Zweite Vergabe meines Themas

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jase

Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von jase »

Liebe Promovierende,

Euer Meinung zu folgendem Thema interessiert mich:

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich in Absprache mit meiner Doktormutter das Thema für meine Dissertation festgelegt.
Es passte gut für uns beide, da es um ein Entwicklungsthema geht (zu dem ich einen speziellen Masterabschluss mitbringe) und dieses auf eine Fragestellung zugeschnitten ist, die am Lehrstuhl mit besonderem Schwerpunkt bearbeitet wird. Inzwischen habe ich meine Datenerhebung, die für die Diss erforderlich ist und für die ich auch organisatorisch-finanzielle Unterstützung aus einem Drittmittelprojekt des Arbeitsbereiches meiner Doktormutter erhalten habe, fast abgeschlossen. Das Thema der Diss habe ich zwar noch nicht offiziell angemeldet, bin aber seit kurzem dabei, das Exposè zu schreiben. Im Forschungskolloquium habe ich das Vorhaben im Februar 2013 vorgestellt, meine Kollegen wissen also schon länger, wozu ich forsche.
Nun habe ich quasi zufällig erfahren, dass eine Kollegin aus dem o.g. Drittmittelprojekt gerade mit meiner Doktormutter vereinbart hat, zum selben Thema zu promovieren. Sie wird es allerdings mit einer anderen methodischen Grundlage tun wollen und dazu als kumulative Promotion anlegen. Mir wurde von meiner Doktormutter damals geraten, eine Monographie zu schreiben. Den ersten Publikationsbeitrag hat die Kollegin (natürlich in Mehrautorenschaft mit meiner Doktormutter und noch drei weiteren Personen) bereits verfasst und an ein Journal geschickt. Die zwei weiteren Beiträge will sie dann "nächstes Jahr fertigmachen". Auf meine entsetzte Nachfrage bei meiner Doktormutter zu dieser Verabredung hieß es, "niemand könne ein Thema für sich bunkern" und es müsse mir doch bewusst sein, dass dieses Thema insgesamt für den Arbeitsbereich bedeutsam ist, also auch Forschungsaktivitäten und Publikationen dazu neben meiner Diss selbstverständlich seien.
Man muss noch dazu sagen, dass die Kollegin, die mich da jetzt flankiert, im vergangenen Jahr schon einen vaux pas damit landete,dass sie genau das gleiche Thema wie eine wiederum andere Kollegin aus dem Arbeitsbereich als Diss-Thema für sich nutzen wollte. Dies wurde damals abgewehrt (auch mit klarer Ansage durch meine Doktormutter, es "werden hier nicht zwei Personen zum gleichen Thea promovieren".) Daraufhin hatte meine Kollegin lange kein eigenes Thema, sondern hat immer nur mal andere Themen angedeutet, zu denen sie sich eine Diss vorstellen könnte.

Ich würde am liebsten die Betreuung wechseln, auch wenn ich weiß, dass das nicht wirklich geht. Der Kreis der Forscher ist klein in dem Bereich, jeder kennt jeden und ist miteinander vernetzt. Auch würde mich meine Doktormutter nicht mit den erhobenen Daten gehen lassen, für die sie eine Mitbeteiligung beansprucht, da sie die Datenerhebung finanziert hat (Reisekosten, Incentives für die Befragten).

Wie seht Ihr das? Bin ich zu sensibel? Würdet Ihr euch damit arrangieren, auch wenn klar ist, dass die Kollegin vor mir publizieren wird (ich werde für die Monographie garantiert noch lange brauchen, bin aus privaten Gründen schon ziemlich mit meinen beiden Kindern belastet und arbeite am Lehrstuhl auf einer 3/4-Stelle).

LG Doktorandin
Jucy

Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von Jucy »

Hallo Jase,
und willkommen hier!
Dass die Situation irgendwie komisch ist, kann ich mir vorstellen - wieso du wechseln möchtest, habe ich aber noch nicht verstanden. Beide Dissertationen werden sich doch grundlegend unterscheiden (v.a. methodisch)? Könnte eine Kollegin, die zum gleichen Thema forscht, nicht auch bereichernd sein (inhaltlicher Austausch, Literaturtipps etc.)? Was befürchtest du genau?
Liebe Grüße, jucy
jase

Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von jase »

Liebe Lucy,

danke für Deine Anregung. Ich ärgere mich besonders, weil ich dadurch eine Wettbewerbssituation entstehen sehe. Die Kollegin fragt mich bereits nach Literatur und gesetzlichen Grundlagen und möchte sehr pragmatisch dazu schnell ihre geforderten drei Artikel veröffentlichen. Für jemanden, der eine Monographie erstellen muss, ist das auch deshalb ungünstig, weil ich jetzt permanent auf ihre Arbeit eingehen muss, die sie ja nun in allen Journals zu platzieren versucht. Dazu kommt, dass das Thema noch völlig unbearbeitet ist - bis jetzt halt. Ich ärger mich dabei v.a. über meine Doktormutter, die offensichtlich der Meinung ist, dass Konkurrenz das Geschäft beflügelt.

LG, J
bienah
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Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von bienah »

Hallo Jase

Es ist verständlich, dass du diese Veränderung als unangenehm bzw. irgendwie bedrohlich empfindest. Allerdings kann ich Jucy und deiner Doktormutter nur beipflichten: Es ist normal und auch erwünscht, dass andere auf dem gleichen Gebiet forschen wie man selbst. Ein gewisses Mass an Wettbewerb gehört zu einem Doktorat dazu, man muss lernen, sich fachlich abzugrenzen und zu behaupten. Das akademische Umfeld ist sehr kompetitiv und das ist nun mal das Umfeld, in dem man sich als Doktorand bewegt (und das man auch gewählt hat). Dass du deine Doktorarbeit unter schwierigeren Bedingungen erstellst als deine Kollegin, spielt dabei leider gar keine Rolle. Anhand deiner Beschreibung kann ich kein ungewöhnliches oder unkorrektes Verhalten bei deiner Doktormutter oder deiner Kollegin erkennen.
Cybarb
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Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von Cybarb »

Hallo,

vorweg: Ich finde mich in letzter Zeit vermehrt wieder, wie ich angesichts der Situation anderer Doktoranden ins Staunen gerate, sowohl bei Leuten, die ich persönlich kenne, als auch hier im Forum. Das trifft auch auf deinen Beitrag zu. Ich sage das nur, weil ich meine Antwort nicht als 'belehrend' verstanden wissen möchte, sondern als Resultat meiner Irritation.

- Ganz kurz, auch wenn sich jetzt nichts mehr daran ändern lässt: Warum hast du erst das Thema mit der Doktormutter besprochen, dann geforscht, dann Exposé geschrieben, und noch immer nicht offiziell angemeldet. Diese Reihenfolge empfinde ich als völlig falsch. Exposé, dann besprechen, dann anmelden, dann forschen - wäre das nicht viel sinnvoller? Dadurch wissen die Leute von vornherein, worum es geht, und du hast die Absicherung durch die formelle Anmeldung.

- Die Doktormutter hat Recht: Ihre Verantwortung gilt zwar auch dir, aber eben auch ihrem Lehrstuhl, ihrem Projekt, ihren anderen Mitarbeitern. Insofern könnte man ihr vielleicht mangelnde Kommunikation vorwerfen, aber alles in allem hat ihr Vorgehen seine Berechtigung. Ohne um die Details bescheid zu wissen, könnte man die Geschichte auch so auslegen: Das Thema ist noch unbearbeitet (schreibst du ja selbst) und hat dadurch Potential. Vielleicht kann die Doktormutter gerechtfertigterweise annehmen, dass deine Kollegin das Thema effizienter bearbeiten wird als du? Für mich stellt sich die Perspektive der Doktormutter, wie du sie schilderst, nämlich so dar: "Jase hat jetzt ein Jahr empirisch geforscht, das ist schön, aber ich will bald mal Resultate sehen. Die Kollegin ist schneller, was das publizieren angeht, also sehe ich insgesamt keinen Grund, warum sie das Thema nicht in einer kumulativen Diss. bearbeiten sollte."
Irritierend daran ist nur, dass die Doktormutter so ein Vorgehen, wie du schreibst, schon mal abgelehnt hat. Warum hat sie das dieses Mal nicht gemacht? Gibt es dafür vielleicht einen speziellen Grund?

- Du willst per Monographie promovieren, das könnte ein Vorteil sein. Die Kollegin muss sich nämlich mit Review-Prozessen herumschlagen, und das kann recht zeitintensiv werden und mit Rückschlägen verbunden sein. Unter Umständen kannst du das zu deinem Vorteil nutzen, indem du am Ende einfach schneller bist und deine Monographie schreibst. Dabei kommt dir (ihr allerdings auch) zugute, dass du nicht so viel an sonstiger Literatur berücksichtigen musst, weil das Thema ja unbearbeitet ist. Zudem hast du deine Daten quasi beisammen, kannst also sofort loslegen.


Gruß
Cyb

-
Poppy

Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von Poppy »

Ich sehe es so, dass kein Thema zweimal gleich behandelt wird. Jeder hat seine eigene Perspektive auf ein Thema und gerade in den Geisteswissenschaften sind die erhobenen Daten ja u. U. ganz anders. Daher meine Frage: Um welche Forschungsdisziplin geht es denn?
Ich kann total verstehen, dass man sich mit einer zweiten Vergabe des Themas unter Druck gesetzt fühlt. Vielleicht kannst du aber mit der Kollegin auch absprechen, was sie genau vorhat und was du machen willst. Vielleicht löst sich das Problem dann von selbst, weil ihr vielleicht am gleichen Thema, aber an ganz anderen Fragestellungen arbeitet.
flip
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Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von flip »

Ich verstehe die Reihenfolge ehrlich gesagt überhaupt nicht. Du stellst anfang 2013 dein Thema vor, hast bis jetzt an den Daten gesessen und schreibst dann noch ein Exposé...? Wozu?

Schon einmal darüber nachgedacht, einfach auch kummuliert mit deiner Kollegin zu promovieren? Manchmal kann es sinnvoller sein, im Team zu arbeiten und nicht gegeneinander?
DoneXY

Re: Zweite Vergabe meines Themas

Beitrag von DoneXY »

jase hat geschrieben:Wie seht Ihr das? Bin ich zu sensibel? Würdet Ihr euch damit arrangieren, auch wenn klar ist, dass die Kollegin vor mir publizieren wird
Auf der zwischenmenschlichen Ebene mag es arm sein, dass Deine DM Dich nicht zeitig über diese Entwicklung informiert hat. Allerdings denke ich auch, dass der Zugang zu einem Forschungsfeld entscheidender ist, als das Feld selbst. D.h. Deine Kollegin wird vermutlich weniger in Konkurrenz zu Dir stehen als Du es jetzt befürchtest.

Deine Diss muss keinesfalls Deine erste Veröffentlichung zu deinem Forschungsthema sein. Weite Teile meiner nicht kumulativen Diss habe ich vor dem Einreichen bereits in Sammelbänden veröffentlicht. Vielleicht kannst Du auch ein Kapitel als Artikel vorab publizieren.

Wenn Deine Kollegin für ihre Artikel auf die von Dir erhobenen Daten zurückgreift, sollte sie Dich fairerweise auch als Ko-Autorin angeben oder zumindest im Methodenteil Deinen Anteil würdigen.
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