Die erste Lehrveranstaltung

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Taavi

Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Taavi »

Hallo liebes Forum,

ich werde im kommenden WS meine erste eigene Lehrveranstaltung halten. Da ich noch gar keine Lehrerfahrung habe (nicht einmal ein Tutorium zu Studienzeiten), wollte ich euch nach euren Erfahrungen fragen, vor allem die Geisteswissenschaftler. Es wird wohl ein recht übersichtliches Seminar werden, ca. 16 Studienanfänger, die von mir eine klassische Einführungsveranstaltung zu einem Thema bekommen sollen.

Nun versuche ich gerade, die erste Seminarstunde zu strukturieren und frage mich, wie man überhaupt einen Einstieg hinbekommt. Das man eine kurze Begrüßung macht und sich selbst kurz vorstellt ist klar, aber wie macht ihr danach weiter? Erstmal das organisatorische klären oder direkt kurze Einleitung zum Thema, worum es im Seminar gehen soll etc. Wie geht ihr bei der Vergabe von Referaten vor? Direkt im Anschluss oder melden sich die Studenten bei euch? Ihr merkt, ich stehe grad so ein bisschen wie der Ochse vor dem Berg :wink: Als braver Geisteswissenschaftler habe ich natürlich Literatur zum Thema Hochsuldidaktik gelesen, aber so richtig praktische Tipps habe ich nicht gefunden.

Bin für jede Erfahrungsschilderung von euch dankbar! Und seien es nur parzielle Dinge, wie: "Wie geht man mit Zuspätkommern um?" (:
Man macht sich ja als Anfänger zu allem so seine Gedanken...

Viele Grüße
Taavi
myfunnyvalentine

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von myfunnyvalentine »

Schon einmal kurz, später etwas mehr.
In der ersten Sitzung kläre ich auch immer die ‘Spielregeln’ des Seminars.
Hierzu:
Taavi hat geschrieben: "Wie geht man mit Zuspätkommern um?" (:
Wer zu spät kommt, der hat bei mir Tafeldienst. :)

Hier: viewtopic.php?f=1&t=3123 steht auch schon etwas.

Grüße

MFV
Zwonk
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Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Zwonk »

Ich mache immer zuerst den organisatorischen Kram (welche Art von Studenten habe ich? Was brauchen die für Scheine? Wie kriegen sie die?) Da gibts öfter schon Überraschungen, weil die merkwürdigsten Menschen sich in meine Seminare verirren. Außerdem habe ich immer einen Seminarplan vorbereitet, der zu jeder Sitzung 3-4 Zeilen Stichpunkte enthält, worum es gehen soll. An dem hangele ich mich dann entlang und erzähle jeweils 3-4 Minuten zu jeder Sitzung etwas, damit die Leute einen Überblick bekommen, worum es gehen wird. Vorher bitte ich die Leute dann, sich für ein Referat zu melden, wenn sie das Thema interessiert.

Was Zuspätkommer betrifft: Leute die zu spät kommen sind mir egal, ich halte auch nichts von Anwesenheitspflichten, aber das sieht leider die Studienordnung meistens vor. Ich lege nur drauf Wert, daß Zuspätkommer leise sind - wenn nicht, erfreuen sie sich den Rest der Sitzung meiner besonderen Aufmerksamkeit. Schlimmer als Zuspätkommer sind Leute, die zu früh gehen. Im Prinzip ist mir das auch egal, aber ich mache in der ersten Sitzung darauf aufmerksam, daß Leute, die früher gehen müssen, das anfangs ankündigen sollen. Insbesondere wenn irgendwelche Studenten vortragen werden die oft verunsichert, wenn die anderen kommentarlos während ihres Vortrags verschwinden.
12. Dec 2016;01. Feb 2017;f;zum neuen Job!
Taavi

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Taavi »

Hallo ihr beiden,

danke für die ersten Tipps, das hat mir schon sehr weitergeholfen, vor allem der Verweis auf den alten Thread! ((:

Bin schon fleißig am strukturieren und gespannt auf weitere Antworten von den alten Hasen unter euch!

Einen schönen Abend wünscht

Taavi
BertaFrieda

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von BertaFrieda »

Hallo Taavi,

ich finde es gut, wenn in der ersten Lehrveranstaltung neben all dem Organisatorischen (Seminarplan, Arbeitsformen, Referate, etc.) auch irgendwas "richtiges" passiert.

Weil das auch bei uns SozialwissenschaftlerInnen meistens heißt, dass wir Texte lesen und auseinandernehmen, nehme ich gerne einen ganz kurzen Text (halbe bis ganze Seite) mit, der einen möglichst anschaulichen (provokativen, zentralen, ...) Einblick in das Thema bietet. Man kann einen solchen Text ja auch schon vor der Sitzung zur Verfügung stellen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, diesen Text gleich nach dem Willkommenheißen und Vorstellen zur Diskussion zu stellen und anhand der meist noch vagen Ideen der Studierenden zum großen Seminarthema und den einzelnen Sitzungen überzuleiten.

Weil das etwas Zeit einnimmt (30 bis 45 Minuten mit Lesephase), schiebe ich manchmal irgendeinen Orgakram (Leistungsnachweise, Referate, o. ä.) in die zweite Sitzung. Gerade bei den Leistungsnachweisen empfiehlt sich meiner Erfahrung nach eine ordentliche Aufstellung der Anforderungen in einer extra Handreichung – da ist ja das Interesse meist hoch.

Und dann noch: Nicht zu viel lesen pro Sitzung! Ein Text, nicht mehr. Und dich in deinen Erwartungen darauf einstellen, dass die Studierenden das Studieren erst noch lernen müssen, gerade in einer Einführungsveranstaltung.

Viel Spaß wünscht:
BertaFrieda.
Klaus Unruh
Beiträge: 180
Registriert: 09.12.2009, 11:23
Status: Post-Doc

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Klaus Unruh »

Nicht zu viel lesen pro Sitzung! Ein Text, nicht mehr.
Sollten die Texte nicht von den Studierenden nicht vor der Veranstaltung gelesen werden, damit man sie dann auf Basis einer Kenntnis des Textes debattiert?
Poppy

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Poppy »

Erfahrungsgemäß werden Texte nicht von allen vorher gelesen. Selbst wenn, ist es gut, den Studis nochmal die Möglichkeit zu geben in den Text reinzuschauen, sie besuchen ja schließlich nicht nur diese eine Veranstaltung, in der sie was lesen sollen. Ich habe auch immer nur einen text pro Sitzung lesen lassen, der längste war ca. 40 Seiten, ansonsten so um die 20. Wenn die texte zu lang sind, werden sie schlichtweg nicht gelesen von den Studierenden, und das wirkt sich natürlich negativ auf die Diskussion im Seminar aus.
myfunnyvalentine

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von myfunnyvalentine »

Taavi hat geschrieben: Es wird wohl ein recht übersichtliches Seminar werden, ca. 16 Studienanfänger, die von mir eine klassische Einführungsveranstaltung zu einem Thema bekommen sollen.
Hallo Taavi,

könntest Du hier noch etwas genauer sein? Einführung in die Literur/Sprachwissenschaft ist doch etwas anderes als Einführung in die Tragödie der frühen Neuzeit ;)

Am wichtigsten imho – und deswegen frage ich – ist wohl, den Studierenden klar zu machen, warum und wozu sie die Inhalte des Einführungskurses überhaupt brauchen. Also einen direkten Bezug zu den Inhalten herstellen. Das ist tatsächlich eine Herausforderung; aber wenn sie verstehen, dass es nicht lediglich um das etüdenhafte Einüben von Begrifflichkeiten geht, dann lernen sie wirklich was :)

Dazu würde ich die erste Stunde nutzen (und weniger das Programm durchkauen; das ist i.d.R. selbsterklärend und interessiert kaum jemanden ;)) Versuche, die Studenten mit etwas zu überraschen: Einem Video oder Filmausschnitt beispielsweise, dass ihnen zwar vertraut ist, das sie aber noch nicht aus der Perspektive des Seminarthemas betrachtet haben.

Ansonsten: Erwarte nicht zu viel von den Studenten. Gehe erst einmal davon aus, dass die nichts wissen.
Und mach die klar, dass Du nie alle gleichermaßen ansprechen kannst. Eine Hälfte findet Gruppenarbeit total super, die andere total blöd. Einigen wird es immer zuviel zu lesen sein, anderen zu wenig.

Schließlich: Verbringe nicht zuviel Zeit mit der Vorbereitung. Gerade beim ersten Kurs passiert das leicht. Ein Tag muss reichen ;)
BertaFrieda

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von BertaFrieda »

Hallo Klaus,

natürlich sollen die Texte vor der Sitzung gelesen werden. Ich sehe das aus einer inzwischen immerhin mehrjährigen Lehrerfahrung heraus aber so wie Poppy: Mehr als 40 Seiten Text oder mehrere Texte wirken sich negativ auf die Motivation der Studierenden aus, sich ordentlich vorzubereiten. Und wenn die Texte nicht ordentlich gelesen wurden, kann man die Sitzung auch gleich ausfallen lassen.

Und, wenn wir schon in der Erziehungswissenschaft sind und etwa an eine Einführung in die Bildungs- und Erziehungstheorie denken, mehr als 20 Seiten Humboldt (oder so) sind Erstsemestern auch kaum zuzumuten. Die steigen schon nach der ersten Seite aus, wenn's zu blumig wird. Nehmen wir an, ich lasse davon 30 Seiten lesen, die sich aber ohne Hilfe von – sagen wir – zwei verschiedenen Lehrbüchern, nicht erschließen lassen, wenn man die Sprache des 18. Jahrhunderts und die Argumentationsstruktur nicht gewohnt ist (was kein Erstsemester ist). Dann müssten die Studierenden erstmal recherchieren, welche Einführungstexte sie lesen könnten, Humboldt lesen, die Texte lesen, Humboldt lesen, ein bis zwei Tage daran arbeiten. Das machen nur ganz, ganz wenige!

Und selbst wenn: Dann muss man immer noch Zeile für Zeile besprechen – da würden wir bei viel mehr Seiten ja gar nicht mehr fertig. Und schlössen 80 bis 90 Prozent der TeilnehmerInnen aus.

Zusätzlich kann man – je nach Fach – immer noch kürzere Quellen/Dokumente/Interviews/whatever reinreichen – das ist ja eine ganz andere Textsorte und muss ganz anders vorbereitet werden. Meist ist aber das Erschließen des Inhalts einfacher (wenigstens auf den ersten Blick).

So weit
Gruß

BertaFrieda.

Edit: @Myfunnyvalentine – genau das versuche ich mit meinen Kleinsttexten (Videos bieten sich bei mir nicht an): Die Studierenden überraschen und direkt mit einem relevanten Inhalt aus dem Seminarthemenkomplex konfrontieren. Meiner Erfahrung nach kommt das immer gut an!
Poppy

Re: Die erste Lehrveranstaltung

Beitrag von Poppy »

Ich nutze unsere Online-Plattform auch immer dazu zusätzliche Literatur anzubieten, die aber nicht obligatorisch fürs Seminar ist.
Bei den Texten, lasse ich mir auch gelegentlich ein Feedback geben, ob sie den schwer fanden. Nach und nach bekommt man dann ein Gefühl, bei welchen Texten man vielleicht das nächste mal reduzieren sollte.
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