Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

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Kira

Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Kira »

Hey alle zusammen,

ich verzweifel gerade etwas und muss euch einfach mal mein Leid klagen. Vielleicht steckt oder hat schon mal jemand in einer ähnlichen Situation gesteckt und kann mir einen Rat geben bzw. mir Mut machen.

Ich komme aus den Naturwissenschaften und promoviere seit 2,5 Jahren. Ich hatte das Glück, dass das Projekt, welches ich bearbeite, Drittmittel-finanziert ist. Wir haben eine "große" Hypothese mit mehreren kleinen "Unterhypothesen" aufgestellt. Die experimentellen Versuche sind alle abgeschlossen. Es handelte sich dabei um Tierversuche. Jetzt ist es so, dass bis auf eine kleine Hypothese, sich alle anderen nicht bestätigt haben. Ein Paper ist mit diesen Ergebnissen nicht möglich. Ich hatte auf eine kumulative Promotion spekuliert, da ich aber nicht in der Forschung bleiben möchte, ist das nicht mehr ganz so wichtig für mich. Jetzt will mein DV, dass ich eine Monographie schreibe. Meine Finanzierung läuft noch 4 Monate, ich soll die Zeit neben anderen Verpflichtungen im Institut zum Schreiben nutzen. Habe auch schon den Größtteil geschrieben. Leider hat mein DV selten Zeit, ist eigentlich permanent im Stress und irgendwie glaube ich auch, dass er sich nicht so richtig mit meinem Thema befassen will. Wir sind auch sehr viele Doktoranden mit den unterschiedlichsten Experimenten. Ein gemeinsames Seminar oder dergleichen gibt es bei uns leider nicht.

Ich bin mir so unsicher ob ich mit solchen Ergebnissen überhaupt promovieren kann und habe panische Angst vor dem Gutachten des Zweitbetreuers. War oder ist jemand von euch auch in so einer Situation? Bin auch schon die ganze Zeit am überlegen, ob ich nicht noch irgendetwas untersuchen kann mit den noch vorhandenen Proben, aber bin da mit meinem Latein mittlerweile auch am Ende. Natürlich werde ich wieder ein Gespräch mit meinem DV suchen. Er ist aber wieder für ein paar Tage unterwegs.

Ich danke euch schon mal.

LG
Kira
Zwonk
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Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Zwonk »

Ich bin selbst kein Naturwissenschaftler und kann daher nur sehr allgemein antworten. Allerdings höre ich oft naturwissenschaftliche Vorträge und da wird doch öfter mal als Ergebnis festgestellt, daß es entgegen der ersten Erwartung keinen Zusammenhang zwischen den Parametern a und b gibt.

Ich sehe nicht, warum man mit so einem Ergebnis nicht promovieren können sollte. "Die Hypothese x hat sich nicht bestätigt" ist ein vollkommen valides wissenschaftliches Ergebnis. Du sollst mit der Promotion nicht nachweisen, daß es zwischen a und b einen Zusammenhang gibt, sondern Du sollst nachweisen, daß Du die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen a und b gibt, wissenschaftlich angemessen bearbeiten kannst. Wäre es anders, wäre das enorm unfair - dann würde ja nicht die Leistung des Doktoranden bewertet, sondern die Natur. Und Du kannst nicht einen Doktoranden deshalb durchfallen lassen, weil die Natur sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält oder eben nicht verhält.

Daß einem das so vorkommt, als wäre es problematisch, daß die Hypothese sich nicht bestätigt, ist eher ein psychologisches Problem. Klar, jeder sagt lieber "Ich bin derjenige, der gezeigt hat, daß es zwischen a und b einen Zusammenhang gibt" als "Obwohl es so schön ins Theoriegebäude gepasst hätte - es gibt keinen Zusammenhang zwischen a und b und wir müssen nochmal ganz von vorne anfangen." Aber, wie gesagt - auch letzteres ist ein valides wissenschaftliches Ergebnis und ich bin mir sicher, daß man damit promovieren kann.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Kira

Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Kira »

Vielen Dank für deine Antwort. Das nimmt mir schon mal die Panik. Meine Angst ist eher darin begründet, dass ein Gutachter sagen könnte "Ja, warum hast du dann nicht weiter geforscht, weitere Hypothesen aufgestellt etc.?" Da kann ich ja dann nicht sagen, dass keine Gelder mehr da sind und auch für mich keine weitere Finanzierungsmöglichkeit gegeben ist. Wenn ich könnte, würde ich da natürlich gerne weiter forschen. Andererseits meint mein Prof halt, dass ich jetzt alles fertig schreiben soll. Ich denke der will in die Richtung auch gar nicht weitermachen.
Ich bin einfach verwirrt zurzeit. :D Irgendwie ging die Zeit so wahnsinnig schnell rum und jetzt bin ich fast am Ende der Diss, da kam einfach die Panik. Noch mal danke!!
Zwonk
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Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Zwonk »

Auch diesbezüglich würde ich mir nicht so große Sorgen machen. Der akademische Bereich in Deutschland hat nun einmal große finanzielle Schwierigkeiten. Das weiß der Zweitgutachter auch, wahrscheinlich sogar besser als Du. Und für Doktoranden sind die Mittel meist noch beschränkter. Meistens sind ja sowohl Zeit als auch Geld knapp bemessen. Und wenn Du mit den Mitteln die Du hast Deine Hypothese nicht bestätigt bekommst, dann hast Du eben im Normalfall weder Zeit noch Geld, ein ganz neues Projekt zu starten.

Das weiß also auch der Zweitgutachter und das ist auch so vorgesehen. Wie gesagt, die Dissertation ist erstmal eine wissenschaftliche Qualifikationsschrift. Und daß Du wissenschaftlich arbeiten kannst, kannst Du auch mit negativen Ergebnissen zeigen.

Ich würde dann vielleicht beim Schreiben der Diss mir ein paar Extragedanken über einen Abschnitt "Ausblick" oder so ähnlich machen und da in groben Zügen nochmal skizzieren, wie man das Problem stattdessen angehen könnte. Dafür mußt Du ja keine Experimente mehr durchführen. Es zeigt einfach nur, daß gerade auch das negative Ergebnis dazu dienen kann, neue Forschungen anzustoßen.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
DoneXY

Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von DoneXY »

Zwonk hat geschrieben:"Die Hypothese x hat sich nicht bestätigt" ist ein vollkommen valides wissenschaftliches Ergebnis.
Genau.
Zwonk hat geschrieben:Daß einem das so vorkommt, als wäre es problematisch, daß die Hypothese sich nicht bestätigt, ist eher ein psychologisches Problem.
Es gab schon mal einen ähnlichen Thread. Ich habe daraus mitgenommen, dass es einen Unterschied macht wg. der anschließenden Rezeption der Arbeit: Hat sich ein getesteter Zusammenhänge nicht bestätigt, dann "weiß" die Fachwelt, wo weitere Forschung nicht lohnt. Man/frau hat das eigene Forschungsfeld sozusagen begraben. Gelingt es dagegen einen Zusammenhang nachzuweisen, kann die Forschung wieder und wieder auf die ihn belegende Arbeit zurückkommen. Das ist natürlich nur bedeutsam, wenn weiterhin wissenschaftlich gearbeitet werden soll. Jedoch vermute ich, dass daher die Unsicherheiten kommen, wenn sich These als falsch herausstellen.
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Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Zwonk »

@DoneXY: Das kann natürlich sein, es ändert aber trotzdem nichts daran, daß man mit einer Arbeit mit negativem Ergebnis ohne Probleme promoviert werden kann.

Und zum Thema Geld fällt mir noch etwas ein: Ich war mal auf einer Tagung wo der Hauptredner eine Koryphäe aus Amerika war, eine von der Art, daß die ganze Zeit irgendwelche Fernsehteams herumliefen. Und auch der beklagte in seinem Vortrag, daß er die sich aufdrängende Hypothese x leider nicht mehr erforschen konnte, weil die Regierung die Mittel gekürzt hat. Wenn der schon finanzielle Probleme hat, dann ist fehlendes Geld für Doktoranden allemal eine Entschuldigung, die jeder Gutachter akzeptieren muß.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Kira

Re: Diss möglich bei nur negativen Ergebnissen?

Beitrag von Kira »

Ja das stimmt. Danke! Jetzt bin ich schon direkt viel beruhigter. :wink: Das Problem ist, dass einem oft vermittelt wird, dass nur positive Ergebnisse tolle Ergebnisse sind. Besonders hier bei uns. Eigentlich ist es ja logisch, dass auch solche Ergebnisse, wie bei mir, eine große Aussagekraft haben. Und es gibt ja so viele Einflussfaktoren, die da eine Rolle spielen können, warum eine gut begründete Hypothese nicht bestätigt werden konnte.
Einer Bekannten von mir ist es mal passiert, dass ein Gutachter zu ihr meinte, dass ihre Hypothesen Mist gewesen seien und er sie am liebsten hätte durchfallen lassen. Sie ist natürlich nicht durchgefallen und mittlerweile sehr erfolgreich in der Forschung, aber da hab ich wirklich Panik bekommen, dass mir das auch passieren kann. In der Forschung möchte ich ohnehin nicht bleiben, aber die Jahre während der Promotion sollen nicht umsonst gewesen sein und ich freue mich natürlich auch, wenn ich den Titel tragen darf.

Ja, einen Ausblick werde ich auf alle Fälle schreiben, habe mir dafür auch schon einige Notizen gemacht. Dann hoffe ich mal, dass alles gutgehen wird. :)
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