit aus meiner Sicht. Ich habe das Gefühl es wird auch mit vielen Mutmaßungen und meiner Unerfahrenheit, was das Promovieren angeht, Druck ausgeübt. Der Kern meines Problems ist der plötzliche Wechsel der Absprache. Was ist das Wort meines DV noch wert? Kann ich diesen als Gutachter irgendwie wechseln? Mein zweiter Gutachter steht noch gar nicht fest und der Prüfer ist ein Vize-Präsi der Uni. Also eine heikle Geschichte in meinen Augen.
Mein DV hat diese neue Regelung erst getroffen und seine letzten Worte gingen in die Richtung: "Wenn ich das gleich beim ersten Doktoranden einreißen lassen, machen es die anderen ja eh nicht ...". Daher rechne ich mir schlechte Chancen aus. Unser Problem war die letzten Jahre eine schlechte Publikationstätigkeit. Des Weiteren haben meine Ex-Kollegen ihre Diss bisher nicht eingereicht, obwohl deren Projekte schon lange fertig sind. Diese Umstände sollen nun durch solche Zwänge beseitigt werden. Nur liegt die Ursache an anderer Stelle und das will keiner sehen. Wenn ein Projekt mangels fachlicher Unterstützung in Schieflage gerät, sollte man sich eben auch mal die Leistung der "höheren Dienstgrade" anschauen, die sich daran eher noch erfreuen, aber nicht eingreifen. Jedes Projekt ist fachlich isoliert und keiner kann sich mit anderen austauschen und steht mit allem alleine da. Das ist in einem interdisziplinären Umfeld meiner Meinung nach der GAU! In dem Zusammenhang bin ich selber erstaunt, dass ich über 300 Seiten zusammenbekommen habe... nur kann ich es fachlich kaum einordnen, da mir der Diskussionspartner fehlt. Mein DV kann es leider ebenfalls nur grob beurteilen, da er in der Thematik ebenfalls nicht drin steckt. Das ist eigentlich total verrückt und so hab ich mir das ganze nie vorgestellt. :cry:
Daher kommt es mir eher wie ein Glücksspiel vor. Und die Lösung mit Eklat ist wohl momentan am Wahrscheinlichsten. Denn eigentlich darf ich ja sowieso nicht mehr als 15 h die Woche für Diss & Co. investieren. :wink:

Tut mir leid, wenn das so ellenlang ist, aber mir kommt es direkt immer hoch und es vielleicht gut mir das mal von der Seele zu schreiben. Denn eigentlich bin ich von der universitären Forschung eher enttäuscht. Erwähnt habe ich noch gar nicht die Schikane der ersten 2 Jahre inkl. Verleumdung auf übelste Weise durch Vorgesetzte. So was nennt sich dann Forschungselite! :evil:

Naja ich lass es lieber ... wird nicht besser! :?

Gute Nacht!
rissani

Re: Völlig ratlos ...

Beitrag von rissani »

Ja, zu heftig aufreiben sollte man sich dabei nicht, es ist ja niemandem geholfen, ich wünsche dir trotzdem viel Erfolg! :)
Gesperrt