Hallo zusammen,
wenn ich die Informationen noch einmal zusammenfassen darf: Die Fachkulturen sind da (wie so oft) vollkommen unterschiedlich – das sollte man einfach so akzeptieren und nicht versuchen, Präsentationsformen aus der eigenen Disziplin anderen als allgemein gültige (weil interessanter, unterhaltsamer, moderner ...) zu empfehlen.
Ich selber bin Germanist, habe selbst schon auf über zwanzig Tagungen vorgetragen (und noch einmal so viele erlebt) und es ist die gängige, vollkommen akzeptierte Praxis, dort Vorträge abzulesen (im Gegensatz übrigens zum Studium, wo einem auch beigebracht wird, möglichst frei zu sprechen). Wenn man also bei jedem abgelesenen Vortrag auf einer germanistischen Konferenz den Raum verlassen würde, müssten die meisten Referentinnen und Referenten vor einem leeren Saal sprechen …
Über die Gründe kann man streiten: Sicherlich ist es nicht immer so, dass man abliest, weil man danach nichts mehr für die Publikation am Text machen muss. Die meisten Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, unterscheiden noch einmal sehr genau zwischen mündlichem Vortrag und schriftlicher Fassung für den (oftmals folgenden) Sammelband. Ein Beispiel: Beim Vorsingen ist mein "Konkurrent" nur auf den dritten Listenplatz gekommen, weil er – so die Kritik der Kommission – einen Schrifttext vorgetragen hat.
Ich selber formuliere meine Vortragstexte immer aus, weil ich damit meine Vortragszeit exakt timen kann. Mit der Zeit (und vielem Üben vor dem Badezimmerspiegel) weiß man genau, wie viel Seiten man mit Times New Roman für 15, 20, 30, 45 oder 120 Minuten braucht.
Aber – und damit stimme ich der Kritik der Nicht-Germanisten im Forum zu – ich baue immer Passagen ein, in denen ich frei spreche: um das bisher Gesagte noch einmal zusammenzufassen, um an einem Zitat auf der Folie etwas genauer zu erläutern, einen Bezug zu einem anderen Vortrag zu stiften, um eine ironische Bemerkung zu machen, etc. Gerade wenn man auf Konfrenzen den zwanzigsten Vortrag hört, ist man dankbar für jeden Moment, in dem die Rede etwas freier wird. Außerdem, auch das ist ein guter Tipp, lese ich den Text vorher mehrmals laut (!) durch, damit ich den Text wirklich "drauf" habe und oft genug ins Publikum schauen kann.
Mein Tipp also, wenn es Deine erste Konferenz ist: Ausformulieren! Dann kann man das Ganze auch noch einem Kolleginnen und Kollegen geben, um den Text auf terminologische Klarheit, Stringenz, exakte Formulierungen, etc. kontrollieren zu lassen. Denn – auch das ist wohl Germanisten-typisch – in der anschließenden Diskussion sind gerade solche Punkte (die bei einem absolut freien Vortrag schnell einmal 'danebengehen') klassische Einfallstore für Kritik und Totschlägerfragen wie etwa: "Erläutern Sie doch einmal Ihren Begriff von …